Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

Entwicklungsgeschichte der Zelle, Entstehung der
reichs bezüglich des Vorkommens des Zellkerns geprüft, betreffs
der verschiedenen Arten der Zellbildung neu untersucht, alle Fälle
der letzteren nach ihren Aehnlichkeiten und Verschiedenheiten sorg-
fältig verglichen, um so das Wesentliche und Allgemeine aus
den Erscheinungen der Zellbildung abzuleiten. Die nächste Folge
war, daß sich Schleiden schon 1845 in der zweiten Auflage
seiner Grundzüge genöthigt sah, die von Nägeli konstatirte
Zelltheilung bei Algen und Pollenmutterzellen als eine zweite
Form der Zellbildung gelten zu lassen, womit der Rückzug be-
gann, der schon im nächsten Jahr mit Vernichtung der Schlei-
den'schen Theorie endigen sollte. Dieß geschah durch die
Fortsetzung von Nägeli's genannter Abhandlung im dritten
Bande der Zeitschrift 1846. Bei der Bearbeitung des ersten
Theiles war Nägeli von der Richtigkeit der Schleiden'schen
Behauptungen ausgegangen, obgleich er dieselben schon damals
beträchtlich einschränken mußte. Im zweiten Theil der Abhand-
lung dagegen wird in Folge der weiter fortgesetzten Untersuchungen
die Schleiden'sche Theorie unumwunden in jeder Beziehung
für unrichtig erklärt und Punct für Punct schlagend widerlegt.
Bei diesem negativen Ergebniß brauchte Nägeli um so weniger
stehen zu bleiben, als seine umfassenden Untersuchungen zugleich
das Material lieferten, aus welchem sich eine neue Zellbildungs-
theorie aufbauen ließ, welche nicht nur die verschiedensten Fälle
umfaßte, sondern auch das ihnen allen zu Grunde liegende Gesetz
aussprach. Vergleicht man diesen zweiten Theil von Nägeli's
genannter Abhandlung mit Mohl's Arbeiten von 1833-1846,
so bleibt kein Zweifel, daß Mohl zwar eine Anzahl wichtiger
Thatsachen genau beobachtet hatte, daß jedoch Nägeli dieselben
sehr erweitert und was die Hauptsache ist, sie zu einer um-
fassenden Theorie verarbeitet hat, welche alle Formen der Zell-
bildung umfaßt. Wie wichtig für die Ausbildung der Zelltheorie
die richtige Unterscheidung des Protoplasma's von den übrigen
Inhaltsmassen der Zelle war, ersieht man aus der Aeußerung
Nägeli's, er nehme seine frühere, von Schleiden ausgehende
[ - 5 Zeichen fehlen] zurück, weil dieselbe aus einer Zeit stamme, wo er die

Entwicklungsgeſchichte der Zelle, Entſtehung der
reichs bezüglich des Vorkommens des Zellkerns geprüft, betreffs
der verſchiedenen Arten der Zellbildung neu unterſucht, alle Fälle
der letzteren nach ihren Aehnlichkeiten und Verſchiedenheiten ſorg-
fältig verglichen, um ſo das Weſentliche und Allgemeine aus
den Erſcheinungen der Zellbildung abzuleiten. Die nächſte Folge
war, daß ſich Schleiden ſchon 1845 in der zweiten Auflage
ſeiner Grundzüge genöthigt ſah, die von Nägeli konſtatirte
Zelltheilung bei Algen und Pollenmutterzellen als eine zweite
Form der Zellbildung gelten zu laſſen, womit der Rückzug be-
gann, der ſchon im nächſten Jahr mit Vernichtung der Schlei-
den'ſchen Theorie endigen ſollte. Dieß geſchah durch die
Fortſetzung von Nägeli's genannter Abhandlung im dritten
Bande der Zeitſchrift 1846. Bei der Bearbeitung des erſten
Theiles war Nägeli von der Richtigkeit der Schleiden'ſchen
Behauptungen ausgegangen, obgleich er dieſelben ſchon damals
beträchtlich einſchränken mußte. Im zweiten Theil der Abhand-
lung dagegen wird in Folge der weiter fortgeſetzten Unterſuchungen
die Schleiden'ſche Theorie unumwunden in jeder Beziehung
für unrichtig erklärt und Punct für Punct ſchlagend widerlegt.
Bei dieſem negativen Ergebniß brauchte Nägeli um ſo weniger
ſtehen zu bleiben, als ſeine umfaſſenden Unterſuchungen zugleich
das Material lieferten, aus welchem ſich eine neue Zellbildungs-
theorie aufbauen ließ, welche nicht nur die verſchiedenſten Fälle
umfaßte, ſondern auch das ihnen allen zu Grunde liegende Geſetz
ausſprach. Vergleicht man dieſen zweiten Theil von Nägeli's
genannter Abhandlung mit Mohl's Arbeiten von 1833-1846,
ſo bleibt kein Zweifel, daß Mohl zwar eine Anzahl wichtiger
Thatſachen genau beobachtet hatte, daß jedoch Nägeli dieſelben
ſehr erweitert und was die Hauptſache iſt, ſie zu einer um-
faſſenden Theorie verarbeitet hat, welche alle Formen der Zell-
bildung umfaßt. Wie wichtig für die Ausbildung der Zelltheorie
die richtige Unterſcheidung des Protoplasma's von den übrigen
Inhaltsmaſſen der Zelle war, erſieht man aus der Aeußerung
Nägeli's, er nehme ſeine frühere, von Schleiden ausgehende
[ – 5 Zeichen fehlen] zurück, weil dieſelbe aus einer Zeit ſtamme, wo er die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0370" n="358"/><fw place="top" type="header">Entwicklungsge&#x017F;chichte der Zelle, Ent&#x017F;tehung der</fw><lb/>
reichs bezüglich des Vorkommens des Zellkerns geprüft, betreffs<lb/>
der ver&#x017F;chiedenen Arten der Zellbildung neu unter&#x017F;ucht, alle Fälle<lb/>
der letzteren nach ihren Aehnlichkeiten und Ver&#x017F;chiedenheiten &#x017F;org-<lb/>
fältig verglichen, um &#x017F;o das We&#x017F;entliche und Allgemeine aus<lb/>
den Er&#x017F;cheinungen der Zellbildung abzuleiten. Die näch&#x017F;te Folge<lb/>
war, daß &#x017F;ich <hi rendition="#g">Schleiden</hi> &#x017F;chon 1845 in der zweiten Auflage<lb/>
&#x017F;einer Grundzüge genöthigt &#x017F;ah, die von <hi rendition="#g">Nägeli</hi> kon&#x017F;tatirte<lb/>
Zelltheilung bei <hi rendition="#g">Algen</hi> und Pollenmutterzellen als eine zweite<lb/>
Form der Zellbildung gelten zu la&#x017F;&#x017F;en, womit der Rückzug be-<lb/>
gann, der &#x017F;chon im näch&#x017F;ten Jahr mit Vernichtung der <hi rendition="#g">Schlei</hi>-<lb/><hi rendition="#g">den</hi>'<hi rendition="#g">&#x017F;chen</hi> Theorie endigen &#x017F;ollte. Dieß ge&#x017F;chah durch die<lb/>
Fort&#x017F;etzung von <hi rendition="#g">Nägeli</hi>'s genannter Abhandlung im dritten<lb/>
Bande der Zeit&#x017F;chrift 1846. Bei der Bearbeitung des er&#x017F;ten<lb/>
Theiles war <hi rendition="#g">Nägeli</hi> von der Richtigkeit der <hi rendition="#g">Schleiden</hi>'<hi rendition="#g">&#x017F;chen</hi><lb/>
Behauptungen ausgegangen, obgleich er die&#x017F;elben &#x017F;chon damals<lb/>
beträchtlich ein&#x017F;chränken mußte. Im zweiten Theil der Abhand-<lb/>
lung dagegen wird in Folge der weiter fortge&#x017F;etzten Unter&#x017F;uchungen<lb/>
die <hi rendition="#g">Schleiden</hi>'<hi rendition="#g">&#x017F;che</hi> Theorie unumwunden in jeder Beziehung<lb/>
für unrichtig erklärt und Punct für Punct &#x017F;chlagend widerlegt.<lb/>
Bei die&#x017F;em negativen Ergebniß brauchte <hi rendition="#g">Nägeli</hi> um &#x017F;o weniger<lb/>
&#x017F;tehen zu bleiben, als &#x017F;eine umfa&#x017F;&#x017F;enden Unter&#x017F;uchungen zugleich<lb/>
das Material lieferten, aus welchem &#x017F;ich eine neue Zellbildungs-<lb/>
theorie aufbauen ließ, welche nicht nur die ver&#x017F;chieden&#x017F;ten Fälle<lb/>
umfaßte, &#x017F;ondern auch das ihnen allen zu Grunde liegende Ge&#x017F;etz<lb/>
aus&#x017F;prach. Vergleicht man die&#x017F;en zweiten Theil von <hi rendition="#g">Nägeli</hi>'s<lb/>
genannter Abhandlung mit <hi rendition="#g">Mohl</hi>'s Arbeiten von 1833-1846,<lb/>
&#x017F;o bleibt kein Zweifel, daß <hi rendition="#g">Mohl</hi> zwar eine Anzahl wichtiger<lb/>
That&#x017F;achen genau beobachtet hatte, daß jedoch <hi rendition="#g">Nägeli</hi> die&#x017F;elben<lb/>
&#x017F;ehr erweitert und was die Haupt&#x017F;ache i&#x017F;t, &#x017F;ie zu einer um-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;enden Theorie verarbeitet hat, welche alle Formen der Zell-<lb/>
bildung umfaßt. Wie wichtig für die Ausbildung der Zelltheorie<lb/>
die richtige Unter&#x017F;cheidung des Protoplasma's von den übrigen<lb/>
Inhaltsma&#x017F;&#x017F;en der Zelle war, er&#x017F;ieht man aus der Aeußerung<lb/><hi rendition="#g">Nägeli</hi>'s, er nehme &#x017F;eine frühere, von <hi rendition="#g">Schleiden</hi> ausgehende<lb/><gap unit="chars" quantity="5"/> zurück, weil die&#x017F;elbe aus einer Zeit &#x017F;tamme, wo er die<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[358/0370] Entwicklungsgeſchichte der Zelle, Entſtehung der reichs bezüglich des Vorkommens des Zellkerns geprüft, betreffs der verſchiedenen Arten der Zellbildung neu unterſucht, alle Fälle der letzteren nach ihren Aehnlichkeiten und Verſchiedenheiten ſorg- fältig verglichen, um ſo das Weſentliche und Allgemeine aus den Erſcheinungen der Zellbildung abzuleiten. Die nächſte Folge war, daß ſich Schleiden ſchon 1845 in der zweiten Auflage ſeiner Grundzüge genöthigt ſah, die von Nägeli konſtatirte Zelltheilung bei Algen und Pollenmutterzellen als eine zweite Form der Zellbildung gelten zu laſſen, womit der Rückzug be- gann, der ſchon im nächſten Jahr mit Vernichtung der Schlei- den'ſchen Theorie endigen ſollte. Dieß geſchah durch die Fortſetzung von Nägeli's genannter Abhandlung im dritten Bande der Zeitſchrift 1846. Bei der Bearbeitung des erſten Theiles war Nägeli von der Richtigkeit der Schleiden'ſchen Behauptungen ausgegangen, obgleich er dieſelben ſchon damals beträchtlich einſchränken mußte. Im zweiten Theil der Abhand- lung dagegen wird in Folge der weiter fortgeſetzten Unterſuchungen die Schleiden'ſche Theorie unumwunden in jeder Beziehung für unrichtig erklärt und Punct für Punct ſchlagend widerlegt. Bei dieſem negativen Ergebniß brauchte Nägeli um ſo weniger ſtehen zu bleiben, als ſeine umfaſſenden Unterſuchungen zugleich das Material lieferten, aus welchem ſich eine neue Zellbildungs- theorie aufbauen ließ, welche nicht nur die verſchiedenſten Fälle umfaßte, ſondern auch das ihnen allen zu Grunde liegende Geſetz ausſprach. Vergleicht man dieſen zweiten Theil von Nägeli's genannter Abhandlung mit Mohl's Arbeiten von 1833-1846, ſo bleibt kein Zweifel, daß Mohl zwar eine Anzahl wichtiger Thatſachen genau beobachtet hatte, daß jedoch Nägeli dieſelben ſehr erweitert und was die Hauptſache iſt, ſie zu einer um- faſſenden Theorie verarbeitet hat, welche alle Formen der Zell- bildung umfaßt. Wie wichtig für die Ausbildung der Zelltheorie die richtige Unterſcheidung des Protoplasma's von den übrigen Inhaltsmaſſen der Zelle war, erſieht man aus der Aeußerung Nägeli's, er nehme ſeine frühere, von Schleiden ausgehende _____ zurück, weil dieſelbe aus einer Zeit ſtamme, wo er die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/370
Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/370>, abgerufen am 24.11.2024.