Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

keine Achtung erwarb, da Ghiberti sein Verzeichniß trefflicher
Maler nicht über den Arcagno und Giottino hinausführt, sei-
nen näheren Vorgängern und Zeitgenossen keine Zeile widmet,
und die große Epoche der toscanischen Malerey ganz unzwey-
deutig in die Vergangenheit versetzt *).

Gewiß war Ghiberti, als Kenner der Malerey betrachtet,
höchst befangen in der Bewunderung der alten florentinischen
Maler, da er diese den Künstlern des classischen Alterthumes
an die Seite stellte, was doch, aus seinem eigenen, so ganz
technischen Standpuncte angesehn, als eine bloße Verblendung
erscheinen muß. Indeß liegt das Vorbild der Bildnerey nun
einmal ganz außerhalb des Malerischen, und es war mithin
für die Entwickelung der Bildnerkunst ohne allen Belang, ob
er selbst, ob seine Handwerksgenossen die Vorurtheile der Ma-
ler theilten, oder auch nicht. Aus dieser Unabhängigkeit von
beschränkenden Vorbildern in Dingen der Manier und Dar-
stellung erkläre ich mir, daß die florentinischen Bildner, inmit-
ten der kümmerlichsten Fortübung angelernter malerischer
Handhabungen, seit dem Jahre 1400, in der Auffassung der
Formen, wie in der Handhabung ihres Stoffes, so unermeß-
liche Fortschritte gemacht, daß ihre besten Leistungen, wenig-
stens das zweyte Thor des Ghiberti, von allen Kennern den
größten und unerreichbarsten Werken beygezählt werden. In
diesem Ereignisse sehe ich auf der anderen Seite einen unum-
stößlichen Erweis der schon mehrmal hingeworfenen Behaup-
tung: daß die Malerey zu Florenz um das Jahr 1400, nicht
aus Abnahme des Talentes und Geistes, noch aus anderen

*) Cod. cit. wo überall, sowohl in den allgemeinen, als in den
besonderen Andeutungen: fu, ebbe etc.

keine Achtung erwarb, da Ghiberti ſein Verzeichniß trefflicher
Maler nicht uͤber den Arcagno und Giottino hinausfuͤhrt, ſei-
nen naͤheren Vorgaͤngern und Zeitgenoſſen keine Zeile widmet,
und die große Epoche der toscaniſchen Malerey ganz unzwey-
deutig in die Vergangenheit verſetzt *).

Gewiß war Ghiberti, als Kenner der Malerey betrachtet,
hoͤchſt befangen in der Bewunderung der alten florentiniſchen
Maler, da er dieſe den Kuͤnſtlern des claſſiſchen Alterthumes
an die Seite ſtellte, was doch, aus ſeinem eigenen, ſo ganz
techniſchen Standpuncte angeſehn, als eine bloße Verblendung
erſcheinen muß. Indeß liegt das Vorbild der Bildnerey nun
einmal ganz außerhalb des Maleriſchen, und es war mithin
fuͤr die Entwickelung der Bildnerkunſt ohne allen Belang, ob
er ſelbſt, ob ſeine Handwerksgenoſſen die Vorurtheile der Ma-
ler theilten, oder auch nicht. Aus dieſer Unabhaͤngigkeit von
beſchraͤnkenden Vorbildern in Dingen der Manier und Dar-
ſtellung erklaͤre ich mir, daß die florentiniſchen Bildner, inmit-
ten der kuͤmmerlichſten Fortuͤbung angelernter maleriſcher
Handhabungen, ſeit dem Jahre 1400, in der Auffaſſung der
Formen, wie in der Handhabung ihres Stoffes, ſo unermeß-
liche Fortſchritte gemacht, daß ihre beſten Leiſtungen, wenig-
ſtens das zweyte Thor des Ghiberti, von allen Kennern den
groͤßten und unerreichbarſten Werken beygezaͤhlt werden. In
dieſem Ereigniſſe ſehe ich auf der anderen Seite einen unum-
ſtoͤßlichen Erweis der ſchon mehrmal hingeworfenen Behaup-
tung: daß die Malerey zu Florenz um das Jahr 1400, nicht
aus Abnahme des Talentes und Geiſtes, noch aus anderen

*) Cod. cit. wo uͤberall, ſowohl in den allgemeinen, als in den
beſonderen Andeutungen: fu, ebbe etc.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0249" n="231"/>
keine Achtung erwarb, da <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118539086">Ghiberti</persName> &#x017F;ein Verzeichniß trefflicher<lb/>
Maler nicht u&#x0364;ber den <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119065037">Arcagno</persName> und <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118983342 ">Giottino</persName> hinausfu&#x0364;hrt, &#x017F;ei-<lb/>
nen na&#x0364;heren Vorga&#x0364;ngern und Zeitgeno&#x017F;&#x017F;en keine Zeile widmet,<lb/>
und die große Epoche der toscani&#x017F;chen Malerey ganz unzwey-<lb/>
deutig in die Vergangenheit ver&#x017F;etzt <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#aq">Cod. cit.</hi> wo u&#x0364;berall, &#x017F;owohl in den allgemeinen, als in den<lb/>
be&#x017F;onderen Andeutungen: <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">fu, ebbe</hi> etc.</hi></note>.</p><lb/>
          <p>Gewiß war <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118539086">Ghiberti</persName>, als Kenner der Malerey betrachtet,<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;t befangen in der Bewunderung der alten florentini&#x017F;chen<lb/>
Maler, da er die&#x017F;e den Ku&#x0364;n&#x017F;tlern des cla&#x017F;&#x017F;i&#x017F;chen Alterthumes<lb/>
an die Seite &#x017F;tellte, was doch, aus &#x017F;einem eigenen, &#x017F;o ganz<lb/>
techni&#x017F;chen Standpuncte ange&#x017F;ehn, als eine bloße Verblendung<lb/>
er&#x017F;cheinen muß. Indeß liegt das Vorbild der Bildnerey nun<lb/>
einmal ganz außerhalb des Maleri&#x017F;chen, und es war mithin<lb/>
fu&#x0364;r die Entwickelung der Bildnerkun&#x017F;t ohne allen Belang, ob<lb/>
er &#x017F;elb&#x017F;t, ob &#x017F;eine Handwerksgeno&#x017F;&#x017F;en die Vorurtheile der Ma-<lb/>
ler theilten, oder auch nicht. Aus die&#x017F;er Unabha&#x0364;ngigkeit von<lb/>
be&#x017F;chra&#x0364;nkenden Vorbildern in Dingen der Manier und Dar-<lb/>
&#x017F;tellung erkla&#x0364;re ich mir, daß die florentini&#x017F;chen Bildner, inmit-<lb/>
ten der ku&#x0364;mmerlich&#x017F;ten Fortu&#x0364;bung angelernter maleri&#x017F;cher<lb/>
Handhabungen, &#x017F;eit dem Jahre 1400, in der Auffa&#x017F;&#x017F;ung der<lb/>
Formen, wie in der Handhabung ihres Stoffes, &#x017F;o unermeß-<lb/>
liche Fort&#x017F;chritte gemacht, daß ihre be&#x017F;ten Lei&#x017F;tungen, wenig-<lb/>
&#x017F;tens das zweyte Thor des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118539086">Ghiberti</persName>, von allen Kennern den<lb/>
gro&#x0364;ßten und unerreichbar&#x017F;ten Werken beygeza&#x0364;hlt werden. In<lb/>
die&#x017F;em Ereigni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ehe ich auf der anderen Seite einen unum-<lb/>
&#x017F;to&#x0364;ßlichen Erweis der &#x017F;chon mehrmal hingeworfenen Behaup-<lb/>
tung: daß die Malerey zu <placeName>Florenz</placeName> um das Jahr 1400, nicht<lb/>
aus Abnahme des Talentes und Gei&#x017F;tes, noch aus anderen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[231/0249] keine Achtung erwarb, da Ghiberti ſein Verzeichniß trefflicher Maler nicht uͤber den Arcagno und Giottino hinausfuͤhrt, ſei- nen naͤheren Vorgaͤngern und Zeitgenoſſen keine Zeile widmet, und die große Epoche der toscaniſchen Malerey ganz unzwey- deutig in die Vergangenheit verſetzt *). Gewiß war Ghiberti, als Kenner der Malerey betrachtet, hoͤchſt befangen in der Bewunderung der alten florentiniſchen Maler, da er dieſe den Kuͤnſtlern des claſſiſchen Alterthumes an die Seite ſtellte, was doch, aus ſeinem eigenen, ſo ganz techniſchen Standpuncte angeſehn, als eine bloße Verblendung erſcheinen muß. Indeß liegt das Vorbild der Bildnerey nun einmal ganz außerhalb des Maleriſchen, und es war mithin fuͤr die Entwickelung der Bildnerkunſt ohne allen Belang, ob er ſelbſt, ob ſeine Handwerksgenoſſen die Vorurtheile der Ma- ler theilten, oder auch nicht. Aus dieſer Unabhaͤngigkeit von beſchraͤnkenden Vorbildern in Dingen der Manier und Dar- ſtellung erklaͤre ich mir, daß die florentiniſchen Bildner, inmit- ten der kuͤmmerlichſten Fortuͤbung angelernter maleriſcher Handhabungen, ſeit dem Jahre 1400, in der Auffaſſung der Formen, wie in der Handhabung ihres Stoffes, ſo unermeß- liche Fortſchritte gemacht, daß ihre beſten Leiſtungen, wenig- ſtens das zweyte Thor des Ghiberti, von allen Kennern den groͤßten und unerreichbarſten Werken beygezaͤhlt werden. In dieſem Ereigniſſe ſehe ich auf der anderen Seite einen unum- ſtoͤßlichen Erweis der ſchon mehrmal hingeworfenen Behaup- tung: daß die Malerey zu Florenz um das Jahr 1400, nicht aus Abnahme des Talentes und Geiſtes, noch aus anderen *) Cod. cit. wo uͤberall, ſowohl in den allgemeinen, als in den beſonderen Andeutungen: fu, ebbe etc.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/249
Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/249>, abgerufen am 05.05.2024.