Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

demselben gegenwärtig keine Vorstellung zu verbinden ist; den
selbst Vasari sichtlich mehr aus Patriotismus begünstigt. In-
deß, unangesehn, daß unsere Zeichnung im Saume ein R.
zeigt, welches nicht zufällig, noch eingeschoben zu seyn scheint,
bezeugt Form, Wendung, Ausdruck, Zeichnungsart, daß sie
dem Raphael von Urbino, und zwar der Epoche seiner Wirk-
samkeit angehöre, welche uns gegenwärtig beschäftigt.

Sie ist auf grundirtem, mit Bleyweiß überzogenem Pa-
pier in Sepia, Zinnober und Weiß schraffirt. Der Gegen-
stand: jugendlicher Christuskopf, etwas zur Seite geneigt, der
Hals bis zum Ansatze der Schulter. Der Kopf ist jenem in
der eben beschriebenen Pieta nicht unähnlich, doch wahrschein-
licher vorbereitendes Studium zu einem anderen Bilde, wel-
ches, aus dem Hause Inghirami veräußert, im Jahre 1818,
von der Majestät Ludwigs, Königs von Bayern, für Dessen
reiche Kunstsammlung erstanden wurde.

Der Gegenstand des bezeichneten Bildes ist die Aufer-
stehung des Erlösers. Obwohl die Figur des Heilands, wel-
cher hier nicht schwebt, sondern auf dem Rande des Grabes
steht, an verwandte Motive des Perugino erinnert, so ist doch
das Antlitz beseelter, in den Formen des nackten Oberleibes,
besonders jedoch in den Händen mehr unmittelbare Beobach-
tung und Kenntniß der Natur, als selbst in den besten Ar-
beiten des Pietro je sich verräth. Wenn die schlafenden Sol-
daten ihm frey nachgeahmt sind, so ist doch der fliehende im
Mittelgrunde neu, die Landschaft reicher, mehr Kraft und
Klarheit in der Carnation. Auf dem Schilde des einen Wäch-
ters zeigen sich Spuren der Worte: RAPHAEL SANTIVS.
Indeß ist ihre Aechtheit der Uebermalung willen zweifelhaft.
Auch pflegen auf den Altarstaffeln die Aufschriften nicht an-
gebracht zu werden.

demſelben gegenwaͤrtig keine Vorſtellung zu verbinden iſt; den
ſelbſt Vaſari ſichtlich mehr aus Patriotismus beguͤnſtigt. In-
deß, unangeſehn, daß unſere Zeichnung im Saume ein R.
zeigt, welches nicht zufaͤllig, noch eingeſchoben zu ſeyn ſcheint,
bezeugt Form, Wendung, Ausdruck, Zeichnungsart, daß ſie
dem Raphael von Urbino, und zwar der Epoche ſeiner Wirk-
ſamkeit angehoͤre, welche uns gegenwaͤrtig beſchaͤftigt.

Sie iſt auf grundirtem, mit Bleyweiß uͤberzogenem Pa-
pier in Sepia, Zinnober und Weiß ſchraffirt. Der Gegen-
ſtand: jugendlicher Chriſtuskopf, etwas zur Seite geneigt, der
Hals bis zum Anſatze der Schulter. Der Kopf iſt jenem in
der eben beſchriebenen Pietà nicht unaͤhnlich, doch wahrſchein-
licher vorbereitendes Studium zu einem anderen Bilde, wel-
ches, aus dem Hauſe Inghirami veraͤußert, im Jahre 1818,
von der Majeſtaͤt Ludwigs, Koͤnigs von Bayern, fuͤr Deſſen
reiche Kunſtſammlung erſtanden wurde.

Der Gegenſtand des bezeichneten Bildes iſt die Aufer-
ſtehung des Erloͤſers. Obwohl die Figur des Heilands, wel-
cher hier nicht ſchwebt, ſondern auf dem Rande des Grabes
ſteht, an verwandte Motive des Perugino erinnert, ſo iſt doch
das Antlitz beſeelter, in den Formen des nackten Oberleibes,
beſonders jedoch in den Haͤnden mehr unmittelbare Beobach-
tung und Kenntniß der Natur, als ſelbſt in den beſten Ar-
beiten des Pietro je ſich verraͤth. Wenn die ſchlafenden Sol-
daten ihm frey nachgeahmt ſind, ſo iſt doch der fliehende im
Mittelgrunde neu, die Landſchaft reicher, mehr Kraft und
Klarheit in der Carnation. Auf dem Schilde des einen Waͤch-
ters zeigen ſich Spuren der Worte: RAPHAEL SANTIVS.
Indeß iſt ihre Aechtheit der Uebermalung willen zweifelhaft.
Auch pflegen auf den Altarſtaffeln die Aufſchriften nicht an-
gebracht zu werden.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0062" n="40"/>
dem&#x017F;elben gegenwa&#x0364;rtig keine Vor&#x017F;tellung zu verbinden i&#x017F;t; den<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Va&#x017F;ari</persName> &#x017F;ichtlich mehr aus Patriotismus begu&#x0364;n&#x017F;tigt. In-<lb/>
deß, unange&#x017F;ehn, daß un&#x017F;ere Zeichnung im Saume ein <hi rendition="#aq">R.</hi><lb/>
zeigt, welches nicht zufa&#x0364;llig, noch einge&#x017F;choben zu &#x017F;eyn &#x017F;cheint,<lb/>
bezeugt Form, Wendung, Ausdruck, Zeichnungsart, daß &#x017F;ie<lb/>
dem <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphael von Urbino</persName>, und zwar der Epoche &#x017F;einer Wirk-<lb/>
&#x017F;amkeit angeho&#x0364;re, welche uns gegenwa&#x0364;rtig be&#x017F;cha&#x0364;ftigt.</p><lb/>
            <p>Sie i&#x017F;t auf grundirtem, mit Bleyweiß u&#x0364;berzogenem Pa-<lb/>
pier in Sepia, Zinnober und Weiß &#x017F;chraffirt. Der Gegen-<lb/>
&#x017F;tand: jugendlicher Chri&#x017F;tuskopf, etwas zur Seite geneigt, der<lb/>
Hals bis zum An&#x017F;atze der Schulter. Der Kopf i&#x017F;t jenem in<lb/>
der eben be&#x017F;chriebenen Piet<hi rendition="#aq">à</hi> nicht una&#x0364;hnlich, doch wahr&#x017F;chein-<lb/>
licher vorbereitendes Studium zu einem anderen Bilde, wel-<lb/>
ches, aus dem Hau&#x017F;e Inghirami vera&#x0364;ußert, im Jahre 1818,<lb/>
von der Maje&#x017F;ta&#x0364;t <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118574884">Ludwigs, Ko&#x0364;nigs von Bayern</persName>, fu&#x0364;r De&#x017F;&#x017F;en<lb/>
reiche Kun&#x017F;t&#x017F;ammlung er&#x017F;tanden wurde.</p><lb/>
            <p>Der Gegen&#x017F;tand des bezeichneten Bildes i&#x017F;t die Aufer-<lb/>
&#x017F;tehung des Erlo&#x0364;&#x017F;ers. Obwohl die Figur des Heilands, wel-<lb/>
cher hier nicht &#x017F;chwebt, &#x017F;ondern auf dem Rande des Grabes<lb/>
&#x017F;teht, an verwandte Motive des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119091771">Perugino</persName> erinnert, &#x017F;o i&#x017F;t doch<lb/>
das Antlitz be&#x017F;eelter, in den Formen des nackten Oberleibes,<lb/>
be&#x017F;onders jedoch in den Ha&#x0364;nden mehr unmittelbare Beobach-<lb/>
tung und Kenntniß der Natur, als &#x017F;elb&#x017F;t in den be&#x017F;ten Ar-<lb/>
beiten des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119091771">Pietro</persName> je &#x017F;ich verra&#x0364;th. Wenn die &#x017F;chlafenden Sol-<lb/>
daten ihm frey nachgeahmt &#x017F;ind, &#x017F;o i&#x017F;t doch der fliehende im<lb/>
Mittelgrunde neu, die Land&#x017F;chaft reicher, mehr Kraft und<lb/>
Klarheit in der Carnation. Auf dem Schilde des einen Wa&#x0364;ch-<lb/>
ters zeigen &#x017F;ich Spuren der Worte: <hi rendition="#aq"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">RAPHAEL</persName> SANTIVS.</hi><lb/>
Indeß i&#x017F;t ihre Aechtheit der Uebermalung willen zweifelhaft.<lb/>
Auch pflegen auf den Altar&#x017F;taffeln die Auf&#x017F;chriften nicht an-<lb/>
gebracht zu werden.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0062] demſelben gegenwaͤrtig keine Vorſtellung zu verbinden iſt; den ſelbſt Vaſari ſichtlich mehr aus Patriotismus beguͤnſtigt. In- deß, unangeſehn, daß unſere Zeichnung im Saume ein R. zeigt, welches nicht zufaͤllig, noch eingeſchoben zu ſeyn ſcheint, bezeugt Form, Wendung, Ausdruck, Zeichnungsart, daß ſie dem Raphael von Urbino, und zwar der Epoche ſeiner Wirk- ſamkeit angehoͤre, welche uns gegenwaͤrtig beſchaͤftigt. Sie iſt auf grundirtem, mit Bleyweiß uͤberzogenem Pa- pier in Sepia, Zinnober und Weiß ſchraffirt. Der Gegen- ſtand: jugendlicher Chriſtuskopf, etwas zur Seite geneigt, der Hals bis zum Anſatze der Schulter. Der Kopf iſt jenem in der eben beſchriebenen Pietà nicht unaͤhnlich, doch wahrſchein- licher vorbereitendes Studium zu einem anderen Bilde, wel- ches, aus dem Hauſe Inghirami veraͤußert, im Jahre 1818, von der Majeſtaͤt Ludwigs, Koͤnigs von Bayern, fuͤr Deſſen reiche Kunſtſammlung erſtanden wurde. Der Gegenſtand des bezeichneten Bildes iſt die Aufer- ſtehung des Erloͤſers. Obwohl die Figur des Heilands, wel- cher hier nicht ſchwebt, ſondern auf dem Rande des Grabes ſteht, an verwandte Motive des Perugino erinnert, ſo iſt doch das Antlitz beſeelter, in den Formen des nackten Oberleibes, beſonders jedoch in den Haͤnden mehr unmittelbare Beobach- tung und Kenntniß der Natur, als ſelbſt in den beſten Ar- beiten des Pietro je ſich verraͤth. Wenn die ſchlafenden Sol- daten ihm frey nachgeahmt ſind, ſo iſt doch der fliehende im Mittelgrunde neu, die Landſchaft reicher, mehr Kraft und Klarheit in der Carnation. Auf dem Schilde des einen Waͤch- ters zeigen ſich Spuren der Worte: RAPHAEL SANTIVS. Indeß iſt ihre Aechtheit der Uebermalung willen zweifelhaft. Auch pflegen auf den Altarſtaffeln die Aufſchriften nicht an- gebracht zu werden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/62
Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/62>, abgerufen am 03.05.2024.