Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.Metamorphosenlehre und der Spiraltheorie. eine der schwachen Seiten der Theorie; solange es sich um fort-laufende Spiralen handelt, repräsentirt die Reihenfolge der fertigen Blätter allerdings auch die zeitliche Reihenfolge ihrer Entstehung; für die quirlständigen Blätter jedoch war dieß thatsächlich nicht bewiesen und der Theorie zu Liebe mußten hier genetische Ver- hältnisse vorausgesetzt werden, für welche zunächst jeder weitere Beweis fehlte; und neuere Untersuchungen haben wiederholt ge- zeigt, daß auch die consequenteste Anwendung der Schimper'- schen Theorie sich häufig in Widerspruch mit der direct beobachteten Entwicklungsgeschichte findet 1). Dazu kam, daß die Abweichungs- maße auch auf der fortlaufenden genetischen Spirale nur am fertigen Stengel beachtet wurden, während immerhin die Mög- lichkeit vorlag, daß die Divergenzen derselben bei der ersten Entstehung andere gewesen sein und sich dann geändert haben könnten, ein Punct, auf welchen Nägeli später hinwies 2). Außerdem aber hatte Schimper's Lehre einen schwer zu be- seitigenden Gegner in dem häufigen Vorkommen von streng alternirenden und paarweise gekreuzten Blattstellungen, deren Auffassung als spiralige Anordnung ohne Weiteres als willkür- lich erscheinen mußte, wenn man sich nicht bloß auf den mathematischen, sondern auch auf den entwicklungsgeschichtlichen Standpunct stellte; ebenso wie bei der Aenderung der Divergenzen die Prosen- thesen, so ergab sich auch die Annahme einer Umkehr der gene- tischen Spirale von Blatt zu Blatt (z. B. bei den Gräsern) sofort als eine zwar geometrisch berechtigte Construction, die aber der Entwicklungsgeschichte und ihren mechanischen Momenten schwerlich gerecht werden konnte. Ein großer sachlicher Mangel der ganzen Theorie lag ferner darin, daß sie über der ange- nommenen spiraligen Anordnung die oft so deutlich ausge- sprochenen Symmetrieverhältnisse der Pflanzenform und deren Beziehungen zur Außenwelt, worüber schon Hugo Mohl 1836 1) Vergl. Hofmeister, Allgem. Morphologie 1868 p. 471, 479 ferner Sachs, Lehrb. d. Bot. 4. Aufl. 1874 p. 195 f. f. 2) Nägeli Beitr. z. wiss. Bot. I. 1858 p. 40 und 49. 12 *
Metamorphoſenlehre und der Spiraltheorie. eine der ſchwachen Seiten der Theorie; ſolange es ſich um fort-laufende Spiralen handelt, repräſentirt die Reihenfolge der fertigen Blätter allerdings auch die zeitliche Reihenfolge ihrer Entſtehung; für die quirlſtändigen Blätter jedoch war dieß thatſächlich nicht bewieſen und der Theorie zu Liebe mußten hier genetiſche Ver- hältniſſe vorausgeſetzt werden, für welche zunächſt jeder weitere Beweis fehlte; und neuere Unterſuchungen haben wiederholt ge- zeigt, daß auch die conſequenteſte Anwendung der Schimper'- ſchen Theorie ſich häufig in Widerſpruch mit der direct beobachteten Entwicklungsgeſchichte findet 1). Dazu kam, daß die Abweichungs- maße auch auf der fortlaufenden genetiſchen Spirale nur am fertigen Stengel beachtet wurden, während immerhin die Mög- lichkeit vorlag, daß die Divergenzen derſelben bei der erſten Entſtehung andere geweſen ſein und ſich dann geändert haben könnten, ein Punct, auf welchen Nägeli ſpäter hinwies 2). Außerdem aber hatte Schimper's Lehre einen ſchwer zu be- ſeitigenden Gegner in dem häufigen Vorkommen von ſtreng alternirenden und paarweiſe gekreuzten Blattſtellungen, deren Auffaſſung als ſpiralige Anordnung ohne Weiteres als willkür- lich erſcheinen mußte, wenn man ſich nicht bloß auf den mathematiſchen, ſondern auch auf den entwicklungsgeſchichtlichen Standpunct ſtellte; ebenſo wie bei der Aenderung der Divergenzen die Prosen- theſen, ſo ergab ſich auch die Annahme einer Umkehr der gene- tiſchen Spirale von Blatt zu Blatt (z. B. bei den Gräſern) ſofort als eine zwar geometriſch berechtigte Conſtruction, die aber der Entwicklungsgeſchichte und ihren mechaniſchen Momenten ſchwerlich gerecht werden konnte. Ein großer ſachlicher Mangel der ganzen Theorie lag ferner darin, daß ſie über der ange- nommenen ſpiraligen Anordnung die oft ſo deutlich ausge- ſprochenen Symmetrieverhältniſſe der Pflanzenform und deren Beziehungen zur Außenwelt, worüber ſchon Hugo Mohl 1836 1) Vergl. Hofmeiſter, Allgem. Morphologie 1868 p. 471, 479 ferner Sachs, Lehrb. d. Bot. 4. Aufl. 1874 p. 195 f. f. 2) Nägeli Beitr. z. wiſſ. Bot. I. 1858 p. 40 und 49. 12 *
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Metamorphoſenlehre und der Spiraltheorie.
eine der ſchwachen Seiten der Theorie; ſolange es ſich um fort-
laufende Spiralen handelt, repräſentirt die Reihenfolge der fertigen
Blätter allerdings auch die zeitliche Reihenfolge ihrer Entſtehung;
für die quirlſtändigen Blätter jedoch war dieß thatſächlich nicht
bewieſen und der Theorie zu Liebe mußten hier genetiſche Ver-
hältniſſe vorausgeſetzt werden, für welche zunächſt jeder weitere
Beweis fehlte; und neuere Unterſuchungen haben wiederholt ge-
zeigt, daß auch die conſequenteſte Anwendung der Schimper'-
ſchen Theorie ſich häufig in Widerſpruch mit der direct beobachteten
Entwicklungsgeſchichte findet 1). Dazu kam, daß die Abweichungs-
maße auch auf der fortlaufenden genetiſchen Spirale nur am
fertigen Stengel beachtet wurden, während immerhin die Mög-
lichkeit vorlag, daß die Divergenzen derſelben bei der erſten
Entſtehung andere geweſen ſein und ſich dann geändert haben
könnten, ein Punct, auf welchen Nägeli ſpäter hinwies 2).
Außerdem aber hatte Schimper's Lehre einen ſchwer zu be-
ſeitigenden Gegner in dem häufigen Vorkommen von ſtreng
alternirenden und paarweiſe gekreuzten Blattſtellungen, deren
Auffaſſung als ſpiralige Anordnung ohne Weiteres als willkür-
lich erſcheinen mußte, wenn man ſich nicht bloß auf den mathematiſchen,
ſondern auch auf den entwicklungsgeſchichtlichen Standpunct ſtellte;
ebenſo wie bei der Aenderung der Divergenzen die Prosen-
theſen, ſo ergab ſich auch die Annahme einer Umkehr der gene-
tiſchen Spirale von Blatt zu Blatt (z. B. bei den Gräſern)
ſofort als eine zwar geometriſch berechtigte Conſtruction, die
aber der Entwicklungsgeſchichte und ihren mechaniſchen Momenten
ſchwerlich gerecht werden konnte. Ein großer ſachlicher Mangel
der ganzen Theorie lag ferner darin, daß ſie über der ange-
nommenen ſpiraligen Anordnung die oft ſo deutlich ausge-
ſprochenen Symmetrieverhältniſſe der Pflanzenform und deren
Beziehungen zur Außenwelt, worüber ſchon Hugo Mohl 1836
1) Vergl. Hofmeiſter, Allgem. Morphologie 1868 p. 471, 479 ferner
Sachs, Lehrb. d. Bot. 4. Aufl. 1874 p. 195 f. f.
2) Nägeli Beitr. z. wiſſ. Bot. I. 1858 p. 40 und 49.
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