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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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ler so weit, daß er an der Vorseite der venezianischen Mar-
cuskirche eine bildnerisch halberhobene Nachbildung der vorma-
ligen Außenhallen der Sophienkirche wahrzunehmen glaubt. *)
Dieser Theil des Gebäudes kam sehr spät zu Ende, als im
westlichen Europa längst schon die Neigung verschwunden war,
in irgend einer Beziehung neugriechische Vorbilder nachzuah-
men, als ganz im Gegentheil westeuropäische Bauweisen im
Orient sich ausbreiteten. **) Die Vorseite der Marcuskirche
enthält daher Spuren des sogenannten gothischen Geschmackes,
welcher in Italien vielfältigen Umgestaltungen sich unterwer-
fen müssen. Ueberhaupt ist es unnöthig, die Verdoppelun-
gen und Verkrüppelungen des alten Säulensystemes, welche
dem zwölften Jahrhundert eigenthümlich sind, aus byzanti-
nischen Vorbildern abzuleiten. Sie entwickelten sich allge-
mach aus der Aufgabe, die Trümmer alter Pracht, unter
welchen die erhaltenen Säulenschäfte und vollständigen Werk-
stücke mit der Zeit seltener wurden, in irgend ein System der
Verzierung zu verflechten.

Säulen und Bogenstellungen wurden seit alter Zeit vor
den Basiliken angebracht, der Pracht, der Bequemlichkeit, der
Umgänge willen. Als Vorhof, hat eine Säulenstellung vor
der alten Basilika S. Clemente sich vollständig erhalten. Vor
S. Giovanni e Paolo, vor S. Lorenzo derselben Stadt wur-
den um das Jahr 1200 die Vorhallen mehr wiederhergestellt,

*) Von der Hagen, Briefe in die Heimat, Bd. II. S. 111. ff. --
In einem Bilde der Gallerie della Brera zu Mayland, welches dem
Gentile Bellini beygemessen wird, bildet eine freye Darstellung der da-
zumal wohl noch besser erhaltenen Vorseite der Sophienkirche den Hin-
tergrund, welche jene Vergleichung in der Wurzel abschneidet.
**) S. Mariti, viaggi per l'Isola di Cipro etc.

ler ſo weit, daß er an der Vorſeite der venezianiſchen Mar-
cuskirche eine bildneriſch halberhobene Nachbildung der vorma-
ligen Außenhallen der Sophienkirche wahrzunehmen glaubt. *)
Dieſer Theil des Gebaͤudes kam ſehr ſpaͤt zu Ende, als im
weſtlichen Europa laͤngſt ſchon die Neigung verſchwunden war,
in irgend einer Beziehung neugriechiſche Vorbilder nachzuah-
men, als ganz im Gegentheil weſteuropaͤiſche Bauweiſen im
Orient ſich ausbreiteten. **) Die Vorſeite der Marcuskirche
enthaͤlt daher Spuren des ſogenannten gothiſchen Geſchmackes,
welcher in Italien vielfaͤltigen Umgeſtaltungen ſich unterwer-
fen muͤſſen. Ueberhaupt iſt es unnoͤthig, die Verdoppelun-
gen und Verkruͤppelungen des alten Saͤulenſyſtemes, welche
dem zwoͤlften Jahrhundert eigenthuͤmlich ſind, aus byzanti-
niſchen Vorbildern abzuleiten. Sie entwickelten ſich allge-
mach aus der Aufgabe, die Truͤmmer alter Pracht, unter
welchen die erhaltenen Saͤulenſchaͤfte und vollſtaͤndigen Werk-
ſtuͤcke mit der Zeit ſeltener wurden, in irgend ein Syſtem der
Verzierung zu verflechten.

Saͤulen und Bogenſtellungen wurden ſeit alter Zeit vor
den Baſiliken angebracht, der Pracht, der Bequemlichkeit, der
Umgaͤnge willen. Als Vorhof, hat eine Saͤulenſtellung vor
der alten Baſilika S. Clemente ſich vollſtaͤndig erhalten. Vor
S. Giovanni e Paolo, vor S. Lorenzo derſelben Stadt wur-
den um das Jahr 1200 die Vorhallen mehr wiederhergeſtellt,

*) Von der Hagen, Briefe in die Heimat, Bd. II. S. 111. ff. —
In einem Bilde der Gallerie della Brera zu Mayland, welches dem
Gentile Bellini beygemeſſen wird, bildet eine freye Darſtellung der da-
zumal wohl noch beſſer erhaltenen Vorſeite der Sophienkirche den Hin-
tergrund, welche jene Vergleichung in der Wurzel abſchneidet.
**) S. Mariti, viaggi per l’Isola di Cipro etc.
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[212/0234] ler ſo weit, daß er an der Vorſeite der venezianiſchen Mar- cuskirche eine bildneriſch halberhobene Nachbildung der vorma- ligen Außenhallen der Sophienkirche wahrzunehmen glaubt. *) Dieſer Theil des Gebaͤudes kam ſehr ſpaͤt zu Ende, als im weſtlichen Europa laͤngſt ſchon die Neigung verſchwunden war, in irgend einer Beziehung neugriechiſche Vorbilder nachzuah- men, als ganz im Gegentheil weſteuropaͤiſche Bauweiſen im Orient ſich ausbreiteten. **) Die Vorſeite der Marcuskirche enthaͤlt daher Spuren des ſogenannten gothiſchen Geſchmackes, welcher in Italien vielfaͤltigen Umgeſtaltungen ſich unterwer- fen muͤſſen. Ueberhaupt iſt es unnoͤthig, die Verdoppelun- gen und Verkruͤppelungen des alten Saͤulenſyſtemes, welche dem zwoͤlften Jahrhundert eigenthuͤmlich ſind, aus byzanti- niſchen Vorbildern abzuleiten. Sie entwickelten ſich allge- mach aus der Aufgabe, die Truͤmmer alter Pracht, unter welchen die erhaltenen Saͤulenſchaͤfte und vollſtaͤndigen Werk- ſtuͤcke mit der Zeit ſeltener wurden, in irgend ein Syſtem der Verzierung zu verflechten. Saͤulen und Bogenſtellungen wurden ſeit alter Zeit vor den Baſiliken angebracht, der Pracht, der Bequemlichkeit, der Umgaͤnge willen. Als Vorhof, hat eine Saͤulenſtellung vor der alten Baſilika S. Clemente ſich vollſtaͤndig erhalten. Vor S. Giovanni e Paolo, vor S. Lorenzo derſelben Stadt wur- den um das Jahr 1200 die Vorhallen mehr wiederhergeſtellt, *) Von der Hagen, Briefe in die Heimat, Bd. II. S. 111. ff. — In einem Bilde der Gallerie della Brera zu Mayland, welches dem Gentile Bellini beygemeſſen wird, bildet eine freye Darſtellung der da- zumal wohl noch beſſer erhaltenen Vorſeite der Sophienkirche den Hin- tergrund, welche jene Vergleichung in der Wurzel abſchneidet. **) S. Mariti, viaggi per l’Isola di Cipro etc.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/234>, abgerufen am 28.11.2024.