Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.Uebrigens drängt hier nichts, der Zeit vorgreifend, zu Raphael gelangte nach Rom, als die hierarchische Größe, Uebrigens draͤngt hier nichts, der Zeit vorgreifend, zu Raphael gelangte nach Rom, als die hierarchiſche Groͤße, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0120" n="98"/> <p>Uebrigens draͤngt hier nichts, der Zeit vorgreifend, zu<lb/> entſcheiden, ob, was man den ſtrengen Styl nennt, oder viel-<lb/> mehr dieſe neue, maleriſche Manier, an ſich ſelbſt die beſte<lb/> Weiſe ſey, Kunſtwerke vor den Sinn zu ſtellen, da <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphael</persName><lb/> in beiden Formen dargelegt hat, was ſein Beſtes iſt: Fuͤlle<lb/> und Tiefe des Geiſtes, Reinheit und Innigkeit des Gemuͤthes.<lb/> Indeß zeigen ſeine Werke, da in ihm nichts jemals zur leeren<lb/> Gewoͤhnung ausgeſchlagen iſt, durchhin den Charakter der Le-<lb/> bensſtufe, welcher ſie angehoͤren. Mit dem Juͤnglingsalter<lb/> verließ er das Gebiet des heiter Naiven und ſchwaͤrmeriſch<lb/> Schmerzlichen. Madonnen, heilige Familien, Bilder des lei-<lb/> denden, ſich hingebenden Erloͤſers, Gegenſtaͤnde, in welchen er<lb/> bis dahin ſich unuͤbertrefflich gezeigt hatte, mußten, im vor-<lb/> geruͤckteren Alter, ihm nicht mehr ſo ganz dieſelbe Theilnahme<lb/> abgewinnen. Hingegen zeigte er bey Loͤſung der Aufgaben,<lb/> welche ſeine neue Stellung nunmehr herbeyfuͤhrte, maͤnnliche<lb/> Reife des Geiſtes. Durch Gluͤck, oder Beſtimmung, begeg-<lb/> nete er auf jeglicher Stufe ſeiner Kuͤnſtlerlaufbahn Anforde-<lb/> rungen, denen er gerade ganz gewachſen war. Am Fuße des<lb/> heiligen Huͤgels von <placeName>Aſiſi</placeName> war er ganz ſo ſchwaͤrmeriſch, als<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/129222976">Niccolo Alunno</persName>, als <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119091771">Pietro</persName> in ſeinen beſſeren Tagen, unter<lb/> den guten Buͤrgern des gewerbfleißigen <placeName>Florenz</placeName>, naiv, haͤus-<lb/> lich, verſtaͤndig, am Hofe der Fuͤrſten des Geiſtes, <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118714090">Julius<lb/><hi rendition="#aq">II</hi>.</persName>, <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118640437">Leo <hi rendition="#aq">X</hi>.</persName>, energiſch, umfaſſend.</p><lb/> <p><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphael</persName> gelangte nach <placeName>Rom</placeName>, als die hierarchiſche Groͤße,<lb/> dem Wendepuncte ſchon nahe, ihren hoͤchſten Gipfel erreicht<lb/> hatte. Nie hatte ſie ein weiteres Landgebiet, mehr kriegeriſche<lb/> Macht beſeſſen; ihr geiſtiger Einfluß ward kaum beſtritten.<lb/> Nun daͤmmerte eben damals, wohl durch Einwirkung des<lb/> Cardinal <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118640437">Giovanni de’ Medici</persName>, der Gedanke auf: das hie-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [98/0120]
Uebrigens draͤngt hier nichts, der Zeit vorgreifend, zu
entſcheiden, ob, was man den ſtrengen Styl nennt, oder viel-
mehr dieſe neue, maleriſche Manier, an ſich ſelbſt die beſte
Weiſe ſey, Kunſtwerke vor den Sinn zu ſtellen, da Raphael
in beiden Formen dargelegt hat, was ſein Beſtes iſt: Fuͤlle
und Tiefe des Geiſtes, Reinheit und Innigkeit des Gemuͤthes.
Indeß zeigen ſeine Werke, da in ihm nichts jemals zur leeren
Gewoͤhnung ausgeſchlagen iſt, durchhin den Charakter der Le-
bensſtufe, welcher ſie angehoͤren. Mit dem Juͤnglingsalter
verließ er das Gebiet des heiter Naiven und ſchwaͤrmeriſch
Schmerzlichen. Madonnen, heilige Familien, Bilder des lei-
denden, ſich hingebenden Erloͤſers, Gegenſtaͤnde, in welchen er
bis dahin ſich unuͤbertrefflich gezeigt hatte, mußten, im vor-
geruͤckteren Alter, ihm nicht mehr ſo ganz dieſelbe Theilnahme
abgewinnen. Hingegen zeigte er bey Loͤſung der Aufgaben,
welche ſeine neue Stellung nunmehr herbeyfuͤhrte, maͤnnliche
Reife des Geiſtes. Durch Gluͤck, oder Beſtimmung, begeg-
nete er auf jeglicher Stufe ſeiner Kuͤnſtlerlaufbahn Anforde-
rungen, denen er gerade ganz gewachſen war. Am Fuße des
heiligen Huͤgels von Aſiſi war er ganz ſo ſchwaͤrmeriſch, als
Niccolo Alunno, als Pietro in ſeinen beſſeren Tagen, unter
den guten Buͤrgern des gewerbfleißigen Florenz, naiv, haͤus-
lich, verſtaͤndig, am Hofe der Fuͤrſten des Geiſtes, Julius
II., Leo X., energiſch, umfaſſend.
Raphael gelangte nach Rom, als die hierarchiſche Groͤße,
dem Wendepuncte ſchon nahe, ihren hoͤchſten Gipfel erreicht
hatte. Nie hatte ſie ein weiteres Landgebiet, mehr kriegeriſche
Macht beſeſſen; ihr geiſtiger Einfluß ward kaum beſtritten.
Nun daͤmmerte eben damals, wohl durch Einwirkung des
Cardinal Giovanni de’ Medici, der Gedanke auf: das hie-
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