an der linken Hand, einige Spuren raphaelischer Modellirung wahrzunehmen sind. Auch zeigt es an vielen Stellen unwill- kommene Retouchen.
Der linke Arm schließt sich, wie absichtlos den Blick auf die Seitenwunde lenkend, dem Leibe näher an, als der segnende rechte. Mit dem glücklichsten Tact für das Ange- messene ist besonders in der Hand das Modell benutzt; sonst der Oberarm, wie es auf früheren Stufen den redlichen Zeich- nern wohl begegnet, etwas lang genommen, die einzelnen For- men zu sehr hervorgehoben. Raphael scheint eben damals ein bestimmtes jugendliches Modell fleißig benutzt zu haben, welches in den Figuren des Sposalizio, der Bekleidung unge- achtet, sich fühlbar macht, und in der bekannten Sammlung von Handzeichnungen, sonst im Besitze des Malers Bossi, jetzt in der Akademie der Künste zu Venedig, wiederholt, in Studien, vorkommt.
Diese Zeichnungen, gegenwärtig sieht man sie vereinzelt an den Wänden eines inneren Zimmers der Anstalt aufge- stellt, enthalten zugleich mit älteren und neueren Stücken eine nicht unwichtige Zahl von Studien Raphaels, deren ächte meist der Epoche des Sposalizio angehören. Es finden sich unter denselben Studien zu Figuren der Libreria im Dome von Siena, zum Kopfe des Johannes in der Krönung der Jungfrau, sonst in S. Francesco zu Perugia, jetzt in der vaticanischen Gallerie.
Schöner, tiefer, gefühlvoller, dem Bilde zu Brescia ähn- licher ist freylich die wundervolle Zeichnung der Bibliothek Ambrosiana zu Mailand, in der Sammlung des weyland Pa- dre Resta, Fo. b. Dort wird sie dem Piero della Francesca zugeschrieben, ein Name, auf welchen Alles paßt, weil mit
an der linken Hand, einige Spuren raphaeliſcher Modellirung wahrzunehmen ſind. Auch zeigt es an vielen Stellen unwill- kommene Retouchen.
Der linke Arm ſchließt ſich, wie abſichtlos den Blick auf die Seitenwunde lenkend, dem Leibe naͤher an, als der ſegnende rechte. Mit dem gluͤcklichſten Tact fuͤr das Ange- meſſene iſt beſonders in der Hand das Modell benutzt; ſonſt der Oberarm, wie es auf fruͤheren Stufen den redlichen Zeich- nern wohl begegnet, etwas lang genommen, die einzelnen For- men zu ſehr hervorgehoben. Raphael ſcheint eben damals ein beſtimmtes jugendliches Modell fleißig benutzt zu haben, welches in den Figuren des Spoſalizio, der Bekleidung unge- achtet, ſich fuͤhlbar macht, und in der bekannten Sammlung von Handzeichnungen, ſonſt im Beſitze des Malers Boſſi, jetzt in der Akademie der Kuͤnſte zu Venedig, wiederholt, in Studien, vorkommt.
Dieſe Zeichnungen, gegenwaͤrtig ſieht man ſie vereinzelt an den Waͤnden eines inneren Zimmers der Anſtalt aufge- ſtellt, enthalten zugleich mit aͤlteren und neueren Stuͤcken eine nicht unwichtige Zahl von Studien Raphaels, deren aͤchte meiſt der Epoche des Spoſalizio angehoͤren. Es finden ſich unter denſelben Studien zu Figuren der Libreria im Dome von Siena, zum Kopfe des Johannes in der Kroͤnung der Jungfrau, ſonſt in S. Francesco zu Perugia, jetzt in der vaticaniſchen Gallerie.
Schoͤner, tiefer, gefuͤhlvoller, dem Bilde zu Brescia aͤhn- licher iſt freylich die wundervolle Zeichnung der Bibliothek Ambroſiana zu Mailand, in der Sammlung des weyland Pa- dre Reſta, Fó. b. Dort wird ſie dem Piero della Francesca zugeſchrieben, ein Name, auf welchen Alles paßt, weil mit
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0061"n="39"/>
an der linken Hand, einige Spuren raphaeliſcher Modellirung<lb/>
wahrzunehmen ſind. Auch zeigt es an vielen Stellen unwill-<lb/>
kommene Retouchen.</p><lb/><p>Der linke Arm ſchließt ſich, wie abſichtlos den Blick<lb/>
auf die Seitenwunde lenkend, dem Leibe naͤher an, als der<lb/>ſegnende rechte. Mit dem gluͤcklichſten Tact fuͤr das Ange-<lb/>
meſſene iſt beſonders in der Hand das Modell benutzt; ſonſt<lb/>
der Oberarm, wie es auf fruͤheren Stufen den redlichen Zeich-<lb/>
nern wohl begegnet, etwas lang genommen, die einzelnen For-<lb/>
men zu ſehr hervorgehoben. <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphael</persName>ſcheint eben damals<lb/>
ein beſtimmtes jugendliches Modell fleißig benutzt zu haben,<lb/>
welches in den Figuren des Spoſalizio, der Bekleidung unge-<lb/>
achtet, ſich fuͤhlbar macht, und in der bekannten Sammlung<lb/>
von Handzeichnungen, ſonſt im Beſitze des Malers <persNameref="http://d-nb.info/gnd/100429521">Boſſi</persName>,<lb/>
jetzt in der Akademie der Kuͤnſte zu <placeName>Venedig</placeName>, wiederholt, in<lb/>
Studien, vorkommt.</p><lb/><p>Dieſe Zeichnungen, gegenwaͤrtig ſieht man ſie vereinzelt<lb/>
an den Waͤnden eines inneren Zimmers der Anſtalt aufge-<lb/>ſtellt, enthalten zugleich mit aͤlteren und neueren Stuͤcken eine<lb/>
nicht unwichtige Zahl von Studien <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphaels</persName>, deren aͤchte<lb/>
meiſt der Epoche des Spoſalizio angehoͤren. Es finden ſich<lb/>
unter denſelben Studien zu Figuren der Libreria im Dome<lb/>
von <placeName>Siena</placeName>, zum Kopfe des <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118557858">Johannes</persName> in der Kroͤnung der<lb/>
Jungfrau, ſonſt in S. Francesco zu <placeName>Perugia</placeName>, jetzt in der<lb/>
vaticaniſchen Gallerie.</p><lb/><p>Schoͤner, tiefer, gefuͤhlvoller, dem Bilde zu <placeName>Brescia</placeName> aͤhn-<lb/>
licher iſt freylich die wundervolle Zeichnung der Bibliothek<lb/>
Ambroſiana zu <placeName>Mailand</placeName>, in der Sammlung des weyland Pa-<lb/>
dre <persNameref="http://d-nb.info/gnd/122270517">Reſta</persName>, <hirendition="#aq">Fó. b.</hi> Dort wird ſie dem <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118524577">Piero della Francesca</persName><lb/>
zugeſchrieben, ein Name, auf welchen Alles paßt, weil mit<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[39/0061]
an der linken Hand, einige Spuren raphaeliſcher Modellirung
wahrzunehmen ſind. Auch zeigt es an vielen Stellen unwill-
kommene Retouchen.
Der linke Arm ſchließt ſich, wie abſichtlos den Blick
auf die Seitenwunde lenkend, dem Leibe naͤher an, als der
ſegnende rechte. Mit dem gluͤcklichſten Tact fuͤr das Ange-
meſſene iſt beſonders in der Hand das Modell benutzt; ſonſt
der Oberarm, wie es auf fruͤheren Stufen den redlichen Zeich-
nern wohl begegnet, etwas lang genommen, die einzelnen For-
men zu ſehr hervorgehoben. Raphael ſcheint eben damals
ein beſtimmtes jugendliches Modell fleißig benutzt zu haben,
welches in den Figuren des Spoſalizio, der Bekleidung unge-
achtet, ſich fuͤhlbar macht, und in der bekannten Sammlung
von Handzeichnungen, ſonſt im Beſitze des Malers Boſſi,
jetzt in der Akademie der Kuͤnſte zu Venedig, wiederholt, in
Studien, vorkommt.
Dieſe Zeichnungen, gegenwaͤrtig ſieht man ſie vereinzelt
an den Waͤnden eines inneren Zimmers der Anſtalt aufge-
ſtellt, enthalten zugleich mit aͤlteren und neueren Stuͤcken eine
nicht unwichtige Zahl von Studien Raphaels, deren aͤchte
meiſt der Epoche des Spoſalizio angehoͤren. Es finden ſich
unter denſelben Studien zu Figuren der Libreria im Dome
von Siena, zum Kopfe des Johannes in der Kroͤnung der
Jungfrau, ſonſt in S. Francesco zu Perugia, jetzt in der
vaticaniſchen Gallerie.
Schoͤner, tiefer, gefuͤhlvoller, dem Bilde zu Brescia aͤhn-
licher iſt freylich die wundervolle Zeichnung der Bibliothek
Ambroſiana zu Mailand, in der Sammlung des weyland Pa-
dre Reſta, Fó. b. Dort wird ſie dem Piero della Francesca
zugeſchrieben, ein Name, auf welchen Alles paßt, weil mit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/61>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.