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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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Werk anzugeben, welches das Alter und den Urheber dieser
Kunstart etwa bezeugen könnte. Wahrscheinlich folgte er
einem örtlichen Gerüchte, welches aus einer mißdeuteten Ur-
kunde entstanden seyn dürfte, deren Abschriften sowohl im
öffentlichen, als im Archive der Domverwaltung vorhanden
sind, mithin um so leichter in die Augen fallen und bemerkt
werden konnten. In dieser *) Urkunde befiehlt der damalige
höchste Magistrat (die Herren Neuner), welche unter den lau-
fenden Arbeiten am sienesischen Dome beschleunigt werden
sollen. Diese bestanden zunächst in einem Musive; dann in
der großen Tafel des Domes, welche, wie wir aus anderen
Quellen wissen, dem Duccio aufgetragen und eben damals in
Arbeit war; endlich wird auch bestimmt, welche Mauerer man
vor der Hand anzustellen habe.

Obwohl in diesem Befehle nicht angedeutet wird, für
welche Stelle der Kirche das in Arbeit stehende Musaik be-
stimmt war, so dürfen wir dennoch schließen, daß solches sei-
nerzeit über dem Hauptthore und an der Außenseite ange-
bracht worden. Denn einmal war es zu jener Zeit sehr in
Gebrauch, die Jungfrau und andere Schutzheiligen an den
Vorseiten der Kirchen musivisch darzustellen; dann war und
ist noch immer auch an der Vorseite des sienesischen Domes

*) Arch. dell' opera del Duomo di Siena. Pergamene, No.
614. -- quod in operando et faciendo et facto opere, seu opus mu-
saici, quod est inceptum. Et etiam in laborerio storie et magne
tabule beate Marie semper Virginis gloriose, soliciter et cum omni
diligentia procedatur
. -- und gegen das Ende: Et quod in labore-
riis omnibus faciendis et super eis conplendis stent et remaneant
solum decem magistri de melioribus etc. -- quorum decem magistro-
rum nomina hacc sunt etc
. -- Gegeben: In anno Dni M°CCC°X°.
Indictione VIII. die XXVIII. Novembr
.

Werk anzugeben, welches das Alter und den Urheber dieſer
Kunſtart etwa bezeugen koͤnnte. Wahrſcheinlich folgte er
einem oͤrtlichen Geruͤchte, welches aus einer mißdeuteten Ur-
kunde entſtanden ſeyn duͤrfte, deren Abſchriften ſowohl im
oͤffentlichen, als im Archive der Domverwaltung vorhanden
ſind, mithin um ſo leichter in die Augen fallen und bemerkt
werden konnten. In dieſer *) Urkunde befiehlt der damalige
hoͤchſte Magiſtrat (die Herren Neuner), welche unter den lau-
fenden Arbeiten am ſieneſiſchen Dome beſchleunigt werden
ſollen. Dieſe beſtanden zunaͤchſt in einem Muſive; dann in
der großen Tafel des Domes, welche, wie wir aus anderen
Quellen wiſſen, dem Duccio aufgetragen und eben damals in
Arbeit war; endlich wird auch beſtimmt, welche Mauerer man
vor der Hand anzuſtellen habe.

Obwohl in dieſem Befehle nicht angedeutet wird, fuͤr
welche Stelle der Kirche das in Arbeit ſtehende Muſaik be-
ſtimmt war, ſo duͤrfen wir dennoch ſchließen, daß ſolches ſei-
nerzeit uͤber dem Hauptthore und an der Außenſeite ange-
bracht worden. Denn einmal war es zu jener Zeit ſehr in
Gebrauch, die Jungfrau und andere Schutzheiligen an den
Vorſeiten der Kirchen muſiviſch darzuſtellen; dann war und
iſt noch immer auch an der Vorſeite des ſieneſiſchen Domes

*) Arch. dell’ opera del Duomo di Siena. Pergamene, No.
614. — quod in operando et faciendo et facto opere, seu opus mu-
saici, quod est inceptum. Et etiam in laborerio storie et magne
tabule beate Marie semper Virginis gloriose, soliciter et cum omni
diligentia procedatur
. — und gegen das Ende: Et quod in labore-
riis omnibus faciendis et super eis conplendis stent et remaneant
solum decem magistri de melioribus etc. — quorum decem magistro-
rum nomina hacc sunt etc
. — Gegeben: In anno Dni M°CCC°X°.
Indictione VIII. die XXVIII. Novembr
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[9/0027] Werk anzugeben, welches das Alter und den Urheber dieſer Kunſtart etwa bezeugen koͤnnte. Wahrſcheinlich folgte er einem oͤrtlichen Geruͤchte, welches aus einer mißdeuteten Ur- kunde entſtanden ſeyn duͤrfte, deren Abſchriften ſowohl im oͤffentlichen, als im Archive der Domverwaltung vorhanden ſind, mithin um ſo leichter in die Augen fallen und bemerkt werden konnten. In dieſer *) Urkunde befiehlt der damalige hoͤchſte Magiſtrat (die Herren Neuner), welche unter den lau- fenden Arbeiten am ſieneſiſchen Dome beſchleunigt werden ſollen. Dieſe beſtanden zunaͤchſt in einem Muſive; dann in der großen Tafel des Domes, welche, wie wir aus anderen Quellen wiſſen, dem Duccio aufgetragen und eben damals in Arbeit war; endlich wird auch beſtimmt, welche Mauerer man vor der Hand anzuſtellen habe. Obwohl in dieſem Befehle nicht angedeutet wird, fuͤr welche Stelle der Kirche das in Arbeit ſtehende Muſaik be- ſtimmt war, ſo duͤrfen wir dennoch ſchließen, daß ſolches ſei- nerzeit uͤber dem Hauptthore und an der Außenſeite ange- bracht worden. Denn einmal war es zu jener Zeit ſehr in Gebrauch, die Jungfrau und andere Schutzheiligen an den Vorſeiten der Kirchen muſiviſch darzuſtellen; dann war und iſt noch immer auch an der Vorſeite des ſieneſiſchen Domes *) Arch. dell’ opera del Duomo di Siena. Pergamene, No. 614. — quod in operando et faciendo et facto opere, seu opus mu- saici, quod est inceptum. Et etiam in laborerio storie et magne tabule beate Marie semper Virginis gloriose, soliciter et cum omni diligentia procedatur. — und gegen das Ende: Et quod in labore- riis omnibus faciendis et super eis conplendis stent et remaneant solum decem magistri de melioribus etc. — quorum decem magistro- rum nomina hacc sunt etc. — Gegeben: In anno Dni M°CCC°X°. Indictione VIII. die XXVIII. Novembr.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/27>, abgerufen am 26.04.2024.