fassen beynahe das ganze kirchliche, politische, kriegerische Le- ben jener Zeit. Ueber der Thüre nimmt die (s. unten) von den Verstiftern angeordnete Seeschlacht der Venezianer und Kaiserischen fast die ganze Breite der Wand ein. Noch höher, zur Linken, eine Zusammenkunft, aus welcher der Kaiser voll Zorn zu scheiden scheint; sein Affect, wie besonders der Un- wille seiner Begleiter und die Bitten der Prälaten, die Dinge nicht aufs Aeußerste zu treiben, sind in diesem Bilde meister- lich vergegenwärtigt. Dieses umfassende Werk entging dem Vasari, welcher hier, wie in seinen meisten Zeitbestimmungen, verwegen, oder ungewiß, auch unserem Künstler, oder doch sei- ner Wirksamkeit schon das Jahr 1400 zur Grenze setzte. Ei- nige andere Gemälde des Spinello, deren Vasari mit Lob erwähnt, sind untergegangen, oder doch so beschädigt, daß sie die Richtung und das Verdienst des Künstlers nicht mehr so ganz bewähren können. Von seiner Tafel bey den Domini- canern des Städtchens s. Miniato de' Tedeschi sind nur noch beschädigte Ueberreste vorhanden. Was er (nach Vasari) zu Pisa im campo santo gemalt hat, ist besser im Stande, doch von so viel Reisenden gesehn und durch das Kupferwerk des Lasinio allen Kunstfreunden so zugänglich geworden, daß ich darüber hinausgehn darf. Obwohl diese Arbeiten den oben beschriebenen nachstehn, so wird man dennoch auch hier das Bestreben erkennen, schärfer zu charakterisiren, als bis da- hin üblich war. Vortrefflich erhalten sind die Wandgemälde der Sacristey im Kloster s. Miniato a Monte bey Florenz, welche Vasari, ich glaube mit Grund, dem Spinello beylegt.
Während solchergestalt ein Sieneser, ein Aretiner, ein (wie es scheint) ausgewanderter Florentiner, in der Auffassung eigenthümlichen Geist, in der Darstellung Streben nach Bes-
faſſen beynahe das ganze kirchliche, politiſche, kriegeriſche Le- ben jener Zeit. Ueber der Thuͤre nimmt die (ſ. unten) von den Verſtiftern angeordnete Seeſchlacht der Venezianer und Kaiſeriſchen faſt die ganze Breite der Wand ein. Noch hoͤher, zur Linken, eine Zuſammenkunft, aus welcher der Kaiſer voll Zorn zu ſcheiden ſcheint; ſein Affect, wie beſonders der Un- wille ſeiner Begleiter und die Bitten der Praͤlaten, die Dinge nicht aufs Aeußerſte zu treiben, ſind in dieſem Bilde meiſter- lich vergegenwaͤrtigt. Dieſes umfaſſende Werk entging dem Vaſari, welcher hier, wie in ſeinen meiſten Zeitbeſtimmungen, verwegen, oder ungewiß, auch unſerem Kuͤnſtler, oder doch ſei- ner Wirkſamkeit ſchon das Jahr 1400 zur Grenze ſetzte. Ei- nige andere Gemaͤlde des Spinello, deren Vaſari mit Lob erwaͤhnt, ſind untergegangen, oder doch ſo beſchaͤdigt, daß ſie die Richtung und das Verdienſt des Kuͤnſtlers nicht mehr ſo ganz bewaͤhren koͤnnen. Von ſeiner Tafel bey den Domini- canern des Staͤdtchens ſ. Miniato de’ Tedeschi ſind nur noch beſchaͤdigte Ueberreſte vorhanden. Was er (nach Vaſari) zu Piſa im campo santo gemalt hat, iſt beſſer im Stande, doch von ſo viel Reiſenden geſehn und durch das Kupferwerk des Laſinio allen Kunſtfreunden ſo zugaͤnglich geworden, daß ich daruͤber hinausgehn darf. Obwohl dieſe Arbeiten den oben beſchriebenen nachſtehn, ſo wird man dennoch auch hier das Beſtreben erkennen, ſchaͤrfer zu charakteriſiren, als bis da- hin uͤblich war. Vortrefflich erhalten ſind die Wandgemaͤlde der Sacriſtey im Kloſter ſ. Miniato a Monte bey Florenz, welche Vaſari, ich glaube mit Grund, dem Spinello beylegt.
Waͤhrend ſolchergeſtalt ein Sieneſer, ein Aretiner, ein (wie es ſcheint) ausgewanderter Florentiner, in der Auffaſſung eigenthuͤmlichen Geiſt, in der Darſtellung Streben nach Beſ-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0247"n="229"/>
faſſen beynahe das ganze kirchliche, politiſche, kriegeriſche Le-<lb/>
ben jener Zeit. Ueber der Thuͤre nimmt die (ſ. unten) von<lb/>
den Verſtiftern angeordnete Seeſchlacht der Venezianer und<lb/>
Kaiſeriſchen faſt die ganze Breite der Wand ein. Noch hoͤher,<lb/>
zur Linken, eine Zuſammenkunft, aus welcher der Kaiſer voll<lb/>
Zorn zu ſcheiden ſcheint; ſein Affect, wie beſonders der Un-<lb/>
wille ſeiner Begleiter und die Bitten der Praͤlaten, die Dinge<lb/>
nicht aufs Aeußerſte zu treiben, ſind in dieſem Bilde meiſter-<lb/>
lich vergegenwaͤrtigt. Dieſes umfaſſende Werk entging dem<lb/><persNameref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Vaſari</persName>, welcher hier, wie in ſeinen meiſten Zeitbeſtimmungen,<lb/>
verwegen, oder ungewiß, auch unſerem Kuͤnſtler, oder doch ſei-<lb/>
ner Wirkſamkeit ſchon das Jahr 1400 zur Grenze ſetzte. Ei-<lb/>
nige andere Gemaͤlde des <persNameref="http://d-nb.info/gnd/121174468">Spinello</persName>, deren <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Vaſari</persName> mit Lob<lb/>
erwaͤhnt, ſind untergegangen, oder doch ſo beſchaͤdigt, daß ſie<lb/>
die Richtung und das Verdienſt des Kuͤnſtlers nicht mehr ſo<lb/>
ganz bewaͤhren koͤnnen. Von ſeiner Tafel bey den Domini-<lb/>
canern des Staͤdtchens <placeName>ſ. Miniato de’ Tedeschi</placeName>ſind nur noch<lb/>
beſchaͤdigte Ueberreſte vorhanden. Was er (nach <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Vaſari</persName>) zu<lb/><placeName>Piſa</placeName> im <hirendition="#aq">campo santo</hi> gemalt hat, iſt beſſer im Stande,<lb/>
doch von ſo viel Reiſenden geſehn und durch das Kupferwerk<lb/>
des <persNameref="http://d-nb.info/gnd/119199165">Laſinio</persName> allen Kunſtfreunden ſo zugaͤnglich geworden, daß<lb/>
ich daruͤber hinausgehn darf. Obwohl dieſe Arbeiten den<lb/>
oben beſchriebenen nachſtehn, ſo wird man dennoch auch hier<lb/>
das Beſtreben erkennen, ſchaͤrfer zu charakteriſiren, als bis da-<lb/>
hin uͤblich war. Vortrefflich erhalten ſind die Wandgemaͤlde<lb/>
der Sacriſtey im Kloſter ſ. Miniato a Monte bey <placeName>Florenz</placeName>,<lb/>
welche <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Vaſari</persName>, ich glaube mit Grund, dem <persNameref="http://d-nb.info/gnd/121174468">Spinello</persName> beylegt.</p><lb/><p>Waͤhrend ſolchergeſtalt ein Sieneſer, ein Aretiner, ein<lb/>
(wie es ſcheint) ausgewanderter Florentiner, in der Auffaſſung<lb/>
eigenthuͤmlichen Geiſt, in der Darſtellung Streben nach Beſ-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[229/0247]
faſſen beynahe das ganze kirchliche, politiſche, kriegeriſche Le-
ben jener Zeit. Ueber der Thuͤre nimmt die (ſ. unten) von
den Verſtiftern angeordnete Seeſchlacht der Venezianer und
Kaiſeriſchen faſt die ganze Breite der Wand ein. Noch hoͤher,
zur Linken, eine Zuſammenkunft, aus welcher der Kaiſer voll
Zorn zu ſcheiden ſcheint; ſein Affect, wie beſonders der Un-
wille ſeiner Begleiter und die Bitten der Praͤlaten, die Dinge
nicht aufs Aeußerſte zu treiben, ſind in dieſem Bilde meiſter-
lich vergegenwaͤrtigt. Dieſes umfaſſende Werk entging dem
Vaſari, welcher hier, wie in ſeinen meiſten Zeitbeſtimmungen,
verwegen, oder ungewiß, auch unſerem Kuͤnſtler, oder doch ſei-
ner Wirkſamkeit ſchon das Jahr 1400 zur Grenze ſetzte. Ei-
nige andere Gemaͤlde des Spinello, deren Vaſari mit Lob
erwaͤhnt, ſind untergegangen, oder doch ſo beſchaͤdigt, daß ſie
die Richtung und das Verdienſt des Kuͤnſtlers nicht mehr ſo
ganz bewaͤhren koͤnnen. Von ſeiner Tafel bey den Domini-
canern des Staͤdtchens ſ. Miniato de’ Tedeschi ſind nur noch
beſchaͤdigte Ueberreſte vorhanden. Was er (nach Vaſari) zu
Piſa im campo santo gemalt hat, iſt beſſer im Stande,
doch von ſo viel Reiſenden geſehn und durch das Kupferwerk
des Laſinio allen Kunſtfreunden ſo zugaͤnglich geworden, daß
ich daruͤber hinausgehn darf. Obwohl dieſe Arbeiten den
oben beſchriebenen nachſtehn, ſo wird man dennoch auch hier
das Beſtreben erkennen, ſchaͤrfer zu charakteriſiren, als bis da-
hin uͤblich war. Vortrefflich erhalten ſind die Wandgemaͤlde
der Sacriſtey im Kloſter ſ. Miniato a Monte bey Florenz,
welche Vaſari, ich glaube mit Grund, dem Spinello beylegt.
Waͤhrend ſolchergeſtalt ein Sieneſer, ein Aretiner, ein
(wie es ſcheint) ausgewanderter Florentiner, in der Auffaſſung
eigenthuͤmlichen Geiſt, in der Darſtellung Streben nach Beſ-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/247>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.