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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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serung, Weiterung und Verstärkung zeigten, während ihr Ta-
lent an allen anderen Stellen mehr Anerkennung und Förde-
rung fand, als eben zu Florenz, der reichsten und mächtigsten
Stadt des damaligen Festlandes von Italien: erwärmte man
sich dort hinsichtlich der Malerey an dem Ruhme und an
den nachgelassenen Werken der älteren florentinischen Meister.
Von jeher hat das Vorurtheil, oder die Meinung, in irgend
einer Sache das Beste und erreichbar Höchste erlebt zu haben,
augenblickliche Hemmungen hervorgerufen. Auf der einen
Seite entkräften solche Täuschungen einen der wichtigsten He-
bel menschlicher Leistungen, den örtlichen oder nationalen Ehr-
geiz, indem sie ein falsches und trügerisches Selbstgefühl her-
vorrufen, edle und wirksame Ruhmbegier durch lähmenden,
abdumpfenden Stolz verdrängen. Andererseits gewähren sie
der Trägheit des Geistes eine willkommene Ruhe, setzen sie
der Schwäche scheinbar unübersteigliche Grenzen entgegen und
bewirken so, auf alle Weise hemmend, lähmend und nieder-
schlagend, jene Epochen langweiligen Wiederkäuens und Nach-
äffens, welche in der Literärgeschichte deutlicher wahrgenom-
men, oder schonungsloser bezeichnet werden, als in der Kunst-
geschichte, worin diese Rubrik bisher noch nicht eröffnet wor-
den ist.

Die Florentiner, obwohl durch ihre Richtung auf Be-
obachtung angewiesen, hatten dennoch, wie ich oben gezeigt
habe, den Blick längst vom sie umgebenden Leben und Wir-
ken abgelenkt, ihren Gesichtskreis ganz auf die Werke ihrer
nahen Vorgänger eingeschränkt. Durch Nachahmung schon
aufgefundener, an sich selbst nicht eben schwieriger Manieren
waren sie um das Jahr 1400 zu jener leeren Leichtigkeit der
Handhabung gelangt, welche ihnen Brodt, doch wie es scheint,

ſerung, Weiterung und Verſtaͤrkung zeigten, waͤhrend ihr Ta-
lent an allen anderen Stellen mehr Anerkennung und Foͤrde-
rung fand, als eben zu Florenz, der reichſten und maͤchtigſten
Stadt des damaligen Feſtlandes von Italien: erwaͤrmte man
ſich dort hinſichtlich der Malerey an dem Ruhme und an
den nachgelaſſenen Werken der aͤlteren florentiniſchen Meiſter.
Von jeher hat das Vorurtheil, oder die Meinung, in irgend
einer Sache das Beſte und erreichbar Hoͤchſte erlebt zu haben,
augenblickliche Hemmungen hervorgerufen. Auf der einen
Seite entkraͤften ſolche Taͤuſchungen einen der wichtigſten He-
bel menſchlicher Leiſtungen, den oͤrtlichen oder nationalen Ehr-
geiz, indem ſie ein falſches und truͤgeriſches Selbſtgefuͤhl her-
vorrufen, edle und wirkſame Ruhmbegier durch laͤhmenden,
abdumpfenden Stolz verdraͤngen. Andererſeits gewaͤhren ſie
der Traͤgheit des Geiſtes eine willkommene Ruhe, ſetzen ſie
der Schwaͤche ſcheinbar unuͤberſteigliche Grenzen entgegen und
bewirken ſo, auf alle Weiſe hemmend, laͤhmend und nieder-
ſchlagend, jene Epochen langweiligen Wiederkaͤuens und Nach-
aͤffens, welche in der Literaͤrgeſchichte deutlicher wahrgenom-
men, oder ſchonungsloſer bezeichnet werden, als in der Kunſt-
geſchichte, worin dieſe Rubrik bisher noch nicht eroͤffnet wor-
den iſt.

Die Florentiner, obwohl durch ihre Richtung auf Be-
obachtung angewieſen, hatten dennoch, wie ich oben gezeigt
habe, den Blick laͤngſt vom ſie umgebenden Leben und Wir-
ken abgelenkt, ihren Geſichtskreis ganz auf die Werke ihrer
nahen Vorgaͤnger eingeſchraͤnkt. Durch Nachahmung ſchon
aufgefundener, an ſich ſelbſt nicht eben ſchwieriger Manieren
waren ſie um das Jahr 1400 zu jener leeren Leichtigkeit der
Handhabung gelangt, welche ihnen Brodt, doch wie es ſcheint,

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[230/0248] ſerung, Weiterung und Verſtaͤrkung zeigten, waͤhrend ihr Ta- lent an allen anderen Stellen mehr Anerkennung und Foͤrde- rung fand, als eben zu Florenz, der reichſten und maͤchtigſten Stadt des damaligen Feſtlandes von Italien: erwaͤrmte man ſich dort hinſichtlich der Malerey an dem Ruhme und an den nachgelaſſenen Werken der aͤlteren florentiniſchen Meiſter. Von jeher hat das Vorurtheil, oder die Meinung, in irgend einer Sache das Beſte und erreichbar Hoͤchſte erlebt zu haben, augenblickliche Hemmungen hervorgerufen. Auf der einen Seite entkraͤften ſolche Taͤuſchungen einen der wichtigſten He- bel menſchlicher Leiſtungen, den oͤrtlichen oder nationalen Ehr- geiz, indem ſie ein falſches und truͤgeriſches Selbſtgefuͤhl her- vorrufen, edle und wirkſame Ruhmbegier durch laͤhmenden, abdumpfenden Stolz verdraͤngen. Andererſeits gewaͤhren ſie der Traͤgheit des Geiſtes eine willkommene Ruhe, ſetzen ſie der Schwaͤche ſcheinbar unuͤberſteigliche Grenzen entgegen und bewirken ſo, auf alle Weiſe hemmend, laͤhmend und nieder- ſchlagend, jene Epochen langweiligen Wiederkaͤuens und Nach- aͤffens, welche in der Literaͤrgeſchichte deutlicher wahrgenom- men, oder ſchonungsloſer bezeichnet werden, als in der Kunſt- geſchichte, worin dieſe Rubrik bisher noch nicht eroͤffnet wor- den iſt. Die Florentiner, obwohl durch ihre Richtung auf Be- obachtung angewieſen, hatten dennoch, wie ich oben gezeigt habe, den Blick laͤngſt vom ſie umgebenden Leben und Wir- ken abgelenkt, ihren Geſichtskreis ganz auf die Werke ihrer nahen Vorgaͤnger eingeſchraͤnkt. Durch Nachahmung ſchon aufgefundener, an ſich ſelbſt nicht eben ſchwieriger Manieren waren ſie um das Jahr 1400 zu jener leeren Leichtigkeit der Handhabung gelangt, welche ihnen Brodt, doch wie es ſcheint,

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/248>, abgerufen am 06.05.2024.