vorgehende Rundung angeht, sichtlich noch in der Manier der späteren Giottesken ausgeführt. Hingegen sind die noch übri- gen drey Abtheilungen der Altarwand, ferner die ganze Sei- tenwand zur Linken, mit Ausnahme einer späteren Ergänzung in der Mitte der unteren Abtheilung, nach derselben Autorität sämmtlich Arbeiten des Masaccio. In der That verkündet sich in letztgenannter Reihe von Darstellungen überall derselbe Geist, dasselbe Wollen; auch erkennt man darin, wenn man bey je- nen drey Geschichten der Altarwand anhebt, die ersten Regun- gen des Bestrebens nach Rundung in den hier noch leichter gehaltenen und farbigeren Schatten, hingegen an der oberen bis auf den Pfeiler am Eingang durchgeführten Abtheilung steigenden Muth, da die Schatten hier schon bisweilen ins Schwärzliche, wie die Lichter ins Kreidige übergehn, aber auch Unsicherheit und den Fehlgriff, die Höhe der Lichter nicht in die Mitte, sondern an den Rand der Formen zu bringen, was diesen durchhin ein gewisses Ansehn von Schiefheit giebt. In der Folge aber scheint der Künstler bey Ausführung der unteren, unvollendet gebliebenen Abtheilung derselben Wand einem richtigen Verständniß des Grundsatzes der Rundung schon näher zu kommen und eben daher der Ueberhöhung der Lichter, der Schwärze der Schatten nicht mehr in dem Maße, als früherhin, zu bedürfen. -- Diese flüchtig angedeuteten Um- stände gewähren, wie es einleuchten muß, den Angaben des Vasari eine ungewöhnliche Glaubwürdigkeit.
Nun unterscheiden sich diese Malereyen von denen des Filippino, der etwa um vierzig Jahre später das noch Feh- lende ergänzt hat, zunächst durch den Aufdruck eines strenge- ren, auf Ernst und sittliche Würde gerichteten Sinnes; denn der jüngere Filippo war wohl ein großes, doch leichtes und
vorgehende Rundung angeht, ſichtlich noch in der Manier der ſpaͤteren Giottesken ausgefuͤhrt. Hingegen ſind die noch uͤbri- gen drey Abtheilungen der Altarwand, ferner die ganze Sei- tenwand zur Linken, mit Ausnahme einer ſpaͤteren Ergaͤnzung in der Mitte der unteren Abtheilung, nach derſelben Autoritaͤt ſaͤmmtlich Arbeiten des Maſaccio. In der That verkuͤndet ſich in letztgenannter Reihe von Darſtellungen uͤberall derſelbe Geiſt, daſſelbe Wollen; auch erkennt man darin, wenn man bey je- nen drey Geſchichten der Altarwand anhebt, die erſten Regun- gen des Beſtrebens nach Rundung in den hier noch leichter gehaltenen und farbigeren Schatten, hingegen an der oberen bis auf den Pfeiler am Eingang durchgefuͤhrten Abtheilung ſteigenden Muth, da die Schatten hier ſchon bisweilen ins Schwaͤrzliche, wie die Lichter ins Kreidige uͤbergehn, aber auch Unſicherheit und den Fehlgriff, die Hoͤhe der Lichter nicht in die Mitte, ſondern an den Rand der Formen zu bringen, was dieſen durchhin ein gewiſſes Anſehn von Schiefheit giebt. In der Folge aber ſcheint der Kuͤnſtler bey Ausfuͤhrung der unteren, unvollendet gebliebenen Abtheilung derſelben Wand einem richtigen Verſtaͤndniß des Grundſatzes der Rundung ſchon naͤher zu kommen und eben daher der Ueberhoͤhung der Lichter, der Schwaͤrze der Schatten nicht mehr in dem Maße, als fruͤherhin, zu beduͤrfen. — Dieſe fluͤchtig angedeuteten Um- ſtaͤnde gewaͤhren, wie es einleuchten muß, den Angaben des Vaſari eine ungewoͤhnliche Glaubwuͤrdigkeit.
Nun unterſcheiden ſich dieſe Malereyen von denen des Filippino, der etwa um vierzig Jahre ſpaͤter das noch Feh- lende ergaͤnzt hat, zunaͤchſt durch den Aufdruck eines ſtrenge- ren, auf Ernſt und ſittliche Wuͤrde gerichteten Sinnes; denn der juͤngere Filippo war wohl ein großes, doch leichtes und
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vorgehende Rundung angeht, ſichtlich noch in der Manier der
ſpaͤteren Giottesken ausgefuͤhrt. Hingegen ſind die noch uͤbri-
gen drey Abtheilungen der Altarwand, ferner die ganze Sei-
tenwand zur Linken, mit Ausnahme einer ſpaͤteren Ergaͤnzung
in der Mitte der unteren Abtheilung, nach derſelben Autoritaͤt
ſaͤmmtlich Arbeiten des Maſaccio. In der That verkuͤndet ſich
in letztgenannter Reihe von Darſtellungen uͤberall derſelbe Geiſt,
daſſelbe Wollen; auch erkennt man darin, wenn man bey je-
nen drey Geſchichten der Altarwand anhebt, die erſten Regun-
gen des Beſtrebens nach Rundung in den hier noch leichter
gehaltenen und farbigeren Schatten, hingegen an der oberen
bis auf den Pfeiler am Eingang durchgefuͤhrten Abtheilung
ſteigenden Muth, da die Schatten hier ſchon bisweilen ins
Schwaͤrzliche, wie die Lichter ins Kreidige uͤbergehn, aber
auch Unſicherheit und den Fehlgriff, die Hoͤhe der Lichter nicht
in die Mitte, ſondern an den Rand der Formen zu bringen,
was dieſen durchhin ein gewiſſes Anſehn von Schiefheit giebt.
In der Folge aber ſcheint der Kuͤnſtler bey Ausfuͤhrung der
unteren, unvollendet gebliebenen Abtheilung derſelben Wand
einem richtigen Verſtaͤndniß des Grundſatzes der Rundung
ſchon naͤher zu kommen und eben daher der Ueberhoͤhung der
Lichter, der Schwaͤrze der Schatten nicht mehr in dem Maße,
als fruͤherhin, zu beduͤrfen. — Dieſe fluͤchtig angedeuteten Um-
ſtaͤnde gewaͤhren, wie es einleuchten muß, den Angaben des
Vaſari eine ungewoͤhnliche Glaubwuͤrdigkeit.
Nun unterſcheiden ſich dieſe Malereyen von denen des
Filippino, der etwa um vierzig Jahre ſpaͤter das noch Feh-
lende ergaͤnzt hat, zunaͤchſt durch den Aufdruck eines ſtrenge-
ren, auf Ernſt und ſittliche Wuͤrde gerichteten Sinnes; denn
der juͤngere Filippo war wohl ein großes, doch leichtes und
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/264>, abgerufen am 25.11.2024.
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