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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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Nachbildungen der Sophienkirche zu Constantinopel. *) S. Vi-
tale aber ist ein Rundbau, den minder erhöhete Theile peri-
pherisch umgeben; S. Marco hingegen ein Viereck im Plane
der Basiliken, dessen eigenthümliche Dachconstruction auf den
Grundriß wenig Einfluß hat. Wie nun konnten Kirchen,
welche in ihren Grundformen durchaus verschieden sind, dem-
selben Vorbilde nachgeahmt seyn? Allein auch einzeln ge-
nommen ist keine von beiden der Sophienkirche vergleichbar.
Diese ist eine mächtige Rotunda von weitem Durchmesser,
über vier unermeßlichen Pfeilern aufgerichtet, welche engere,
niedrigere, rechtwinklige und von einander abgesonderte Sei-
tentheile umgeben; S. Vitale hingegen ist die Fortbildung
eines Motivs, welches zu Rom (S. Stephano) und zu Ra-
venna
der christlich-römischen Baukunst längst geläufig war;
S. Marco endlich dem Grundriß nach eine altherkömmliche
Basilika; beide weit abweichend von der Grundform, von der
Complication der Theile, welche die Sophienkirche nicht al-
lein von jenen, sondern überhaupt von allen lateinischen Kir-
chen unterscheidet.

Dasselbe Vorurtheil verblendet einen neueren Schriftstel-

*) d'Agincourt scheint davon auszugehn, daß S. Vitale (er hatte
Bacchini's schon nachgewiesene Abh. nicht benutzt) gleich der Marcus-
kirche von byzantinischen Künstlern erbaut sey. Nun ward bey ihm
die byzantinische Baukunst ein für alle Male durch die Sophienkirche
repräsentirt. Also, wird er geschlossen haben, sind jene Kirchen Nach-
bildungen von S. Sophia. Es ist zu bedauern, daß ein Werk, wel-
ches seine tabellarische Anlage und seine Wohlfeilheit allgemein ver-
breitet hat, dessen Viele sich als Nothbehelf, und leider auch als Richt-
schnur bedienen, in seinen Abbildungen, in den Erläuterungen, welche
sie begleiten, so wenig genau und gründlich ist. Wenn irgend etwas,
so wäre die neue Peterskirche zu Rom der Sophienkirche allgemeinhin
vergleichbar.
14 *

Nachbildungen der Sophienkirche zu Conſtantinopel. *) S. Vi-
tale aber iſt ein Rundbau, den minder erhoͤhete Theile peri-
pheriſch umgeben; S. Marco hingegen ein Viereck im Plane
der Baſiliken, deſſen eigenthuͤmliche Dachconſtruction auf den
Grundriß wenig Einfluß hat. Wie nun konnten Kirchen,
welche in ihren Grundformen durchaus verſchieden ſind, dem-
ſelben Vorbilde nachgeahmt ſeyn? Allein auch einzeln ge-
nommen iſt keine von beiden der Sophienkirche vergleichbar.
Dieſe iſt eine maͤchtige Rotunda von weitem Durchmeſſer,
uͤber vier unermeßlichen Pfeilern aufgerichtet, welche engere,
niedrigere, rechtwinklige und von einander abgeſonderte Sei-
tentheile umgeben; S. Vitale hingegen iſt die Fortbildung
eines Motivs, welches zu Rom (S. Stephano) und zu Ra-
venna
der chriſtlich-roͤmiſchen Baukunſt laͤngſt gelaͤufig war;
S. Marco endlich dem Grundriß nach eine altherkoͤmmliche
Baſilika; beide weit abweichend von der Grundform, von der
Complication der Theile, welche die Sophienkirche nicht al-
lein von jenen, ſondern uͤberhaupt von allen lateiniſchen Kir-
chen unterſcheidet.

Daſſelbe Vorurtheil verblendet einen neueren Schriftſtel-

*) d’Agincourt ſcheint davon auszugehn, daß S. Vitale (er hatte
Bacchini’s ſchon nachgewieſene Abh. nicht benutzt) gleich der Marcus-
kirche von byzantiniſchen Künſtlern erbaut ſey. Nun ward bey ihm
die byzantiniſche Baukunſt ein für alle Male durch die Sophienkirche
repräſentirt. Alſo, wird er geſchloſſen haben, ſind jene Kirchen Nach-
bildungen von S. Sophia. Es iſt zu bedauern, daß ein Werk, wel-
ches ſeine tabellariſche Anlage und ſeine Wohlfeilheit allgemein ver-
breitet hat, deſſen Viele ſich als Nothbehelf, und leider auch als Richt-
ſchnur bedienen, in ſeinen Abbildungen, in den Erläuterungen, welche
ſie begleiten, ſo wenig genau und gründlich iſt. Wenn irgend etwas,
ſo wäre die neue Peterskirche zu Rom der Sophienkirche allgemeinhin
vergleichbar.
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[211/0233] Nachbildungen der Sophienkirche zu Conſtantinopel. *) S. Vi- tale aber iſt ein Rundbau, den minder erhoͤhete Theile peri- pheriſch umgeben; S. Marco hingegen ein Viereck im Plane der Baſiliken, deſſen eigenthuͤmliche Dachconſtruction auf den Grundriß wenig Einfluß hat. Wie nun konnten Kirchen, welche in ihren Grundformen durchaus verſchieden ſind, dem- ſelben Vorbilde nachgeahmt ſeyn? Allein auch einzeln ge- nommen iſt keine von beiden der Sophienkirche vergleichbar. Dieſe iſt eine maͤchtige Rotunda von weitem Durchmeſſer, uͤber vier unermeßlichen Pfeilern aufgerichtet, welche engere, niedrigere, rechtwinklige und von einander abgeſonderte Sei- tentheile umgeben; S. Vitale hingegen iſt die Fortbildung eines Motivs, welches zu Rom (S. Stephano) und zu Ra- venna der chriſtlich-roͤmiſchen Baukunſt laͤngſt gelaͤufig war; S. Marco endlich dem Grundriß nach eine altherkoͤmmliche Baſilika; beide weit abweichend von der Grundform, von der Complication der Theile, welche die Sophienkirche nicht al- lein von jenen, ſondern uͤberhaupt von allen lateiniſchen Kir- chen unterſcheidet. Daſſelbe Vorurtheil verblendet einen neueren Schriftſtel- *) d’Agincourt ſcheint davon auszugehn, daß S. Vitale (er hatte Bacchini’s ſchon nachgewieſene Abh. nicht benutzt) gleich der Marcus- kirche von byzantiniſchen Künſtlern erbaut ſey. Nun ward bey ihm die byzantiniſche Baukunſt ein für alle Male durch die Sophienkirche repräſentirt. Alſo, wird er geſchloſſen haben, ſind jene Kirchen Nach- bildungen von S. Sophia. Es iſt zu bedauern, daß ein Werk, wel- ches ſeine tabellariſche Anlage und ſeine Wohlfeilheit allgemein ver- breitet hat, deſſen Viele ſich als Nothbehelf, und leider auch als Richt- ſchnur bedienen, in ſeinen Abbildungen, in den Erläuterungen, welche ſie begleiten, ſo wenig genau und gründlich iſt. Wenn irgend etwas, ſo wäre die neue Peterskirche zu Rom der Sophienkirche allgemeinhin vergleichbar. 14 *

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/233>, abgerufen am 28.11.2024.