Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

vorgehende Rundung angeht, sichtlich noch in der Manier der
späteren Giottesken ausgeführt. Hingegen sind die noch übri-
gen drey Abtheilungen der Altarwand, ferner die ganze Sei-
tenwand zur Linken, mit Ausnahme einer späteren Ergänzung
in der Mitte der unteren Abtheilung, nach derselben Autorität
sämmtlich Arbeiten des Masaccio. In der That verkündet sich
in letztgenannter Reihe von Darstellungen überall derselbe Geist,
dasselbe Wollen; auch erkennt man darin, wenn man bey je-
nen drey Geschichten der Altarwand anhebt, die ersten Regun-
gen des Bestrebens nach Rundung in den hier noch leichter
gehaltenen und farbigeren Schatten, hingegen an der oberen
bis auf den Pfeiler am Eingang durchgeführten Abtheilung
steigenden Muth, da die Schatten hier schon bisweilen ins
Schwärzliche, wie die Lichter ins Kreidige übergehn, aber
auch Unsicherheit und den Fehlgriff, die Höhe der Lichter nicht
in die Mitte, sondern an den Rand der Formen zu bringen,
was diesen durchhin ein gewisses Ansehn von Schiefheit giebt.
In der Folge aber scheint der Künstler bey Ausführung der
unteren, unvollendet gebliebenen Abtheilung derselben Wand
einem richtigen Verständniß des Grundsatzes der Rundung
schon näher zu kommen und eben daher der Ueberhöhung der
Lichter, der Schwärze der Schatten nicht mehr in dem Maße,
als früherhin, zu bedürfen. -- Diese flüchtig angedeuteten Um-
stände gewähren, wie es einleuchten muß, den Angaben des
Vasari eine ungewöhnliche Glaubwürdigkeit.

Nun unterscheiden sich diese Malereyen von denen des
Filippino, der etwa um vierzig Jahre später das noch Feh-
lende ergänzt hat, zunächst durch den Aufdruck eines strenge-
ren, auf Ernst und sittliche Würde gerichteten Sinnes; denn
der jüngere Filippo war wohl ein großes, doch leichtes und

vorgehende Rundung angeht, ſichtlich noch in der Manier der
ſpaͤteren Giottesken ausgefuͤhrt. Hingegen ſind die noch uͤbri-
gen drey Abtheilungen der Altarwand, ferner die ganze Sei-
tenwand zur Linken, mit Ausnahme einer ſpaͤteren Ergaͤnzung
in der Mitte der unteren Abtheilung, nach derſelben Autoritaͤt
ſaͤmmtlich Arbeiten des Maſaccio. In der That verkuͤndet ſich
in letztgenannter Reihe von Darſtellungen uͤberall derſelbe Geiſt,
daſſelbe Wollen; auch erkennt man darin, wenn man bey je-
nen drey Geſchichten der Altarwand anhebt, die erſten Regun-
gen des Beſtrebens nach Rundung in den hier noch leichter
gehaltenen und farbigeren Schatten, hingegen an der oberen
bis auf den Pfeiler am Eingang durchgefuͤhrten Abtheilung
ſteigenden Muth, da die Schatten hier ſchon bisweilen ins
Schwaͤrzliche, wie die Lichter ins Kreidige uͤbergehn, aber
auch Unſicherheit und den Fehlgriff, die Hoͤhe der Lichter nicht
in die Mitte, ſondern an den Rand der Formen zu bringen,
was dieſen durchhin ein gewiſſes Anſehn von Schiefheit giebt.
In der Folge aber ſcheint der Kuͤnſtler bey Ausfuͤhrung der
unteren, unvollendet gebliebenen Abtheilung derſelben Wand
einem richtigen Verſtaͤndniß des Grundſatzes der Rundung
ſchon naͤher zu kommen und eben daher der Ueberhoͤhung der
Lichter, der Schwaͤrze der Schatten nicht mehr in dem Maße,
als fruͤherhin, zu beduͤrfen. — Dieſe fluͤchtig angedeuteten Um-
ſtaͤnde gewaͤhren, wie es einleuchten muß, den Angaben des
Vaſari eine ungewoͤhnliche Glaubwuͤrdigkeit.

Nun unterſcheiden ſich dieſe Malereyen von denen des
Filippino, der etwa um vierzig Jahre ſpaͤter das noch Feh-
lende ergaͤnzt hat, zunaͤchſt durch den Aufdruck eines ſtrenge-
ren, auf Ernſt und ſittliche Wuͤrde gerichteten Sinnes; denn
der juͤngere Filippo war wohl ein großes, doch leichtes und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0264" n="246"/>
vorgehende Rundung angeht, &#x017F;ichtlich noch in der Manier der<lb/>
&#x017F;pa&#x0364;teren Giottesken ausgefu&#x0364;hrt. Hingegen &#x017F;ind die noch u&#x0364;bri-<lb/>
gen drey Abtheilungen der Altarwand, ferner die ganze Sei-<lb/>
tenwand zur Linken, mit Ausnahme einer &#x017F;pa&#x0364;teren Erga&#x0364;nzung<lb/>
in der Mitte der unteren Abtheilung, nach der&#x017F;elben Autorita&#x0364;t<lb/>
&#x017F;a&#x0364;mmtlich Arbeiten des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118578618">Ma&#x017F;accio</persName>. In der That verku&#x0364;ndet &#x017F;ich<lb/>
in letztgenannter Reihe von Dar&#x017F;tellungen u&#x0364;berall der&#x017F;elbe Gei&#x017F;t,<lb/>
da&#x017F;&#x017F;elbe Wollen; auch erkennt man darin, wenn man bey je-<lb/>
nen drey Ge&#x017F;chichten der Altarwand anhebt, die er&#x017F;ten Regun-<lb/>
gen des Be&#x017F;trebens nach Rundung in den hier noch leichter<lb/>
gehaltenen und farbigeren Schatten, hingegen an der oberen<lb/>
bis auf den Pfeiler am Eingang durchgefu&#x0364;hrten Abtheilung<lb/>
&#x017F;teigenden Muth, da die Schatten hier &#x017F;chon bisweilen ins<lb/>
Schwa&#x0364;rzliche, wie die Lichter ins Kreidige u&#x0364;bergehn, aber<lb/>
auch Un&#x017F;icherheit und den Fehlgriff, die Ho&#x0364;he der Lichter nicht<lb/>
in die Mitte, &#x017F;ondern an den Rand der Formen zu bringen,<lb/>
was die&#x017F;en durchhin ein gewi&#x017F;&#x017F;es An&#x017F;ehn von Schiefheit giebt.<lb/>
In der Folge aber &#x017F;cheint der Ku&#x0364;n&#x017F;tler bey Ausfu&#x0364;hrung der<lb/>
unteren, unvollendet gebliebenen Abtheilung der&#x017F;elben Wand<lb/>
einem richtigen Ver&#x017F;ta&#x0364;ndniß des Grund&#x017F;atzes der Rundung<lb/>
&#x017F;chon na&#x0364;her zu kommen und eben daher der Ueberho&#x0364;hung der<lb/>
Lichter, der Schwa&#x0364;rze der Schatten nicht mehr in dem Maße,<lb/>
als fru&#x0364;herhin, zu bedu&#x0364;rfen. &#x2014; Die&#x017F;e flu&#x0364;chtig angedeuteten Um-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nde gewa&#x0364;hren, wie es einleuchten muß, den Angaben des<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Va&#x017F;ari</persName> eine ungewo&#x0364;hnliche Glaubwu&#x0364;rdigkeit.</p><lb/>
          <p>Nun unter&#x017F;cheiden &#x017F;ich die&#x017F;e Malereyen von denen des<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118780123">Filippino</persName>, der etwa um vierzig Jahre &#x017F;pa&#x0364;ter das noch Feh-<lb/>
lende erga&#x0364;nzt hat, zuna&#x0364;ch&#x017F;t durch den Aufdruck eines &#x017F;trenge-<lb/>
ren, auf Ern&#x017F;t und &#x017F;ittliche Wu&#x0364;rde gerichteten Sinnes; denn<lb/>
der ju&#x0364;ngere <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118780123">Filippo</persName> war wohl ein großes, doch leichtes und<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[246/0264] vorgehende Rundung angeht, ſichtlich noch in der Manier der ſpaͤteren Giottesken ausgefuͤhrt. Hingegen ſind die noch uͤbri- gen drey Abtheilungen der Altarwand, ferner die ganze Sei- tenwand zur Linken, mit Ausnahme einer ſpaͤteren Ergaͤnzung in der Mitte der unteren Abtheilung, nach derſelben Autoritaͤt ſaͤmmtlich Arbeiten des Maſaccio. In der That verkuͤndet ſich in letztgenannter Reihe von Darſtellungen uͤberall derſelbe Geiſt, daſſelbe Wollen; auch erkennt man darin, wenn man bey je- nen drey Geſchichten der Altarwand anhebt, die erſten Regun- gen des Beſtrebens nach Rundung in den hier noch leichter gehaltenen und farbigeren Schatten, hingegen an der oberen bis auf den Pfeiler am Eingang durchgefuͤhrten Abtheilung ſteigenden Muth, da die Schatten hier ſchon bisweilen ins Schwaͤrzliche, wie die Lichter ins Kreidige uͤbergehn, aber auch Unſicherheit und den Fehlgriff, die Hoͤhe der Lichter nicht in die Mitte, ſondern an den Rand der Formen zu bringen, was dieſen durchhin ein gewiſſes Anſehn von Schiefheit giebt. In der Folge aber ſcheint der Kuͤnſtler bey Ausfuͤhrung der unteren, unvollendet gebliebenen Abtheilung derſelben Wand einem richtigen Verſtaͤndniß des Grundſatzes der Rundung ſchon naͤher zu kommen und eben daher der Ueberhoͤhung der Lichter, der Schwaͤrze der Schatten nicht mehr in dem Maße, als fruͤherhin, zu beduͤrfen. — Dieſe fluͤchtig angedeuteten Um- ſtaͤnde gewaͤhren, wie es einleuchten muß, den Angaben des Vaſari eine ungewoͤhnliche Glaubwuͤrdigkeit. Nun unterſcheiden ſich dieſe Malereyen von denen des Filippino, der etwa um vierzig Jahre ſpaͤter das noch Feh- lende ergaͤnzt hat, zunaͤchſt durch den Aufdruck eines ſtrenge- ren, auf Ernſt und ſittliche Wuͤrde gerichteten Sinnes; denn der juͤngere Filippo war wohl ein großes, doch leichtes und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/264
Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/264>, abgerufen am 25.11.2024.