Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Morphologie unter dem Einfluß der
älteren Naturphilosophie zu Grunde liegende Idealismus in
reinerer Form auftritt. Seit Caesalpin hat kein anderer
Botaniker, so wie Braun, versucht, die Ergebnisse der inductiven
Forschung mit den Theoremen einer idealistischen Philosophie
überall zu durchdringen.

Braun's philosophische Ansichten gehen nicht nur neben
dem thatsächlichen Inhalt seines Wissens einher, sie durchdringen
dasselbe vielmehr überall und in den verschiedensten seiner Schrif-
ten, Beiträge und Monographieen werden die Thatsachen von
seinen philosophischen Grundanschauungen aus betrachtet. Zu-
sammengefaßt hat er diese letzteren jedoch und durch einen großen
Reichthum der verschiedensten Thatsachen erläutert in seinem
berühmten Buch: "Betrachtungen über die Erscheinung
der Verjüngung in der Natur
, insbesondere in der
Lebens- und Bildungsgeschichte der Pflanze 1849-50". Den Ge-
gensatz seines Standpunctes gegen die neuere inductive Richtung
betont er selbst in der Vorrede (p. X), indem er den etwa zu
erhebenden Vorwurf, daß seine Richtung als eine veraltete
betrachtet werden könne, mit den Worten zurückweist: "Eine
lebendigere Naturbetrachtung, wie sie hier versucht wurde, welche
in den Naturkörpern nicht bloß die Wirkung todter Kräfte, son-
dern den Ausdruck lebendiger That zu finden sucht, führt nicht,
wie man wohl glaubt, zu bodenlosen Phantasiegebäuden, denn
sie maßt sich nicht an, das Leben der Natur auf anderem Wege
als eben in seiner Offenbarung durch die Erscheinung kennen zu
lernen" u. s. w.; noch schärfer wird dieser Gedanke im Text
(p. 13) betont: "Wie uns die Natur äußerlich ohne den Men-
schen nur das Bild eines herrenlosen Irrgartens bietet, so führt
auch die wissenschaftliche Betrachtung, welche die innere geistige
Grundlage der Natur und den wesentlichen Zusammenhang der-
selben mit dem Geist leugnet 1), in ein Chaos von unbekannten,

1) Dies thut die neuere inductive Naturwissenschaft keineswegs, sie faßt
den Zusammenhang nur anders auf, inden sie das Verhältniß des er-
kennenden Subjectes zu den Erscheinungen beachtet.

Die Morphologie unter dem Einfluß der
älteren Naturphiloſophie zu Grunde liegende Idealismus in
reinerer Form auftritt. Seit Caeſalpin hat kein anderer
Botaniker, ſo wie Braun, verſucht, die Ergebniſſe der inductiven
Forſchung mit den Theoremen einer idealiſtiſchen Philoſophie
überall zu durchdringen.

Braun's philoſophiſche Anſichten gehen nicht nur neben
dem thatſächlichen Inhalt ſeines Wiſſens einher, ſie durchdringen
dasſelbe vielmehr überall und in den verſchiedenſten ſeiner Schrif-
ten, Beiträge und Monographieen werden die Thatſachen von
ſeinen philoſophiſchen Grundanſchauungen aus betrachtet. Zu-
ſammengefaßt hat er dieſe letzteren jedoch und durch einen großen
Reichthum der verſchiedenſten Thatſachen erläutert in ſeinem
berühmten Buch: „Betrachtungen über die Erſcheinung
der Verjüngung in der Natur
, insbeſondere in der
Lebens- und Bildungsgeſchichte der Pflanze 1849-50“. Den Ge-
genſatz ſeines Standpunctes gegen die neuere inductive Richtung
betont er ſelbſt in der Vorrede (p. X), indem er den etwa zu
erhebenden Vorwurf, daß ſeine Richtung als eine veraltete
betrachtet werden könne, mit den Worten zurückweiſt: „Eine
lebendigere Naturbetrachtung, wie ſie hier verſucht wurde, welche
in den Naturkörpern nicht bloß die Wirkung todter Kräfte, ſon-
dern den Ausdruck lebendiger That zu finden ſucht, führt nicht,
wie man wohl glaubt, zu bodenloſen Phantaſiegebäuden, denn
ſie maßt ſich nicht an, das Leben der Natur auf anderem Wege
als eben in ſeiner Offenbarung durch die Erſcheinung kennen zu
lernen“ u. ſ. w.; noch ſchärfer wird dieſer Gedanke im Text
(p. 13) betont: „Wie uns die Natur äußerlich ohne den Men-
ſchen nur das Bild eines herrenloſen Irrgartens bietet, ſo führt
auch die wiſſenſchaftliche Betrachtung, welche die innere geiſtige
Grundlage der Natur und den weſentlichen Zuſammenhang der-
ſelben mit dem Geiſt leugnet 1), in ein Chaos von unbekannten,

1) Dies thut die neuere inductive Naturwiſſenſchaft keineswegs, ſie faßt
den Zuſammenhang nur anders auf, inden ſie das Verhältniß des er-
kennenden Subjectes zu den Erſcheinungen beachtet.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0198" n="186"/><fw place="top" type="header">Die Morphologie unter dem Einfluß der</fw><lb/>
älteren Naturphilo&#x017F;ophie zu Grunde liegende Idealismus in<lb/>
reinerer Form auftritt. Seit <hi rendition="#g">Cae&#x017F;alpin</hi> hat kein anderer<lb/>
Botaniker, &#x017F;o wie <hi rendition="#g">Braun</hi>, ver&#x017F;ucht, die Ergebni&#x017F;&#x017F;e der inductiven<lb/>
For&#x017F;chung mit den Theoremen einer ideali&#x017F;ti&#x017F;chen Philo&#x017F;ophie<lb/>
überall zu durchdringen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Braun</hi>'s philo&#x017F;ophi&#x017F;che An&#x017F;ichten gehen nicht nur neben<lb/>
dem that&#x017F;ächlichen Inhalt &#x017F;eines Wi&#x017F;&#x017F;ens einher, &#x017F;ie durchdringen<lb/>
das&#x017F;elbe vielmehr überall und in den ver&#x017F;chieden&#x017F;ten &#x017F;einer Schrif-<lb/>
ten, Beiträge und Monographieen werden die That&#x017F;achen von<lb/>
&#x017F;einen philo&#x017F;ophi&#x017F;chen Grundan&#x017F;chauungen aus betrachtet. Zu-<lb/>
&#x017F;ammengefaßt hat er die&#x017F;e letzteren jedoch und durch einen großen<lb/>
Reichthum der ver&#x017F;chieden&#x017F;ten That&#x017F;achen erläutert in &#x017F;einem<lb/>
berühmten Buch: &#x201E;<hi rendition="#g">Betrachtungen über die Er&#x017F;cheinung<lb/>
der Verjüngung in der Natur</hi>, insbe&#x017F;ondere in der<lb/>
Lebens- und Bildungsge&#x017F;chichte der Pflanze 1849-50&#x201C;. Den Ge-<lb/>
gen&#x017F;atz &#x017F;eines Standpunctes gegen die neuere inductive Richtung<lb/>
betont er &#x017F;elb&#x017F;t in der Vorrede (<hi rendition="#aq">p. X</hi>), indem er den etwa zu<lb/>
erhebenden Vorwurf, daß &#x017F;eine Richtung als eine veraltete<lb/>
betrachtet werden könne, mit den Worten zurückwei&#x017F;t: &#x201E;Eine<lb/>
lebendigere Naturbetrachtung, wie &#x017F;ie hier ver&#x017F;ucht wurde, welche<lb/>
in den Naturkörpern nicht bloß die Wirkung todter Kräfte, &#x017F;on-<lb/>
dern den Ausdruck lebendiger That zu finden &#x017F;ucht, führt nicht,<lb/>
wie man wohl glaubt, zu bodenlo&#x017F;en Phanta&#x017F;iegebäuden, denn<lb/>
&#x017F;ie maßt &#x017F;ich nicht an, das Leben der Natur auf anderem Wege<lb/>
als eben in &#x017F;einer Offenbarung durch die Er&#x017F;cheinung kennen zu<lb/>
lernen&#x201C; u. &#x017F;. w.; noch &#x017F;chärfer wird die&#x017F;er Gedanke im Text<lb/>
(<hi rendition="#aq">p.</hi> 13) betont: &#x201E;Wie uns die Natur äußerlich ohne den Men-<lb/>
&#x017F;chen nur das Bild eines herrenlo&#x017F;en Irrgartens bietet, &#x017F;o führt<lb/>
auch die wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliche Betrachtung, welche die innere gei&#x017F;tige<lb/>
Grundlage der Natur und den we&#x017F;entlichen Zu&#x017F;ammenhang der-<lb/>
&#x017F;elben mit dem Gei&#x017F;t leugnet <note place="foot" n="1)">Dies thut die neuere inductive Naturwi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft keineswegs, &#x017F;ie faßt<lb/>
den Zu&#x017F;ammenhang nur anders auf, inden &#x017F;ie das Verhältniß des er-<lb/>
kennenden Subjectes zu den Er&#x017F;cheinungen beachtet.</note>, in ein Chaos von unbekannten,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[186/0198] Die Morphologie unter dem Einfluß der älteren Naturphiloſophie zu Grunde liegende Idealismus in reinerer Form auftritt. Seit Caeſalpin hat kein anderer Botaniker, ſo wie Braun, verſucht, die Ergebniſſe der inductiven Forſchung mit den Theoremen einer idealiſtiſchen Philoſophie überall zu durchdringen. Braun's philoſophiſche Anſichten gehen nicht nur neben dem thatſächlichen Inhalt ſeines Wiſſens einher, ſie durchdringen dasſelbe vielmehr überall und in den verſchiedenſten ſeiner Schrif- ten, Beiträge und Monographieen werden die Thatſachen von ſeinen philoſophiſchen Grundanſchauungen aus betrachtet. Zu- ſammengefaßt hat er dieſe letzteren jedoch und durch einen großen Reichthum der verſchiedenſten Thatſachen erläutert in ſeinem berühmten Buch: „Betrachtungen über die Erſcheinung der Verjüngung in der Natur, insbeſondere in der Lebens- und Bildungsgeſchichte der Pflanze 1849-50“. Den Ge- genſatz ſeines Standpunctes gegen die neuere inductive Richtung betont er ſelbſt in der Vorrede (p. X), indem er den etwa zu erhebenden Vorwurf, daß ſeine Richtung als eine veraltete betrachtet werden könne, mit den Worten zurückweiſt: „Eine lebendigere Naturbetrachtung, wie ſie hier verſucht wurde, welche in den Naturkörpern nicht bloß die Wirkung todter Kräfte, ſon- dern den Ausdruck lebendiger That zu finden ſucht, führt nicht, wie man wohl glaubt, zu bodenloſen Phantaſiegebäuden, denn ſie maßt ſich nicht an, das Leben der Natur auf anderem Wege als eben in ſeiner Offenbarung durch die Erſcheinung kennen zu lernen“ u. ſ. w.; noch ſchärfer wird dieſer Gedanke im Text (p. 13) betont: „Wie uns die Natur äußerlich ohne den Men- ſchen nur das Bild eines herrenloſen Irrgartens bietet, ſo führt auch die wiſſenſchaftliche Betrachtung, welche die innere geiſtige Grundlage der Natur und den weſentlichen Zuſammenhang der- ſelben mit dem Geiſt leugnet 1), in ein Chaos von unbekannten, 1) Dies thut die neuere inductive Naturwiſſenſchaft keineswegs, ſie faßt den Zuſammenhang nur anders auf, inden ſie das Verhältniß des er- kennenden Subjectes zu den Erſcheinungen beachtet.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/198
Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/198>, abgerufen am 06.05.2024.