Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

Gewebeform, Molecularstruktur der organischen Gebilde.
Bedeutung der Schleimschicht (des Protoplasma's) noch nicht
kannte, indem er aber freilich auch auf andere Puncte und neuere
Erwägungen hinwies, welche Schleiden's Theorie definitiv
beseitigten. Nachdem er die verschiedenen Formen der freien
Zellbildung untersucht und die Vorgänge dabei ganz anders ge-
funden hatte, als Schleiden, ging er dazu über, die freie
Zellbildung auch da aufzusuchen, wo sie nach Schleiden's
Behauptung ausnahmslos vorkommen sollte, in den wachsenden
vegetativen Organen höherer Pflanzen. Diese Untersuchung führte
ihn aber zu dem Schluß, daß alle vegetative Zellbildung eine
"wandständige" (Zelltheilung) sei, und daß auch die reproduktive
mancher Algen und Pilze durch Theilung stattfinde; durch freie
Zellbildung entstehen die Reproduktionszellen der meisten Pflanzen,
wobei der Begriff der freien Zellbildung jedoch noch nicht ganz
in dem später gebrauchten Sinne aufgefaßt wird, insoferne
Nägeli auch noch die Tetradenbildung der Sporen und Pollen-
körner in den Begriff der freien Bildung hineinzog. War der
Unterschied zwischen Zelltheilung und freier Zellbildung auch
schon vorher von anderen mehrfach angedeutet worden, so wurde
er doch zuerst von Nägeli, wenn auch noch nicht ganz in dem
später geltenden Sinne charakterisirt. "Bei der wandständigen
Zellbildung (Zelltheilung), theilt sich der Inhalt der Mutterzelle
in zwei oder mehrere Parthieen; um jede dieser Inhaltsparthieen
entsteht eine vollständige Membran, welche im Momente ihres
Auftretens theils an die Wandung der Mutterzelle, theils an die
zugekehrten Wandungen der Schwesterzellen sich anlehnt. Bei der
freien Zellbildung isolirt sich ein kleiner oder größerer Theil des
Inhaltes, wohl auch der ganze Inhalt einer Zelle.
An seiner Oberfläche bildet sich eine vollständige, an ihrer äußeren
Fläche überall freie Membran. Die Zellbildung enthält
zwei Momente
; das erste besteht in der Isolirung
oder Individualisirung einer Parthie des Inhaltes
der Mutterzelle
, der zweite besteht in der Entsteh-
ung einer Membran um diese individualisirte
Inhaltsparthie
." Es wird ferner gezeigt, daß die Zellhaut

Gewebeform, Molecularſtruktur der organiſchen Gebilde.
Bedeutung der Schleimſchicht (des Protoplasma's) noch nicht
kannte, indem er aber freilich auch auf andere Puncte und neuere
Erwägungen hinwies, welche Schleiden's Theorie definitiv
beſeitigten. Nachdem er die verſchiedenen Formen der freien
Zellbildung unterſucht und die Vorgänge dabei ganz anders ge-
funden hatte, als Schleiden, ging er dazu über, die freie
Zellbildung auch da aufzuſuchen, wo ſie nach Schleiden's
Behauptung ausnahmslos vorkommen ſollte, in den wachſenden
vegetativen Organen höherer Pflanzen. Dieſe Unterſuchung führte
ihn aber zu dem Schluß, daß alle vegetative Zellbildung eine
„wandſtändige“ (Zelltheilung) ſei, und daß auch die reproduktive
mancher Algen und Pilze durch Theilung ſtattfinde; durch freie
Zellbildung entſtehen die Reproduktionszellen der meiſten Pflanzen,
wobei der Begriff der freien Zellbildung jedoch noch nicht ganz
in dem ſpäter gebrauchten Sinne aufgefaßt wird, inſoferne
Nägeli auch noch die Tetradenbildung der Sporen und Pollen-
körner in den Begriff der freien Bildung hineinzog. War der
Unterſchied zwiſchen Zelltheilung und freier Zellbildung auch
ſchon vorher von anderen mehrfach angedeutet worden, ſo wurde
er doch zuerſt von Nägeli, wenn auch noch nicht ganz in dem
ſpäter geltenden Sinne charakteriſirt. „Bei der wandſtändigen
Zellbildung (Zelltheilung), theilt ſich der Inhalt der Mutterzelle
in zwei oder mehrere Parthieen; um jede dieſer Inhaltsparthieen
entſteht eine vollſtändige Membran, welche im Momente ihres
Auftretens theils an die Wandung der Mutterzelle, theils an die
zugekehrten Wandungen der Schweſterzellen ſich anlehnt. Bei der
freien Zellbildung iſolirt ſich ein kleiner oder größerer Theil des
Inhaltes, wohl auch der ganze Inhalt einer Zelle.
An ſeiner Oberfläche bildet ſich eine vollſtändige, an ihrer äußeren
Fläche überall freie Membran. Die Zellbildung enthält
zwei Momente
; das erſte beſteht in der Iſolirung
oder Individualiſirung einer Parthie des Inhaltes
der Mutterzelle
, der zweite beſteht in der Entſteh-
ung einer Membran um dieſe individualiſirte
Inhaltsparthie
.“ Es wird ferner gezeigt, daß die Zellhaut

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0371" n="359"/><fw place="top" type="header">Gewebeform, Molecular&#x017F;truktur der organi&#x017F;chen Gebilde.</fw><lb/>
Bedeutung der Schleim&#x017F;chicht (des Protoplasma's) noch nicht<lb/>
kannte, indem er aber freilich auch auf andere Puncte und neuere<lb/>
Erwägungen hinwies, welche <hi rendition="#g">Schleiden</hi>'s Theorie definitiv<lb/>
be&#x017F;eitigten. Nachdem er die ver&#x017F;chiedenen Formen der freien<lb/>
Zellbildung unter&#x017F;ucht und die Vorgänge dabei ganz anders ge-<lb/>
funden hatte, als <hi rendition="#g">Schleiden</hi>, ging er dazu über, die freie<lb/>
Zellbildung auch da aufzu&#x017F;uchen, wo &#x017F;ie nach <hi rendition="#g">Schleiden</hi>'s<lb/>
Behauptung ausnahmslos vorkommen &#x017F;ollte, in den wach&#x017F;enden<lb/>
vegetativen Organen höherer Pflanzen. Die&#x017F;e Unter&#x017F;uchung führte<lb/>
ihn aber zu dem Schluß, daß alle vegetative Zellbildung eine<lb/>
&#x201E;wand&#x017F;tändige&#x201C; (Zelltheilung) &#x017F;ei, und daß auch die reproduktive<lb/>
mancher Algen und Pilze durch Theilung &#x017F;tattfinde; durch freie<lb/>
Zellbildung ent&#x017F;tehen die Reproduktionszellen der mei&#x017F;ten Pflanzen,<lb/>
wobei der Begriff der freien Zellbildung jedoch noch nicht ganz<lb/>
in dem &#x017F;päter gebrauchten Sinne aufgefaßt wird, in&#x017F;oferne<lb/><hi rendition="#g">Nägeli</hi> auch noch die Tetradenbildung der Sporen und Pollen-<lb/>
körner in den Begriff der freien Bildung hineinzog. War der<lb/>
Unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen Zelltheilung und freier Zellbildung auch<lb/>
&#x017F;chon vorher von anderen mehrfach angedeutet worden, &#x017F;o wurde<lb/>
er doch zuer&#x017F;t von <hi rendition="#g">Nägeli</hi>, wenn auch noch nicht ganz in dem<lb/>
&#x017F;päter geltenden Sinne charakteri&#x017F;irt. &#x201E;Bei der wand&#x017F;tändigen<lb/>
Zellbildung (Zelltheilung), theilt &#x017F;ich der Inhalt der Mutterzelle<lb/>
in zwei oder mehrere Parthieen; um jede die&#x017F;er Inhaltsparthieen<lb/>
ent&#x017F;teht eine voll&#x017F;tändige Membran, welche im Momente ihres<lb/>
Auftretens theils an die Wandung der Mutterzelle, theils an die<lb/>
zugekehrten Wandungen der Schwe&#x017F;terzellen &#x017F;ich anlehnt. Bei der<lb/>
freien Zellbildung i&#x017F;olirt &#x017F;ich ein kleiner oder größerer Theil des<lb/>
Inhaltes, <hi rendition="#g">wohl auch der ganze Inhalt einer Zelle</hi>.<lb/>
An &#x017F;einer Oberfläche bildet &#x017F;ich eine voll&#x017F;tändige, an ihrer äußeren<lb/>
Fläche überall freie Membran. <hi rendition="#g">Die Zellbildung enthält<lb/>
zwei Momente</hi>; <hi rendition="#g">das er&#x017F;te be&#x017F;teht in der I&#x017F;olirung<lb/>
oder Individuali&#x017F;irung einer Parthie des Inhaltes<lb/>
der Mutterzelle</hi>, <hi rendition="#g">der zweite be&#x017F;teht in der Ent&#x017F;teh</hi>-<lb/><hi rendition="#g">ung einer Membran um die&#x017F;e individuali&#x017F;irte<lb/>
Inhaltsparthie</hi>.&#x201C; Es wird ferner gezeigt, daß die Zellhaut<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[359/0371] Gewebeform, Molecularſtruktur der organiſchen Gebilde. Bedeutung der Schleimſchicht (des Protoplasma's) noch nicht kannte, indem er aber freilich auch auf andere Puncte und neuere Erwägungen hinwies, welche Schleiden's Theorie definitiv beſeitigten. Nachdem er die verſchiedenen Formen der freien Zellbildung unterſucht und die Vorgänge dabei ganz anders ge- funden hatte, als Schleiden, ging er dazu über, die freie Zellbildung auch da aufzuſuchen, wo ſie nach Schleiden's Behauptung ausnahmslos vorkommen ſollte, in den wachſenden vegetativen Organen höherer Pflanzen. Dieſe Unterſuchung führte ihn aber zu dem Schluß, daß alle vegetative Zellbildung eine „wandſtändige“ (Zelltheilung) ſei, und daß auch die reproduktive mancher Algen und Pilze durch Theilung ſtattfinde; durch freie Zellbildung entſtehen die Reproduktionszellen der meiſten Pflanzen, wobei der Begriff der freien Zellbildung jedoch noch nicht ganz in dem ſpäter gebrauchten Sinne aufgefaßt wird, inſoferne Nägeli auch noch die Tetradenbildung der Sporen und Pollen- körner in den Begriff der freien Bildung hineinzog. War der Unterſchied zwiſchen Zelltheilung und freier Zellbildung auch ſchon vorher von anderen mehrfach angedeutet worden, ſo wurde er doch zuerſt von Nägeli, wenn auch noch nicht ganz in dem ſpäter geltenden Sinne charakteriſirt. „Bei der wandſtändigen Zellbildung (Zelltheilung), theilt ſich der Inhalt der Mutterzelle in zwei oder mehrere Parthieen; um jede dieſer Inhaltsparthieen entſteht eine vollſtändige Membran, welche im Momente ihres Auftretens theils an die Wandung der Mutterzelle, theils an die zugekehrten Wandungen der Schweſterzellen ſich anlehnt. Bei der freien Zellbildung iſolirt ſich ein kleiner oder größerer Theil des Inhaltes, wohl auch der ganze Inhalt einer Zelle. An ſeiner Oberfläche bildet ſich eine vollſtändige, an ihrer äußeren Fläche überall freie Membran. Die Zellbildung enthält zwei Momente; das erſte beſteht in der Iſolirung oder Individualiſirung einer Parthie des Inhaltes der Mutterzelle, der zweite beſteht in der Entſteh- ung einer Membran um dieſe individualiſirte Inhaltsparthie.“ Es wird ferner gezeigt, daß die Zellhaut

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/371
Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/371>, abgerufen am 24.11.2024.