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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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zur Verfügung gestellt, die jedoch ebendeßhalb, weil sie in den
Dienst praktischer Interessen traten und dabei den inneren
Zusammenhang aller Vegetationserscheinungen vielfach außer
Acht ließen, nicht selten auf Abwege geriethen. Indeß wurde
doch ein großes Material von Thatsachen angehäuft, welches bei
sorgfältiger Sichtung späterhin auch rein wissenschaftlichen In-
teressen dienen konnte. Einzelne der hervorragendsten Agrikultur-
chemiker erwarben sich übrigens das Verdienst, neben den prak-
tischen Gesichtspuncten auch die rein wissenschaftlichen zur Geltung
zu bringen und in umfangreichen Werken die gesammte Er-
nährungslehre der Pflanzen, soweit es sich ohne tieferes Ein-
gehen auf die Organisation derselben thun ließ, vorzutragen; so
namentlich Boussingault und bei uns Emil Wolff und Franz
Schulze. Aber auch jetzt noch blieben diejenigen Fragen der
Ernährung unentschieden, welche die chemischen Vorgänge im
Innern der Pflanze selbst betreffen, die Vorgänge der Assimilation
und des Stoffwechsels, obwohl auch in dieser Beziehung manche
werthvolle Vorarbeiten stattfanden.

Im Vergleich mit den bedeutenden Fortschritten der Sexual-
theorie und der Ernährungslehre wurde in den übrigen Theilen
der Pflanzenphysiologie nur wenig und dies Wenige nur unzu-
sammenhängend und bruchstückweise zu Tage gefördert; verschiedene
Beobachter constatirten den Zusammenhang der vegetabilischen
Eigenwärme mit der Sauerstoffathmung; es wurden einzelne
neue Thatsachen bezüglich der Abwärtskrümmung der Wurzeln
bekannt, Brücke lieferte 1848 eine ausgezeichnete Untersuchung
über die Reizbewegungen der Mimosenblätter und Hofmeister
zeigte 1857, daß das sogenannte Bluten der Weinrebe und einiger
Bäume, bei denen man diese Erscheinung bisher allein kannte,
bei allen Holzpflanzen, und nicht bloß im Frühjahr, sondern zu
jeder Zeit stattfindet, wenn die geeigneten Bedingungen hergestellt
werden. Alle diese und zahlreiche andere vereinzelte Wahrnehm-
ungen waren für die Zukunft sehr werthvoll, wurden aber einst-
weilen noch nicht zur Ausbildung umfassender Theorieen benutzt,
da sich Niemand derartigen Fragen ausschließlich und mit der-

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Einleitung.
zur Verfügung geſtellt, die jedoch ebendeßhalb, weil ſie in den
Dienſt praktiſcher Intereſſen traten und dabei den inneren
Zuſammenhang aller Vegetationserſcheinungen vielfach außer
Acht ließen, nicht ſelten auf Abwege geriethen. Indeß wurde
doch ein großes Material von Thatſachen angehäuft, welches bei
ſorgfältiger Sichtung ſpäterhin auch rein wiſſenſchaftlichen In-
tereſſen dienen konnte. Einzelne der hervorragendſten Agrikultur-
chemiker erwarben ſich übrigens das Verdienſt, neben den prak-
tiſchen Geſichtspuncten auch die rein wiſſenſchaftlichen zur Geltung
zu bringen und in umfangreichen Werken die geſammte Er-
nährungslehre der Pflanzen, ſoweit es ſich ohne tieferes Ein-
gehen auf die Organiſation derſelben thun ließ, vorzutragen; ſo
namentlich Bouſſingault und bei uns Emil Wolff und Franz
Schulze. Aber auch jetzt noch blieben diejenigen Fragen der
Ernährung unentſchieden, welche die chemiſchen Vorgänge im
Innern der Pflanze ſelbſt betreffen, die Vorgänge der Aſſimilation
und des Stoffwechſels, obwohl auch in dieſer Beziehung manche
werthvolle Vorarbeiten ſtattfanden.

Im Vergleich mit den bedeutenden Fortſchritten der Sexual-
theorie und der Ernährungslehre wurde in den übrigen Theilen
der Pflanzenphyſiologie nur wenig und dies Wenige nur unzu-
ſammenhängend und bruchſtückweiſe zu Tage gefördert; verſchiedene
Beobachter conſtatirten den Zuſammenhang der vegetabiliſchen
Eigenwärme mit der Sauerſtoffathmung; es wurden einzelne
neue Thatſachen bezüglich der Abwärtskrümmung der Wurzeln
bekannt, Brücke lieferte 1848 eine ausgezeichnete Unterſuchung
über die Reizbewegungen der Mimoſenblätter und Hofmeiſter
zeigte 1857, daß das ſogenannte Bluten der Weinrebe und einiger
Bäume, bei denen man dieſe Erſcheinung bisher allein kannte,
bei allen Holzpflanzen, und nicht bloß im Frühjahr, ſondern zu
jeder Zeit ſtattfindet, wenn die geeigneten Bedingungen hergeſtellt
werden. Alle dieſe und zahlreiche andere vereinzelte Wahrnehm-
ungen waren für die Zukunft ſehr werthvoll, wurden aber einſt-
weilen noch nicht zur Ausbildung umfaſſender Theorieen benutzt,
da ſich Niemand derartigen Fragen ausſchließlich und mit der-

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[403/0415] Einleitung. zur Verfügung geſtellt, die jedoch ebendeßhalb, weil ſie in den Dienſt praktiſcher Intereſſen traten und dabei den inneren Zuſammenhang aller Vegetationserſcheinungen vielfach außer Acht ließen, nicht ſelten auf Abwege geriethen. Indeß wurde doch ein großes Material von Thatſachen angehäuft, welches bei ſorgfältiger Sichtung ſpäterhin auch rein wiſſenſchaftlichen In- tereſſen dienen konnte. Einzelne der hervorragendſten Agrikultur- chemiker erwarben ſich übrigens das Verdienſt, neben den prak- tiſchen Geſichtspuncten auch die rein wiſſenſchaftlichen zur Geltung zu bringen und in umfangreichen Werken die geſammte Er- nährungslehre der Pflanzen, ſoweit es ſich ohne tieferes Ein- gehen auf die Organiſation derſelben thun ließ, vorzutragen; ſo namentlich Bouſſingault und bei uns Emil Wolff und Franz Schulze. Aber auch jetzt noch blieben diejenigen Fragen der Ernährung unentſchieden, welche die chemiſchen Vorgänge im Innern der Pflanze ſelbſt betreffen, die Vorgänge der Aſſimilation und des Stoffwechſels, obwohl auch in dieſer Beziehung manche werthvolle Vorarbeiten ſtattfanden. Im Vergleich mit den bedeutenden Fortſchritten der Sexual- theorie und der Ernährungslehre wurde in den übrigen Theilen der Pflanzenphyſiologie nur wenig und dies Wenige nur unzu- ſammenhängend und bruchſtückweiſe zu Tage gefördert; verſchiedene Beobachter conſtatirten den Zuſammenhang der vegetabiliſchen Eigenwärme mit der Sauerſtoffathmung; es wurden einzelne neue Thatſachen bezüglich der Abwärtskrümmung der Wurzeln bekannt, Brücke lieferte 1848 eine ausgezeichnete Unterſuchung über die Reizbewegungen der Mimoſenblätter und Hofmeiſter zeigte 1857, daß das ſogenannte Bluten der Weinrebe und einiger Bäume, bei denen man dieſe Erſcheinung bisher allein kannte, bei allen Holzpflanzen, und nicht bloß im Frühjahr, ſondern zu jeder Zeit ſtattfindet, wenn die geeigneten Bedingungen hergeſtellt werden. Alle dieſe und zahlreiche andere vereinzelte Wahrnehm- ungen waren für die Zukunft ſehr werthvoll, wurden aber einſt- weilen noch nicht zur Ausbildung umfaſſender Theorieen benutzt, da ſich Niemand derartigen Fragen ausſchließlich und mit der- 26*

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/415>, abgerufen am 25.11.2024.