Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.Frage stehen, ob die italienischen Manieristen das Wort Ideal, Die leeren Zerrbilder der Manieristen *) für gute Kunst- *) Auch das Kunstwort, maniera, verdanken wir den Italie-
nern; maniera ist buchstäblich so viel, als Handhabung, und wird als solche sowohl in gutem als in schlimmem Sinne genommen. Indeß, da jenes Uebel, welches wir Manier nennen, eben aus einem unbedachten sich Hingeben in erworbene, oder angeborene Gewandtheit der Hand entstanden, so hat es auch davon den Na- men erhalten, welcher, wie ich denke, allgemein verständlich ist, und keiner weiteren Rechtfertigung bedarf. Frage ſtehen, ob die italieniſchen Manieriſten das Wort Ideal, Die leeren Zerrbilder der Manieriſten *) fuͤr gute Kunſt- *) Auch das Kunſtwort, maniera, verdanken wir den Italie-
nern; maniera iſt buchſtaͤblich ſo viel, als Handhabung, und wird als ſolche ſowohl in gutem als in ſchlimmem Sinne genommen. Indeß, da jenes Uebel, welches wir Manier nennen, eben aus einem unbedachten ſich Hingeben in erworbene, oder angeborene Gewandtheit der Hand entſtanden, ſo hat es auch davon den Na- men erhalten, welcher, wie ich denke, allgemein verſtaͤndlich iſt, und keiner weiteren Rechtfertigung bedarf. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0059" n="41"/> Frage ſtehen, ob die italieniſchen Manieriſten das Wort Ideal,<lb/> vermoͤge deſſen ſie ihre willkuͤhrlich gebildeten Formen von den<lb/> natuͤrlichen zu unterſcheiden pflegten, aus jenem Schulbegriffe<lb/> der Idee abgeleitet haben, welcher nach damaligem Stande<lb/> der Wiſſenſchaft dem <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphael</persName> in obigem Briefe vielleicht noch<lb/> vorgeſchwebt. Denn es lag ihnen naͤher, ihren Idealbegriff<lb/> aus dem neuitalieniſchen, <hi rendition="#aq">idea,</hi> Einfall, oder willkuͤhrliche<lb/> Vorſtellung, abzuleiten. Damit indeß waͤre nur die Ableitung<lb/> des Wortes gerechtfertigt, keinesweges der Begriff ſelbſt; denn<lb/> Ideale, deren Unterſcheidendes, nicht in einer beſonderen Gei-<lb/> ſtigkeit der Abkunft, oder des inneren Gehaltes, ſondern einzig<lb/> in einer gewiſſen Willkuͤhrlichkeit der Form beſteht, ſind doch,<lb/> wie es einleuchten ſollte, eben ſo zweckloſe, als unerfreuliche<lb/> Dinge.</p><lb/> <p>Die leeren Zerrbilder der Manieriſten <note place="foot" n="*)">Auch das Kunſtwort, <hi rendition="#aq">maniera,</hi> verdanken wir den Italie-<lb/> nern; <hi rendition="#aq">maniera</hi> iſt buchſtaͤblich ſo viel, als Handhabung, und wird<lb/> als ſolche ſowohl in gutem als in ſchlimmem Sinne genommen.<lb/> Indeß, da jenes Uebel, welches wir Manier nennen, eben aus<lb/> einem unbedachten ſich Hingeben in erworbene, oder angeborene<lb/> Gewandtheit der Hand entſtanden, ſo hat es auch davon den Na-<lb/> men erhalten, welcher, wie ich denke, allgemein verſtaͤndlich iſt,<lb/> und keiner weiteren Rechtfertigung bedarf.</note> fuͤr gute Kunſt-<lb/> werke ausgeben, oder die Grundſaͤtze, nach denen ſie entſtan-<lb/> den, unbedingt anerkennen, ſcheint denn auf den erſten Blick<lb/> unvereinbar mit jener hingegebenen Bewunderung der Kunſt-<lb/> werke des claſſiſchen Alterthumes, welche, ſeit <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118633600">Winckel-<lb/> mann</persName>,</hi> bey unerheblichen Stoͤrungen, in immer weiteren<lb/> Kreiſen ſich ausgebreitet hat. Indeß, ſey es nun, weil man<lb/> nicht tief genug in das Weſen antiker Kunſt eingedrungen,<lb/> oder auch, weil man die Liebe zum claſſiſchen Alterthume eben<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [41/0059]
Frage ſtehen, ob die italieniſchen Manieriſten das Wort Ideal,
vermoͤge deſſen ſie ihre willkuͤhrlich gebildeten Formen von den
natuͤrlichen zu unterſcheiden pflegten, aus jenem Schulbegriffe
der Idee abgeleitet haben, welcher nach damaligem Stande
der Wiſſenſchaft dem Raphael in obigem Briefe vielleicht noch
vorgeſchwebt. Denn es lag ihnen naͤher, ihren Idealbegriff
aus dem neuitalieniſchen, idea, Einfall, oder willkuͤhrliche
Vorſtellung, abzuleiten. Damit indeß waͤre nur die Ableitung
des Wortes gerechtfertigt, keinesweges der Begriff ſelbſt; denn
Ideale, deren Unterſcheidendes, nicht in einer beſonderen Gei-
ſtigkeit der Abkunft, oder des inneren Gehaltes, ſondern einzig
in einer gewiſſen Willkuͤhrlichkeit der Form beſteht, ſind doch,
wie es einleuchten ſollte, eben ſo zweckloſe, als unerfreuliche
Dinge.
Die leeren Zerrbilder der Manieriſten *) fuͤr gute Kunſt-
werke ausgeben, oder die Grundſaͤtze, nach denen ſie entſtan-
den, unbedingt anerkennen, ſcheint denn auf den erſten Blick
unvereinbar mit jener hingegebenen Bewunderung der Kunſt-
werke des claſſiſchen Alterthumes, welche, ſeit Winckel-
mann, bey unerheblichen Stoͤrungen, in immer weiteren
Kreiſen ſich ausgebreitet hat. Indeß, ſey es nun, weil man
nicht tief genug in das Weſen antiker Kunſt eingedrungen,
oder auch, weil man die Liebe zum claſſiſchen Alterthume eben
*) Auch das Kunſtwort, maniera, verdanken wir den Italie-
nern; maniera iſt buchſtaͤblich ſo viel, als Handhabung, und wird
als ſolche ſowohl in gutem als in ſchlimmem Sinne genommen.
Indeß, da jenes Uebel, welches wir Manier nennen, eben aus
einem unbedachten ſich Hingeben in erworbene, oder angeborene
Gewandtheit der Hand entſtanden, ſo hat es auch davon den Na-
men erhalten, welcher, wie ich denke, allgemein verſtaͤndlich iſt,
und keiner weiteren Rechtfertigung bedarf.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |