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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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gung beylegen *), als selbst den Künsten des Begriffes, deren
lückenhafter, gleichsam nur über die Dinge hinschwebender Aus-
druck, verglichen mit der unendlichen Völligkeit des künstleri-
schen, doch offenbar minder strengen Anforderungen unter-

*) Schelling, der in seiner geistvollen Rede über das Ver-
hältniß der bildenden Künste zur Natur (Schriften S. 349.) in
Bezug auf übliche Lehrmethoden "bloße Steigerung des Beding-
ten," oder "Streben von der Form zum Wesen," wie billig ver-
wirft, sagt bald darauf (S. 361.): Aus den Banden der Natur
wand sie (die hellenische Kunst) sich zu göttlicher Freyheit empor.
Könnte es irgend angenommen werden, daß Natur hier in dem
Sinne der Künstlersprache genommen sey, so würde allerdings in
Bezug auf die äußere Entwickelung der Schulen, selbst jedes ein-
zelnen Meisters ein gewisser Uebergang der schülerhaften Abhängig-
keit von zufällig dem Sinne vorliegenden zu einem allgemeineren
Besitze der Naturform, durch diesen zur Sicherheit, Meisterschaft
und relativen Freyheit einzuräumen seyn. -- Indeß steht zu befürch-
ten, daß der treffliche Denker in diesen Zeilen einer Autorität
nachgegeben, auf welche er sich am Rande bezieht, und daher die
Natur wenigstens augenblicklich zur Kunst in einem ganz anderen,
beengenderen Verhältniß gedacht habe, als wirklich statt findet.
Denn nicht mehr als der Fisch in den Fluthen und jedes andere
Ding in seinem Elemente, wird der Künstler sich in der Fülle der
Gestaltungen beengt fühlen können, in denen er seiner selbst und
seines eigenen Wollens in dem Maße sich deutlicher bewußt wird,
als er sie mehr in jeder Richtung durchdringt. -- Giebt es über-
haupt in der großen Verkettung, der wir angehören, Anlagen und
Dinge, welche ihr eigenthümliches Seyn durch Aussonderung besser
und zu einem höheren Ziele entwickeln, so wird doch die Kunst
durch ihr naturgleiches Streben nach Gestalt und äußerer Entfal-
tung durchaus davon ausgeschlossen. Und liegt auch, wie S. be-
geistert andeutet: "Das Vermögen, die Seele sammt dem Leib,
zumal und wie mit einem Hauche zu schaffen," in der Kunst, wie
in der Natur; so wird diese Kraft doch nur in denen wirksam,
welche sich selbst und ihr eignes Wollen im Spiegel der Natur
erkennen wollen.
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gung beylegen *), als ſelbſt den Kuͤnſten des Begriffes, deren
luͤckenhafter, gleichſam nur uͤber die Dinge hinſchwebender Aus-
druck, verglichen mit der unendlichen Voͤlligkeit des kuͤnſtleri-
ſchen, doch offenbar minder ſtrengen Anforderungen unter-

*) Schelling, der in ſeiner geiſtvollen Rede uͤber das Ver-
haͤltniß der bildenden Kuͤnſte zur Natur (Schriften S. 349.) in
Bezug auf uͤbliche Lehrmethoden „bloße Steigerung des Beding-
ten,“ oder „Streben von der Form zum Weſen,“ wie billig ver-
wirft, ſagt bald darauf (S. 361.): Aus den Banden der Natur
wand ſie (die helleniſche Kunſt) ſich zu goͤttlicher Freyheit empor.
Koͤnnte es irgend angenommen werden, daß Natur hier in dem
Sinne der Kuͤnſtlerſprache genommen ſey, ſo wuͤrde allerdings in
Bezug auf die aͤußere Entwickelung der Schulen, ſelbſt jedes ein-
zelnen Meiſters ein gewiſſer Uebergang der ſchuͤlerhaften Abhaͤngig-
keit von zufaͤllig dem Sinne vorliegenden zu einem allgemeineren
Beſitze der Naturform, durch dieſen zur Sicherheit, Meiſterſchaft
und relativen Freyheit einzuraͤumen ſeyn. — Indeß ſteht zu befuͤrch-
ten, daß der treffliche Denker in dieſen Zeilen einer Autoritaͤt
nachgegeben, auf welche er ſich am Rande bezieht, und daher die
Natur wenigſtens augenblicklich zur Kunſt in einem ganz anderen,
beengenderen Verhaͤltniß gedacht habe, als wirklich ſtatt findet.
Denn nicht mehr als der Fiſch in den Fluthen und jedes andere
Ding in ſeinem Elemente, wird der Kuͤnſtler ſich in der Fuͤlle der
Geſtaltungen beengt fuͤhlen koͤnnen, in denen er ſeiner ſelbſt und
ſeines eigenen Wollens in dem Maße ſich deutlicher bewußt wird,
als er ſie mehr in jeder Richtung durchdringt. — Giebt es uͤber-
haupt in der großen Verkettung, der wir angehoͤren, Anlagen und
Dinge, welche ihr eigenthuͤmliches Seyn durch Ausſonderung beſſer
und zu einem hoͤheren Ziele entwickeln, ſo wird doch die Kunſt
durch ihr naturgleiches Streben nach Geſtalt und aͤußerer Entfal-
tung durchaus davon ausgeſchloſſen. Und liegt auch, wie S. be-
geiſtert andeutet: „Das Vermoͤgen, die Seele ſammt dem Leib,
zumal und wie mit einem Hauche zu ſchaffen,“ in der Kunſt, wie
in der Natur; ſo wird dieſe Kraft doch nur in denen wirkſam,
welche ſich ſelbſt und ihr eignes Wollen im Spiegel der Natur
erkennen wollen.
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[51/0069] gung beylegen *), als ſelbſt den Kuͤnſten des Begriffes, deren luͤckenhafter, gleichſam nur uͤber die Dinge hinſchwebender Aus- druck, verglichen mit der unendlichen Voͤlligkeit des kuͤnſtleri- ſchen, doch offenbar minder ſtrengen Anforderungen unter- *) Schelling, der in ſeiner geiſtvollen Rede uͤber das Ver- haͤltniß der bildenden Kuͤnſte zur Natur (Schriften S. 349.) in Bezug auf uͤbliche Lehrmethoden „bloße Steigerung des Beding- ten,“ oder „Streben von der Form zum Weſen,“ wie billig ver- wirft, ſagt bald darauf (S. 361.): Aus den Banden der Natur wand ſie (die helleniſche Kunſt) ſich zu goͤttlicher Freyheit empor. Koͤnnte es irgend angenommen werden, daß Natur hier in dem Sinne der Kuͤnſtlerſprache genommen ſey, ſo wuͤrde allerdings in Bezug auf die aͤußere Entwickelung der Schulen, ſelbſt jedes ein- zelnen Meiſters ein gewiſſer Uebergang der ſchuͤlerhaften Abhaͤngig- keit von zufaͤllig dem Sinne vorliegenden zu einem allgemeineren Beſitze der Naturform, durch dieſen zur Sicherheit, Meiſterſchaft und relativen Freyheit einzuraͤumen ſeyn. — Indeß ſteht zu befuͤrch- ten, daß der treffliche Denker in dieſen Zeilen einer Autoritaͤt nachgegeben, auf welche er ſich am Rande bezieht, und daher die Natur wenigſtens augenblicklich zur Kunſt in einem ganz anderen, beengenderen Verhaͤltniß gedacht habe, als wirklich ſtatt findet. Denn nicht mehr als der Fiſch in den Fluthen und jedes andere Ding in ſeinem Elemente, wird der Kuͤnſtler ſich in der Fuͤlle der Geſtaltungen beengt fuͤhlen koͤnnen, in denen er ſeiner ſelbſt und ſeines eigenen Wollens in dem Maße ſich deutlicher bewußt wird, als er ſie mehr in jeder Richtung durchdringt. — Giebt es uͤber- haupt in der großen Verkettung, der wir angehoͤren, Anlagen und Dinge, welche ihr eigenthuͤmliches Seyn durch Ausſonderung beſſer und zu einem hoͤheren Ziele entwickeln, ſo wird doch die Kunſt durch ihr naturgleiches Streben nach Geſtalt und aͤußerer Entfal- tung durchaus davon ausgeſchloſſen. Und liegt auch, wie S. be- geiſtert andeutet: „Das Vermoͤgen, die Seele ſammt dem Leib, zumal und wie mit einem Hauche zu ſchaffen,“ in der Kunſt, wie in der Natur; ſo wird dieſe Kraft doch nur in denen wirkſam, welche ſich ſelbſt und ihr eignes Wollen im Spiegel der Natur erkennen wollen. 4 *

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/69>, abgerufen am 25.11.2024.