Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.Doch, ehe ich diese ersten Symptome einer vorübergehen- Unter den Arbeiten der bezeichneten Classe gewähre ich Leider hat dieses köstliche Bildchen der Restaurator so welche gemeiniglich dem Pietro beygemessen wird, von Raphaels Hand
a fresco gemalt sey. Im Allgemeinen ist dem Urtheil dieses anmaßlichen Mannes wenig zu trauen; indeß giebt seine Beschreibung des Werkes, welches ich nicht gesehen, seiner Vermuthung einen Anstrich von Wahr- scheinlichkeit. Ein deutscher Künstler, welcher des della Valle Vermu- thung nicht kannte, schrieb mir: "Die Anbetung der Könige von Pietro gehört zu dem Minderwichtigen, welches von diesem Meister mir zu Ge- sicht gekommen. Nahe gesehn, erscheint es als eine farbige Kreidezeich- nung, so stark ist es schraffirt." Diese Angabe scheint jene Vermuthung zu unterstützen. Der Künstler suchte Pietro, fand etwas von ihm Ab- weichendes, daher sein Mißfallen. Die Schraffirungen, welche Raphael noch in der Disputa beybehalten, sind das Zeichen eines ungeübten Ma- lers al fresco, welcher mehr beabsichtigt, als er auf ein Mal hervorbrin- gen kann. Es verlohnte, an Ort und Stelle zu untersuchen, ob das Werk des jungen Raphael werth sey. Doch, ehe ich dieſe erſten Symptome einer voruͤbergehen- Unter den Arbeiten der bezeichneten Claſſe gewaͤhre ich Leider hat dieſes koͤſtliche Bildchen der Reſtaurator ſo welche gemeiniglich dem Pietro beygemeſſen wird, von Raphaels Hand
a fresco gemalt ſey. Im Allgemeinen iſt dem Urtheil dieſes anmaßlichen Mannes wenig zu trauen; indeß giebt ſeine Beſchreibung des Werkes, welches ich nicht geſehen, ſeiner Vermuthung einen Anſtrich von Wahr- ſcheinlichkeit. Ein deutſcher Künſtler, welcher des della Valle Vermu- thung nicht kannte, ſchrieb mir: „Die Anbetung der Könige von Pietro gehört zu dem Minderwichtigen, welches von dieſem Meiſter mir zu Ge- ſicht gekommen. Nahe geſehn, erſcheint es als eine farbige Kreidezeich- nung, ſo ſtark iſt es ſchraffirt.“ Dieſe Angabe ſcheint jene Vermuthung zu unterſtützen. Der Künſtler ſuchte Pietro, fand etwas von ihm Ab- weichendes, daher ſein Mißfallen. Die Schraffirungen, welche Raphael noch in der Diſputa beybehalten, ſind das Zeichen eines ungeübten Ma- lers al fresco, welcher mehr beabſichtigt, als er auf ein Mal hervorbrin- gen kann. Es verlohnte, an Ort und Stelle zu unterſuchen, ob das Werk des jungen Raphael werth ſey. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0060" n="38"/> <p>Doch, ehe ich dieſe erſten Symptome einer voruͤbergehen-<lb/> den Hinneigung zum Willkuͤhrlichen, Fluͤchtigen, bis zum Ge-<lb/> zierten Anmuthigen, weiter verfolge, werde ich Einiges dem<lb/> Spoſalizio ſich naͤher Anſchließende, ihm wahrſcheinlich Gleich-<lb/> zeitige, oder nahe Vorangehende einſchalten muͤſſen.</p><lb/> <p>Unter den Arbeiten der bezeichneten Claſſe gewaͤhre ich<lb/> bereitwillig der Piet<hi rendition="#aq">à</hi> des Grafen <persName ref="nognd">Toſi zu Brescia</persName> die erſte<lb/> Stelle. Die Hoͤhe dieſer kleinen Tafel betraͤgt etwa fuͤnf<lb/> Viertheile eines rheiniſchen Fußes; die Breite drey. Nach<lb/> dem Herkommen, eine entkleidete Halbfigur; die Stellung, die<lb/> Lagen der Glieder und Formen, hier nach einem wunderbaren<lb/> Schoͤnheitsgefuͤhle in den engen Raum wohl eingeordnet. Der<lb/> Ausdruck in dem ſchoͤnen Antlitz, die reinen, zuͤchtigen Formen,<lb/> die edle Haltung des Bildes, der rechte Arm, bis zum Ge-<lb/> lenke anliegend, von dieſem aus ſanft erhoben zum Segnen.</p><lb/> <p>Leider hat dieſes koͤſtliche Bildchen der Reſtaurator ſo<lb/> glatt gerieben, daß nur an einzelnen Stellen, unter den Augen,<lb/><note xml:id="seg2pn_2_2" prev="#seg2pn_2_1" place="foot" n="*)">welche gemeiniglich dem <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119091771">Pietro</persName> beygemeſſen wird, von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphaels</persName> Hand<lb/><hi rendition="#aq">a fresco</hi> gemalt ſey. Im Allgemeinen iſt dem Urtheil dieſes anmaßlichen<lb/> Mannes wenig zu trauen; indeß giebt ſeine Beſchreibung des Werkes,<lb/> welches ich nicht geſehen, ſeiner Vermuthung einen Anſtrich von Wahr-<lb/> ſcheinlichkeit. Ein deutſcher Künſtler, welcher des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/100103405">della Valle</persName> Vermu-<lb/> thung nicht kannte, ſchrieb mir: „Die Anbetung der Könige von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119091771">Pietro</persName><lb/> gehört zu dem Minderwichtigen, welches von dieſem Meiſter mir zu Ge-<lb/> ſicht gekommen. Nahe geſehn, erſcheint es als eine farbige Kreidezeich-<lb/> nung, ſo ſtark iſt es ſchraffirt.“ Dieſe Angabe ſcheint jene Vermuthung<lb/> zu unterſtützen. Der Künſtler ſuchte <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119091771">Pietro</persName>, fand etwas von ihm Ab-<lb/> weichendes, daher ſein Mißfallen. Die Schraffirungen, welche <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphael</persName><lb/> noch in der Diſputa beybehalten, ſind das Zeichen eines ungeübten Ma-<lb/> lers <hi rendition="#aq">al fresco,</hi> welcher mehr beabſichtigt, als er auf ein Mal hervorbrin-<lb/> gen kann. Es verlohnte, an Ort und Stelle zu unterſuchen, ob das<lb/> Werk des jungen <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphael</persName> werth ſey.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [38/0060]
Doch, ehe ich dieſe erſten Symptome einer voruͤbergehen-
den Hinneigung zum Willkuͤhrlichen, Fluͤchtigen, bis zum Ge-
zierten Anmuthigen, weiter verfolge, werde ich Einiges dem
Spoſalizio ſich naͤher Anſchließende, ihm wahrſcheinlich Gleich-
zeitige, oder nahe Vorangehende einſchalten muͤſſen.
Unter den Arbeiten der bezeichneten Claſſe gewaͤhre ich
bereitwillig der Pietà des Grafen Toſi zu Brescia die erſte
Stelle. Die Hoͤhe dieſer kleinen Tafel betraͤgt etwa fuͤnf
Viertheile eines rheiniſchen Fußes; die Breite drey. Nach
dem Herkommen, eine entkleidete Halbfigur; die Stellung, die
Lagen der Glieder und Formen, hier nach einem wunderbaren
Schoͤnheitsgefuͤhle in den engen Raum wohl eingeordnet. Der
Ausdruck in dem ſchoͤnen Antlitz, die reinen, zuͤchtigen Formen,
die edle Haltung des Bildes, der rechte Arm, bis zum Ge-
lenke anliegend, von dieſem aus ſanft erhoben zum Segnen.
Leider hat dieſes koͤſtliche Bildchen der Reſtaurator ſo
glatt gerieben, daß nur an einzelnen Stellen, unter den Augen,
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*) welche gemeiniglich dem Pietro beygemeſſen wird, von Raphaels Hand
a fresco gemalt ſey. Im Allgemeinen iſt dem Urtheil dieſes anmaßlichen
Mannes wenig zu trauen; indeß giebt ſeine Beſchreibung des Werkes,
welches ich nicht geſehen, ſeiner Vermuthung einen Anſtrich von Wahr-
ſcheinlichkeit. Ein deutſcher Künſtler, welcher des della Valle Vermu-
thung nicht kannte, ſchrieb mir: „Die Anbetung der Könige von Pietro
gehört zu dem Minderwichtigen, welches von dieſem Meiſter mir zu Ge-
ſicht gekommen. Nahe geſehn, erſcheint es als eine farbige Kreidezeich-
nung, ſo ſtark iſt es ſchraffirt.“ Dieſe Angabe ſcheint jene Vermuthung
zu unterſtützen. Der Künſtler ſuchte Pietro, fand etwas von ihm Ab-
weichendes, daher ſein Mißfallen. Die Schraffirungen, welche Raphael
noch in der Diſputa beybehalten, ſind das Zeichen eines ungeübten Ma-
lers al fresco, welcher mehr beabſichtigt, als er auf ein Mal hervorbrin-
gen kann. Es verlohnte, an Ort und Stelle zu unterſuchen, ob das
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