Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.unterschieden sich aber auch die neueren Schulen, selbst als ähnlicher Bildungen zu erklären, auf der anderen aber allenthal- ben, wo wir in Statuen den verlängerten Unterleib, die verhält- nißmäßig kürzeren Beine erblicken, auf römische Arbeit zu schlie- ßen. -- Sogar Raphael vertauschte nach längerem Aufenthalte zu Rom die schlanken florentinischen und umbrischen Gestalten, welche wir in der Grablegung und Disputa sehen, gegen die gedrungene, kurze Bildung der Römer. *) Göthe, aus meinem Leben, zweiter Abtheilung, erster
Theil, S. 207. "Als ich bey hohem Sonnenschein, durch die Lagunen fuhr, und auf den Gondelrändern die Gondeliere leicht schwebend, bunt bekleidet, rudernd betrachtete, wie sie auf der hellgrünen Fläche sich in der blauen Luft zeichneten; so sah ich das beste, frischeste Bild der venetianischen Schule. Der Sonnenschein hob die Localfarben blendend hervor, und die Schattenseiten waren so licht, daß sie verhältnißmäßig wieder zu Lichtern hätten dienen können. Ein gleiches galt von dem Wiederscheinen des meergrünen Wassers. Alles war hell in Hell gemalt, so daß die schäumende Welle und die Blitzlichter darauf nöthig waren, um ein Tüpfchen aufs i zu setzen." Diese meisterlich herrliche Schilderung war, wenn sie einmal geraubt werden sollte, nicht wohl zu theilen und abzukürzen. -- Die auffallende Oertlichkeit der italienischen Städte- schulen (in Italien giebt es größere Verschiedenheiten der Abkunft und der climatischen Einwirkung als unter uns) fiel sogar einem italienischen Maler moderner Richtung, Hrn. Camoccini, auf, als er 1810 veranlaßt war, den Norden zu besuchen. -- Vergl. die geistreichen Winke über das Verhältniß des Rubens zur ihn um- gebenden Natur im Athenäum B. 1. Stck. 2. S. 47. -- Jomard (in Descr. des l'Egypte), sur les Momies des Hypogees de Thebes, fand die Knochenbildung der Mumien in Uebereinstimmung mit den Gestaltungen ägyptischer Kunst. In wie fern er richtig gesehen, ist wohl bey der Entlegenheit der Denkmale hier nicht mit Sicher- heit zu entscheiden. unterſchieden ſich aber auch die neueren Schulen, ſelbſt als aͤhnlicher Bildungen zu erklaͤren, auf der anderen aber allenthal- ben, wo wir in Statuen den verlaͤngerten Unterleib, die verhaͤlt- nißmaͤßig kuͤrzeren Beine erblicken, auf roͤmiſche Arbeit zu ſchlie- ßen. — Sogar Raphael vertauſchte nach laͤngerem Aufenthalte zu Rom die ſchlanken florentiniſchen und umbriſchen Geſtalten, welche wir in der Grablegung und Disputa ſehen, gegen die gedrungene, kurze Bildung der Roͤmer. *) Goͤthe, aus meinem Leben, zweiter Abtheilung, erſter
Theil, S. 207. „Als ich bey hohem Sonnenſchein, durch die Lagunen fuhr, und auf den Gondelraͤndern die Gondeliere leicht ſchwebend, bunt bekleidet, rudernd betrachtete, wie ſie auf der hellgruͤnen Flaͤche ſich in der blauen Luft zeichneten; ſo ſah ich das beſte, friſcheſte Bild der venetianiſchen Schule. Der Sonnenſchein hob die Localfarben blendend hervor, und die Schattenſeiten waren ſo licht, daß ſie verhaͤltnißmaͤßig wieder zu Lichtern haͤtten dienen koͤnnen. Ein gleiches galt von dem Wiederſcheinen des meergruͤnen Waſſers. Alles war hell in Hell gemalt, ſo daß die ſchaͤumende Welle und die Blitzlichter darauf noͤthig waren, um ein Tuͤpfchen aufs i zu ſetzen.“ Dieſe meiſterlich herrliche Schilderung war, wenn ſie einmal geraubt werden ſollte, nicht wohl zu theilen und abzukuͤrzen. — Die auffallende Oertlichkeit der italieniſchen Staͤdte- ſchulen (in Italien giebt es groͤßere Verſchiedenheiten der Abkunft und der climatiſchen Einwirkung als unter uns) fiel ſogar einem italieniſchen Maler moderner Richtung, Hrn. Camoccini, auf, als er 1810 veranlaßt war, den Norden zu beſuchen. — Vergl. die geiſtreichen Winke uͤber das Verhaͤltniß des Rubens zur ihn um- gebenden Natur im Athenaͤum B. 1. Stck. 2. S. 47. — Jomard (in Descr. des l’Egypte), sur les Momies des Hypogèes de Thèbes, fand die Knochenbildung der Mumien in Uebereinſtimmung mit den Geſtaltungen aͤgyptiſcher Kunſt. In wie fern er richtig geſehen, iſt wohl bey der Entlegenheit der Denkmale hier nicht mit Sicher- heit zu entſcheiden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0097" n="79"/> unterſchieden ſich aber auch die neueren Schulen, ſelbſt als<lb/> ſie noch in aͤhnlicher Richtung begriffen waren, durch den<lb/> Aufdruck der Oertlichkeit <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118540238">Goͤthe</persName></hi>, aus meinem Leben, zweiter Abtheilung, erſter<lb/> Theil, S. 207. „Als ich bey hohem Sonnenſchein, durch die<lb/> Lagunen fuhr, und auf den Gondelraͤndern die Gondeliere leicht<lb/> ſchwebend, bunt bekleidet, rudernd betrachtete, wie ſie auf der<lb/> hellgruͤnen Flaͤche ſich in der blauen Luft zeichneten; ſo ſah ich das<lb/> beſte, friſcheſte Bild der venetianiſchen Schule. Der Sonnenſchein<lb/> hob die Localfarben blendend hervor, und die Schattenſeiten waren<lb/> ſo licht, daß ſie verhaͤltnißmaͤßig wieder zu Lichtern haͤtten dienen<lb/> koͤnnen. Ein gleiches galt von dem Wiederſcheinen des meergruͤnen<lb/> Waſſers. Alles war hell in Hell gemalt, ſo daß die ſchaͤumende<lb/> Welle und die Blitzlichter darauf noͤthig waren, um ein Tuͤpfchen<lb/> aufs i zu ſetzen.“ Dieſe meiſterlich herrliche Schilderung war,<lb/> wenn ſie einmal geraubt werden ſollte, nicht wohl zu theilen und<lb/> abzukuͤrzen. — Die auffallende Oertlichkeit der italieniſchen Staͤdte-<lb/> ſchulen (in <placeName>Italien</placeName> giebt es groͤßere Verſchiedenheiten der Abkunft<lb/> und der climatiſchen Einwirkung als unter uns) fiel ſogar einem<lb/> italieniſchen Maler moderner Richtung, Hrn. <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/116436956">Camoccini</persName></hi>, auf,<lb/> als er 1810 veranlaßt war, den Norden zu beſuchen. — Vergl. die<lb/> geiſtreichen Winke uͤber das Verhaͤltniß des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/11860354X">Rubens</persName> zur ihn um-<lb/> gebenden Natur im Athenaͤum B. 1. Stck. 2. S. 47. — <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/117175048">Jomard</persName></hi><lb/><hi rendition="#aq">(in Descr. des l’<placeName>Egypte</placeName>), sur les Momies des Hypogèes de <placeName>Thèbes</placeName>,</hi><lb/> fand die Knochenbildung der Mumien in Uebereinſtimmung mit<lb/> den Geſtaltungen aͤgyptiſcher Kunſt. In wie fern er richtig geſehen,<lb/> iſt wohl bey der Entlegenheit der Denkmale hier nicht mit Sicher-<lb/> heit zu entſcheiden.</note>, ſo daß, wenn wir Copien und<lb/> Nachahmungen ausnehmen, welche eben dem aͤchten Barbaren<lb/><note xml:id="fn11a" prev="#fn10a" place="foot" n="*)">aͤhnlicher Bildungen zu erklaͤren, auf der anderen aber allenthal-<lb/> ben, wo wir in Statuen den verlaͤngerten Unterleib, die verhaͤlt-<lb/> nißmaͤßig kuͤrzeren Beine erblicken, auf roͤmiſche Arbeit zu ſchlie-<lb/> ßen. — Sogar <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphael</persName> vertauſchte nach laͤngerem Aufenthalte zu<lb/><placeName>Rom</placeName> die ſchlanken florentiniſchen und umbriſchen Geſtalten, welche<lb/> wir in der Grablegung und Disputa ſehen, gegen die gedrungene,<lb/> kurze Bildung der Roͤmer.</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [79/0097]
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ſie noch in aͤhnlicher Richtung begriffen waren, durch den
Aufdruck der Oertlichkeit *), ſo daß, wenn wir Copien und
Nachahmungen ausnehmen, welche eben dem aͤchten Barbaren
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*) Goͤthe, aus meinem Leben, zweiter Abtheilung, erſter
Theil, S. 207. „Als ich bey hohem Sonnenſchein, durch die
Lagunen fuhr, und auf den Gondelraͤndern die Gondeliere leicht
ſchwebend, bunt bekleidet, rudernd betrachtete, wie ſie auf der
hellgruͤnen Flaͤche ſich in der blauen Luft zeichneten; ſo ſah ich das
beſte, friſcheſte Bild der venetianiſchen Schule. Der Sonnenſchein
hob die Localfarben blendend hervor, und die Schattenſeiten waren
ſo licht, daß ſie verhaͤltnißmaͤßig wieder zu Lichtern haͤtten dienen
koͤnnen. Ein gleiches galt von dem Wiederſcheinen des meergruͤnen
Waſſers. Alles war hell in Hell gemalt, ſo daß die ſchaͤumende
Welle und die Blitzlichter darauf noͤthig waren, um ein Tuͤpfchen
aufs i zu ſetzen.“ Dieſe meiſterlich herrliche Schilderung war,
wenn ſie einmal geraubt werden ſollte, nicht wohl zu theilen und
abzukuͤrzen. — Die auffallende Oertlichkeit der italieniſchen Staͤdte-
ſchulen (in Italien giebt es groͤßere Verſchiedenheiten der Abkunft
und der climatiſchen Einwirkung als unter uns) fiel ſogar einem
italieniſchen Maler moderner Richtung, Hrn. Camoccini, auf,
als er 1810 veranlaßt war, den Norden zu beſuchen. — Vergl. die
geiſtreichen Winke uͤber das Verhaͤltniß des Rubens zur ihn um-
gebenden Natur im Athenaͤum B. 1. Stck. 2. S. 47. — Jomard
(in Descr. des l’Egypte), sur les Momies des Hypogèes de Thèbes,
fand die Knochenbildung der Mumien in Uebereinſtimmung mit
den Geſtaltungen aͤgyptiſcher Kunſt. In wie fern er richtig geſehen,
iſt wohl bey der Entlegenheit der Denkmale hier nicht mit Sicher-
heit zu entſcheiden.
*) aͤhnlicher Bildungen zu erklaͤren, auf der anderen aber allenthal-
ben, wo wir in Statuen den verlaͤngerten Unterleib, die verhaͤlt-
nißmaͤßig kuͤrzeren Beine erblicken, auf roͤmiſche Arbeit zu ſchlie-
ßen. — Sogar Raphael vertauſchte nach laͤngerem Aufenthalte zu
Rom die ſchlanken florentiniſchen und umbriſchen Geſtalten, welche
wir in der Grablegung und Disputa ſehen, gegen die gedrungene,
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