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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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Richtung Raphaels. Es muß daher, wenn auch nur um
Monate, doch immer später seyn, als das berühmte Sposa-
lizio. Das letzte Werk, dem Vasari, Fortschritte annehmend
(als wenn jedes Spätere nothwendig auch ein Besseres sey),
ebenfalls den Vorzug gab, enthält an dem Tempelgebäude des
Mittelgrundes die unverdächtige Aufschrift: RAPHAEL VR-
BINAS
MDIIII
. Diese Jahreszahl wird uns für das Jahr
der Vollendung gelten müssen; wohl selbst für den Anfang
des Jahres, da Raphael schon im Verlaufe des folgenden
jenen ganz neuen Weg eingeschlagen hatte, zu welchem das
Bild des Cardinal Fesch den Uebergang macht, und auf wel-
chen wir später zurückkommen werden.

Ueber die Anordnung, den allgemeinen und besonderen
Charakter der einzelnen Figuren habe ich nichts zu sagen;
durch beliebte Kupferstiche ist das Bild auch bey denen be-
kannt, welche das Original nicht gesehen haben. Nur be-
merke ich, daß in dem noch wohlerhaltenen, doch leider der
Sonne bisweilen ausgesetzten Originale die Pinselführung
geistreich modellirend, der Auftrag pastos und markig ist, auch
bereits durch jene schon berührten, weißlichen, doch lichtvollen
Töne der Carnation sich auszeichnet, welche unter den spar-
samen äußeren Kennzeichen raphaelischer Gemälde das stand-
hafteste, untrüglichste seyn möchten; auch, daß in den Kö-
psen, besonders in den ältlichen, viele Bildnisse vorkommen;
endlich, daß in dem Bau der Gestalten bereits jene Neigung
zum Schlanken, ja übermäßig Verlängerten hervortritt, welche,
wie ich nachweisen werde, in der nun bald eintretenden Epoche
Raphaels wiederholt sich bemerklich macht *).

*) Der Padre Guglielmo della Valle, zum Vasari, will, daß im
Oratorio zu Citta della Pieve die Anbetung der Könige mit dem J. 1504,

Richtung Raphaels. Es muß daher, wenn auch nur um
Monate, doch immer ſpaͤter ſeyn, als das beruͤhmte Spoſa-
lizio. Das letzte Werk, dem Vaſari, Fortſchritte annehmend
(als wenn jedes Spaͤtere nothwendig auch ein Beſſeres ſey),
ebenfalls den Vorzug gab, enthaͤlt an dem Tempelgebaͤude des
Mittelgrundes die unverdaͤchtige Aufſchrift: RAPHAEL VR-
BINAS
MDIIII
. Dieſe Jahreszahl wird uns fuͤr das Jahr
der Vollendung gelten muͤſſen; wohl ſelbſt fuͤr den Anfang
des Jahres, da Raphael ſchon im Verlaufe des folgenden
jenen ganz neuen Weg eingeſchlagen hatte, zu welchem das
Bild des Cardinal Feſch den Uebergang macht, und auf wel-
chen wir ſpaͤter zuruͤckkommen werden.

Ueber die Anordnung, den allgemeinen und beſonderen
Charakter der einzelnen Figuren habe ich nichts zu ſagen;
durch beliebte Kupferſtiche iſt das Bild auch bey denen be-
kannt, welche das Original nicht geſehen haben. Nur be-
merke ich, daß in dem noch wohlerhaltenen, doch leider der
Sonne bisweilen ausgeſetzten Originale die Pinſelfuͤhrung
geiſtreich modellirend, der Auftrag paſtos und markig iſt, auch
bereits durch jene ſchon beruͤhrten, weißlichen, doch lichtvollen
Toͤne der Carnation ſich auszeichnet, welche unter den ſpar-
ſamen aͤußeren Kennzeichen raphaeliſcher Gemaͤlde das ſtand-
hafteſte, untruͤglichſte ſeyn moͤchten; auch, daß in den Koͤ-
pſen, beſonders in den aͤltlichen, viele Bildniſſe vorkommen;
endlich, daß in dem Bau der Geſtalten bereits jene Neigung
zum Schlanken, ja uͤbermaͤßig Verlaͤngerten hervortritt, welche,
wie ich nachweiſen werde, in der nun bald eintretenden Epoche
Raphaels wiederholt ſich bemerklich macht *).

*) Der Padre Guglielmo della Valle, zum Vaſari, will, daß im
Oratorio zu Città della Pieve die Anbetung der Könige mit dem J. 1504,
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[37/0059] Richtung Raphaels. Es muß daher, wenn auch nur um Monate, doch immer ſpaͤter ſeyn, als das beruͤhmte Spoſa- lizio. Das letzte Werk, dem Vaſari, Fortſchritte annehmend (als wenn jedes Spaͤtere nothwendig auch ein Beſſeres ſey), ebenfalls den Vorzug gab, enthaͤlt an dem Tempelgebaͤude des Mittelgrundes die unverdaͤchtige Aufſchrift: RAPHAEL VR- BINAS MDIIII. Dieſe Jahreszahl wird uns fuͤr das Jahr der Vollendung gelten muͤſſen; wohl ſelbſt fuͤr den Anfang des Jahres, da Raphael ſchon im Verlaufe des folgenden jenen ganz neuen Weg eingeſchlagen hatte, zu welchem das Bild des Cardinal Feſch den Uebergang macht, und auf wel- chen wir ſpaͤter zuruͤckkommen werden. Ueber die Anordnung, den allgemeinen und beſonderen Charakter der einzelnen Figuren habe ich nichts zu ſagen; durch beliebte Kupferſtiche iſt das Bild auch bey denen be- kannt, welche das Original nicht geſehen haben. Nur be- merke ich, daß in dem noch wohlerhaltenen, doch leider der Sonne bisweilen ausgeſetzten Originale die Pinſelfuͤhrung geiſtreich modellirend, der Auftrag paſtos und markig iſt, auch bereits durch jene ſchon beruͤhrten, weißlichen, doch lichtvollen Toͤne der Carnation ſich auszeichnet, welche unter den ſpar- ſamen aͤußeren Kennzeichen raphaeliſcher Gemaͤlde das ſtand- hafteſte, untruͤglichſte ſeyn moͤchten; auch, daß in den Koͤ- pſen, beſonders in den aͤltlichen, viele Bildniſſe vorkommen; endlich, daß in dem Bau der Geſtalten bereits jene Neigung zum Schlanken, ja uͤbermaͤßig Verlaͤngerten hervortritt, welche, wie ich nachweiſen werde, in der nun bald eintretenden Epoche Raphaels wiederholt ſich bemerklich macht *). *) Der Padre Guglielmo della Valle, zum Vaſari, will, daß im Oratorio zu Città della Pieve die Anbetung der Könige mit dem J. 1504,

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/59>, abgerufen am 27.11.2024.