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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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res Künstlers berichtet, begründet sey, oder auch nicht, so er-
giebt sich doch andererseits aus der Vergleichung seiner Anga-
ben mit den Gemälden der Kappelle Brancacci, bey den Car-
melitern zu Florenz, daß er die letzten mit künstlerischem
Scharfblicke betrachtet hat und was er darin dem Masaccio
beygemessen, auf das genaueste sowohl von den Arbeiten eines
früheren, als auch von denen eines ungleich späteren Malers,
des Filippino, unterschied. Demungeachtet hat man nach dem
verbreiteten Wahne, daß es möglich sey, den Vasari (dessen
Angaben ungeprüft weder anzunehmen, noch zu verwerfen sind)
schon nach dem bloßen Gefühle zu berichtigen, auch hier seine
Bestimmungen umwerfen und durch neue, ganz willkührliche
ersetzen wollen. Hiebey versäumte man, sowohl die Feststel-
lung allgemeinerer Voraussetzungen, als selbst die unumgäng-
liche Vergleichung der Angaben des Vasari, welche in drey
verschiedenen Lebensbeschreibungen verstreut sind. *)

Nach diesem Schriftsteller malte Masolino da Panicale
(ein Name, welcher mir bis dahin in älteren Quellen nicht
vorgekommen ist) die gegenwärtig erneute Decke der Kappelle;
ferner an der Wand hinter dem Altare oben zur Linken die
Predigt des Hl. Petrus; endlich, an der Seitenwand dem Ein-
tretenden zur Rechten, die obere Abtheilung. Masolino ist,
nach Vasari, ein naher Vorläufer des Masaccio; und in der
That sind die erwähnten Malereyen, wie sie immer durch
stärkere Bezeichnung der Gesichtszüge, durch nicht unglücklich
in Perspectiv gebrachte Gebäude und Anderes die hereinbre-
chende zweyte Erneuerung der malerischen Darstellung ankün-
digen mögen, doch, was die Schattengebung und daraus her-

*) Vita, di Masolino, di Masaccio, di Fil. Lippi.

res Kuͤnſtlers berichtet, begruͤndet ſey, oder auch nicht, ſo er-
giebt ſich doch andererſeits aus der Vergleichung ſeiner Anga-
ben mit den Gemaͤlden der Kappelle Brancacci, bey den Car-
melitern zu Florenz, daß er die letzten mit kuͤnſtleriſchem
Scharfblicke betrachtet hat und was er darin dem Maſaccio
beygemeſſen, auf das genaueſte ſowohl von den Arbeiten eines
fruͤheren, als auch von denen eines ungleich ſpaͤteren Malers,
des Filippino, unterſchied. Demungeachtet hat man nach dem
verbreiteten Wahne, daß es moͤglich ſey, den Vaſari (deſſen
Angaben ungepruͤft weder anzunehmen, noch zu verwerfen ſind)
ſchon nach dem bloßen Gefuͤhle zu berichtigen, auch hier ſeine
Beſtimmungen umwerfen und durch neue, ganz willkuͤhrliche
erſetzen wollen. Hiebey verſaͤumte man, ſowohl die Feſtſtel-
lung allgemeinerer Vorausſetzungen, als ſelbſt die unumgaͤng-
liche Vergleichung der Angaben des Vaſari, welche in drey
verſchiedenen Lebensbeſchreibungen verſtreut ſind. *)

Nach dieſem Schriftſteller malte Maſolino da Panicale
(ein Name, welcher mir bis dahin in aͤlteren Quellen nicht
vorgekommen iſt) die gegenwaͤrtig erneute Decke der Kappelle;
ferner an der Wand hinter dem Altare oben zur Linken die
Predigt des Hl. Petrus; endlich, an der Seitenwand dem Ein-
tretenden zur Rechten, die obere Abtheilung. Maſolino iſt,
nach Vaſari, ein naher Vorlaͤufer des Maſaccio; und in der
That ſind die erwaͤhnten Malereyen, wie ſie immer durch
ſtaͤrkere Bezeichnung der Geſichtszuͤge, durch nicht ungluͤcklich
in Perſpectiv gebrachte Gebaͤude und Anderes die hereinbre-
chende zweyte Erneuerung der maleriſchen Darſtellung ankuͤn-
digen moͤgen, doch, was die Schattengebung und daraus her-

*) Vita, di Masolino, di Masaccio, di Fil. Lippi.
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[245/0263] res Kuͤnſtlers berichtet, begruͤndet ſey, oder auch nicht, ſo er- giebt ſich doch andererſeits aus der Vergleichung ſeiner Anga- ben mit den Gemaͤlden der Kappelle Brancacci, bey den Car- melitern zu Florenz, daß er die letzten mit kuͤnſtleriſchem Scharfblicke betrachtet hat und was er darin dem Maſaccio beygemeſſen, auf das genaueſte ſowohl von den Arbeiten eines fruͤheren, als auch von denen eines ungleich ſpaͤteren Malers, des Filippino, unterſchied. Demungeachtet hat man nach dem verbreiteten Wahne, daß es moͤglich ſey, den Vaſari (deſſen Angaben ungepruͤft weder anzunehmen, noch zu verwerfen ſind) ſchon nach dem bloßen Gefuͤhle zu berichtigen, auch hier ſeine Beſtimmungen umwerfen und durch neue, ganz willkuͤhrliche erſetzen wollen. Hiebey verſaͤumte man, ſowohl die Feſtſtel- lung allgemeinerer Vorausſetzungen, als ſelbſt die unumgaͤng- liche Vergleichung der Angaben des Vaſari, welche in drey verſchiedenen Lebensbeſchreibungen verſtreut ſind. *) Nach dieſem Schriftſteller malte Maſolino da Panicale (ein Name, welcher mir bis dahin in aͤlteren Quellen nicht vorgekommen iſt) die gegenwaͤrtig erneute Decke der Kappelle; ferner an der Wand hinter dem Altare oben zur Linken die Predigt des Hl. Petrus; endlich, an der Seitenwand dem Ein- tretenden zur Rechten, die obere Abtheilung. Maſolino iſt, nach Vaſari, ein naher Vorlaͤufer des Maſaccio; und in der That ſind die erwaͤhnten Malereyen, wie ſie immer durch ſtaͤrkere Bezeichnung der Geſichtszuͤge, durch nicht ungluͤcklich in Perſpectiv gebrachte Gebaͤude und Anderes die hereinbre- chende zweyte Erneuerung der maleriſchen Darſtellung ankuͤn- digen moͤgen, doch, was die Schattengebung und daraus her- *) Vita, di Masolino, di Masaccio, di Fil. Lippi.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/263>, abgerufen am 17.05.2024.