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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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liegt. -- Den Idealen unserer Philosophen und philosophiren-
den Dichter räumt man ein, daß sie von jener inneren Be-
lebung der Idee ausgehend, sich allgemach mit einem gewis-
sen Fleisch und Bein bekleiden, welches bekanntlich, theils
jener geschichtlichen Begriffs-Entwickelung angehört, welche
wir Sprache nennen, theils der Unterscheidung und Erkennt-
niß sowohl des Zufälligen, als des Gesetzmäßigen in den äu-
ßeren Dingen. Würden aber Philosophen und Dichter, welche
ihre Idee in einer Sprache von eigner Erfindung ausdrücken,
oder die Natur der Dinge umkehren wollten, unstreitig weder
verstanden, noch gebilligt werden; wie könnte man denn eben
dem Künstler, dessen Darstellung noch ungleich mehr Aus-
führlichkeit und Rundung bedarf, auflegen wollen, daß er die
Ideen, so in seiner Seele aufsteigen, oder geweckt werden,
mit durchaus selbsterfundenen Formen und Beziehungen be-
kleide? Freylich pflegt man diese Forderung, deren Ueberein-
stimmung mit den Ansichten der Manieristen zu deutlich in
den Sinn fällt, dadurch abzuändern, daß man dem Künstler
einräumt, entweder an allgemeine Naturgesetze sich an-
zuschließen, oder in den letzten Augenblicken der Vol-
lendung seiner Idealgestalt etwas Modell hinzu-
zunehmen
. Diese Modificationen indeß gehören in die Lehre
von der künstlerischen Aneignung der Naturformen, welche
wir besonders abhandeln wollen.

Wieder einen änderen Sinn hat Ideal in der Sprache
der Schönheitslehrer und Aesthetiker von Profession. Diesen
nemlich heißt Ideal (obwohl die Männer des Gefühls selten
vermögen, einen Begriff rein aufzufassen und unwandelbar
festzuhalten) im Durchschnitt weder, wie den Vernunftphilo-
sophen, die Verkörperung eines abstracten Begriffes, noch,

liegt. — Den Idealen unſerer Philoſophen und philoſophiren-
den Dichter raͤumt man ein, daß ſie von jener inneren Be-
lebung der Idee ausgehend, ſich allgemach mit einem gewiſ-
ſen Fleiſch und Bein bekleiden, welches bekanntlich, theils
jener geſchichtlichen Begriffs-Entwickelung angehoͤrt, welche
wir Sprache nennen, theils der Unterſcheidung und Erkennt-
niß ſowohl des Zufaͤlligen, als des Geſetzmaͤßigen in den aͤu-
ßeren Dingen. Wuͤrden aber Philoſophen und Dichter, welche
ihre Idee in einer Sprache von eigner Erfindung ausdruͤcken,
oder die Natur der Dinge umkehren wollten, unſtreitig weder
verſtanden, noch gebilligt werden; wie koͤnnte man denn eben
dem Kuͤnſtler, deſſen Darſtellung noch ungleich mehr Aus-
fuͤhrlichkeit und Rundung bedarf, auflegen wollen, daß er die
Ideen, ſo in ſeiner Seele aufſteigen, oder geweckt werden,
mit durchaus ſelbſterfundenen Formen und Beziehungen be-
kleide? Freylich pflegt man dieſe Forderung, deren Ueberein-
ſtimmung mit den Anſichten der Manieriſten zu deutlich in
den Sinn faͤllt, dadurch abzuaͤndern, daß man dem Kuͤnſtler
einraͤumt, entweder an allgemeine Naturgeſetze ſich an-
zuſchließen, oder in den letzten Augenblicken der Vol-
lendung ſeiner Idealgeſtalt etwas Modell hinzu-
zunehmen
. Dieſe Modificationen indeß gehoͤren in die Lehre
von der kuͤnſtleriſchen Aneignung der Naturformen, welche
wir beſonders abhandeln wollen.

Wieder einen aͤnderen Sinn hat Ideal in der Sprache
der Schoͤnheitslehrer und Aeſthetiker von Profeſſion. Dieſen
nemlich heißt Ideal (obwohl die Maͤnner des Gefuͤhls ſelten
vermoͤgen, einen Begriff rein aufzufaſſen und unwandelbar
feſtzuhalten) im Durchſchnitt weder, wie den Vernunftphilo-
ſophen, die Verkoͤrperung eines abſtracten Begriffes, noch,

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[52/0070] liegt. — Den Idealen unſerer Philoſophen und philoſophiren- den Dichter raͤumt man ein, daß ſie von jener inneren Be- lebung der Idee ausgehend, ſich allgemach mit einem gewiſ- ſen Fleiſch und Bein bekleiden, welches bekanntlich, theils jener geſchichtlichen Begriffs-Entwickelung angehoͤrt, welche wir Sprache nennen, theils der Unterſcheidung und Erkennt- niß ſowohl des Zufaͤlligen, als des Geſetzmaͤßigen in den aͤu- ßeren Dingen. Wuͤrden aber Philoſophen und Dichter, welche ihre Idee in einer Sprache von eigner Erfindung ausdruͤcken, oder die Natur der Dinge umkehren wollten, unſtreitig weder verſtanden, noch gebilligt werden; wie koͤnnte man denn eben dem Kuͤnſtler, deſſen Darſtellung noch ungleich mehr Aus- fuͤhrlichkeit und Rundung bedarf, auflegen wollen, daß er die Ideen, ſo in ſeiner Seele aufſteigen, oder geweckt werden, mit durchaus ſelbſterfundenen Formen und Beziehungen be- kleide? Freylich pflegt man dieſe Forderung, deren Ueberein- ſtimmung mit den Anſichten der Manieriſten zu deutlich in den Sinn faͤllt, dadurch abzuaͤndern, daß man dem Kuͤnſtler einraͤumt, entweder an allgemeine Naturgeſetze ſich an- zuſchließen, oder in den letzten Augenblicken der Vol- lendung ſeiner Idealgeſtalt etwas Modell hinzu- zunehmen. Dieſe Modificationen indeß gehoͤren in die Lehre von der kuͤnſtleriſchen Aneignung der Naturformen, welche wir beſonders abhandeln wollen. Wieder einen aͤnderen Sinn hat Ideal in der Sprache der Schoͤnheitslehrer und Aeſthetiker von Profeſſion. Dieſen nemlich heißt Ideal (obwohl die Maͤnner des Gefuͤhls ſelten vermoͤgen, einen Begriff rein aufzufaſſen und unwandelbar feſtzuhalten) im Durchſchnitt weder, wie den Vernunftphilo- ſophen, die Verkoͤrperung eines abſtracten Begriffes, noch,

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/70>, abgerufen am 25.11.2024.