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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Morphologie und Systematik unter dem Einfluß der
selbst Gesetze der Variation vorgezeichnet sind, welche unabhängig
vom Kampf ums Dasein und der natürlichen Auswahl zu
einer Vervollkommnung und fortschreitender Differenzirung der
organischen Formen hinführen; ein Ergebniß der Morphologie,
dessen Bedeutung auch Darwin später anerkannt hat. Erst
durch die von Nägeli hinzugefügte Ergänzung gewann die
Descendenztheorie die Form, in welcher sie geeignet war, das
schon von den Systematikern der ältern Richtung erkannte
Problem zu erklären, wie es möglich sei, daß die systematisch
morphologische Verwandtschaft der Arten in so hohem Grade
unabhängig ist von ihrer physiologischen Anpassung an die
Umgebung.

Die heutige Zellenlehre, Pflanzenanatomie, Morphologie
und die verbesserte Form der Selektionstheorie sind das Ergebniß
der inductiven Forschung seit 1840, ein Ergebniß, dessen ganze
Bedeutung erst noch in den folgenden Theilen unserer Geschichte
hervortreten wird. Hier werde ich in Folgenden nur die mor-
phologischen und systematischen Resultate noch etwas näher be-
leuchten, wobei ich genöthigt bin, von der reichhaltigen Thätig-
keit der hier zu nennenden Botaniker eben nur einen Theil
vorzuführen, indem ich mir vorbehalte in der Geschichte der Anatomie
und Physiologie der Pflanzen auf das Uebrige zurückzukommen.

Zu dem Eigenthümlichen dieser Periode der Botanik gehört
es, daß die Morphologie in die engste Verknüpfung mit der
Zellenlehre, Anatomie und Embryologie tritt und daß vor
Allem die Untersuchungen über den Befruchtungsvorgang und
die Embryobildung gewissermaßen in den Mittelpunct, der
morphologisch-systematischen Forschungen treten. Eine strenge
Sonderung dieser verschiedenartigen Bestrebungen, die aber schließ-
lich alle der Systematik zu gute gekommen sind, ist daher kaum
durchführbar; am allerwenigsten da, wo es sich um die niederen
Kryptogamen handelt.


Der Zustand der botanischen Literatur von 1840 war ein
höchst unerquicklicher; zwar fehlte es nicht auf den verschiedenen

Morphologie und Syſtematik unter dem Einfluß der
ſelbſt Geſetze der Variation vorgezeichnet ſind, welche unabhängig
vom Kampf ums Daſein und der natürlichen Auswahl zu
einer Vervollkommnung und fortſchreitender Differenzirung der
organiſchen Formen hinführen; ein Ergebniß der Morphologie,
deſſen Bedeutung auch Darwin ſpäter anerkannt hat. Erſt
durch die von Nägeli hinzugefügte Ergänzung gewann die
Deſcendenztheorie die Form, in welcher ſie geeignet war, das
ſchon von den Syſtematikern der ältern Richtung erkannte
Problem zu erklären, wie es möglich ſei, daß die ſyſtematiſch
morphologiſche Verwandtſchaft der Arten in ſo hohem Grade
unabhängig iſt von ihrer phyſiologiſchen Anpaſſung an die
Umgebung.

Die heutige Zellenlehre, Pflanzenanatomie, Morphologie
und die verbeſſerte Form der Selektionstheorie ſind das Ergebniß
der inductiven Forſchung ſeit 1840, ein Ergebniß, deſſen ganze
Bedeutung erſt noch in den folgenden Theilen unſerer Geſchichte
hervortreten wird. Hier werde ich in Folgenden nur die mor-
phologiſchen und ſyſtematiſchen Reſultate noch etwas näher be-
leuchten, wobei ich genöthigt bin, von der reichhaltigen Thätig-
keit der hier zu nennenden Botaniker eben nur einen Theil
vorzuführen, indem ich mir vorbehalte in der Geſchichte der Anatomie
und Phyſiologie der Pflanzen auf das Uebrige zurückzukommen.

Zu dem Eigenthümlichen dieſer Periode der Botanik gehört
es, daß die Morphologie in die engſte Verknüpfung mit der
Zellenlehre, Anatomie und Embryologie tritt und daß vor
Allem die Unterſuchungen über den Befruchtungsvorgang und
die Embryobildung gewiſſermaßen in den Mittelpunct, der
morphologiſch-ſyſtematiſchen Forſchungen treten. Eine ſtrenge
Sonderung dieſer verſchiedenartigen Beſtrebungen, die aber ſchließ-
lich alle der Syſtematik zu gute gekommen ſind, iſt daher kaum
durchführbar; am allerwenigſten da, wo es ſich um die niederen
Kryptogamen handelt.


Der Zuſtand der botaniſchen Literatur von 1840 war ein
höchſt unerquicklicher; zwar fehlte es nicht auf den verſchiedenen

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[200/0212] Morphologie und Syſtematik unter dem Einfluß der ſelbſt Geſetze der Variation vorgezeichnet ſind, welche unabhängig vom Kampf ums Daſein und der natürlichen Auswahl zu einer Vervollkommnung und fortſchreitender Differenzirung der organiſchen Formen hinführen; ein Ergebniß der Morphologie, deſſen Bedeutung auch Darwin ſpäter anerkannt hat. Erſt durch die von Nägeli hinzugefügte Ergänzung gewann die Deſcendenztheorie die Form, in welcher ſie geeignet war, das ſchon von den Syſtematikern der ältern Richtung erkannte Problem zu erklären, wie es möglich ſei, daß die ſyſtematiſch morphologiſche Verwandtſchaft der Arten in ſo hohem Grade unabhängig iſt von ihrer phyſiologiſchen Anpaſſung an die Umgebung. Die heutige Zellenlehre, Pflanzenanatomie, Morphologie und die verbeſſerte Form der Selektionstheorie ſind das Ergebniß der inductiven Forſchung ſeit 1840, ein Ergebniß, deſſen ganze Bedeutung erſt noch in den folgenden Theilen unſerer Geſchichte hervortreten wird. Hier werde ich in Folgenden nur die mor- phologiſchen und ſyſtematiſchen Reſultate noch etwas näher be- leuchten, wobei ich genöthigt bin, von der reichhaltigen Thätig- keit der hier zu nennenden Botaniker eben nur einen Theil vorzuführen, indem ich mir vorbehalte in der Geſchichte der Anatomie und Phyſiologie der Pflanzen auf das Uebrige zurückzukommen. Zu dem Eigenthümlichen dieſer Periode der Botanik gehört es, daß die Morphologie in die engſte Verknüpfung mit der Zellenlehre, Anatomie und Embryologie tritt und daß vor Allem die Unterſuchungen über den Befruchtungsvorgang und die Embryobildung gewiſſermaßen in den Mittelpunct, der morphologiſch-ſyſtematiſchen Forſchungen treten. Eine ſtrenge Sonderung dieſer verſchiedenartigen Beſtrebungen, die aber ſchließ- lich alle der Syſtematik zu gute gekommen ſind, iſt daher kaum durchführbar; am allerwenigſten da, wo es ſich um die niederen Kryptogamen handelt. Der Zuſtand der botaniſchen Literatur von 1840 war ein höchſt unerquicklicher; zwar fehlte es nicht auf den verſchiedenen

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/212>, abgerufen am 24.11.2024.