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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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deutschen Schule noch nicht hervorsprechen. Dieser ältere,
senkrechte, ruhige Styl der deutschen Bildnerey ist indeß, wie
wir wissen, mit wenig Ausnahmen, durch andere Mittelglie-
der aus dem Style der altchristlichen Bildnerey entstanden,
und, wo die eigenthümlichen Merkzeichen byzantinischen Ge-
schmackes fehlen, ist nicht wohl anzunehmen, daß Vorstellun-
gen oder Gewöhnungen des christlichen Alterthumes gerade auf
dem weiteren Wege in die Kunst des westlichen Europa ein-
gedrungen seyen. Eben so irrig ist es aber, die Byzantiner
des höheren Mittelalters nach jenen rohen, mit geistloser Fer-
tigkeit behandelten Andachtsbildern neuerer Jahrhunderte zu
beurtheilen, welche in Rußland, oder im türkischen Reiche,
noch täglich in großer Menge angefertigt werden. Allerdings
werden diese Bilder noch immer nach Durchzeichnungen und
Patronen gemalt, welche ursprünglich aus Erfindungen des
Alterthums entnommen sind; ihre Ausführung indeß gestattet
keine Vergleichung mit jener der älteren Zeiten; nicht zu ge-
denken, daß man sich im Verlaufe der Jahrhunderte immer
weiter von seinen Urbildern entfernt, immer mehr aller eigenen
Erfindung entschlagen hat, welcher letzten das griechische Mit-
telalter noch keinesweges so gänzlich entsagt hatte. Ueberhaupt
bewirkte die Eroberung und Schädigung Constantinopels, im
Jahre 1204, das darauf erfolgende Zwischenreich fränkischer
und griechischer Usurpatoren, wenigstens in Bezug auf die
Kunstübung, einen tiefen Einschnitt in die frühere, der chine-
sischen vergleichbare, Bildung des östlichen Reiches. Und ge-
wiß gehen die wirklich werthvollen, zierlich, und nicht ohne
alles Kunstgefühl beendigten Miniaturen solcher Handschriften,
welche ich gesehen und untersucht habe, nur selten über diesen
Zeitpunct hinaus, wenn sie nicht etwa durchhin in älteren

deutſchen Schule noch nicht hervorſprechen. Dieſer aͤltere,
ſenkrechte, ruhige Styl der deutſchen Bildnerey iſt indeß, wie
wir wiſſen, mit wenig Ausnahmen, durch andere Mittelglie-
der aus dem Style der altchriſtlichen Bildnerey entſtanden,
und, wo die eigenthuͤmlichen Merkzeichen byzantiniſchen Ge-
ſchmackes fehlen, iſt nicht wohl anzunehmen, daß Vorſtellun-
gen oder Gewoͤhnungen des chriſtlichen Alterthumes gerade auf
dem weiteren Wege in die Kunſt des weſtlichen Europa ein-
gedrungen ſeyen. Eben ſo irrig iſt es aber, die Byzantiner
des hoͤheren Mittelalters nach jenen rohen, mit geiſtloſer Fer-
tigkeit behandelten Andachtsbildern neuerer Jahrhunderte zu
beurtheilen, welche in Rußland, oder im tuͤrkiſchen Reiche,
noch taͤglich in großer Menge angefertigt werden. Allerdings
werden dieſe Bilder noch immer nach Durchzeichnungen und
Patronen gemalt, welche urſpruͤnglich aus Erfindungen des
Alterthums entnommen ſind; ihre Ausfuͤhrung indeß geſtattet
keine Vergleichung mit jener der aͤlteren Zeiten; nicht zu ge-
denken, daß man ſich im Verlaufe der Jahrhunderte immer
weiter von ſeinen Urbildern entfernt, immer mehr aller eigenen
Erfindung entſchlagen hat, welcher letzten das griechiſche Mit-
telalter noch keinesweges ſo gaͤnzlich entſagt hatte. Ueberhaupt
bewirkte die Eroberung und Schaͤdigung Conſtantinopels, im
Jahre 1204, das darauf erfolgende Zwiſchenreich fraͤnkiſcher
und griechiſcher Uſurpatoren, wenigſtens in Bezug auf die
Kunſtuͤbung, einen tiefen Einſchnitt in die fruͤhere, der chine-
ſiſchen vergleichbare, Bildung des oͤſtlichen Reiches. Und ge-
wiß gehen die wirklich werthvollen, zierlich, und nicht ohne
alles Kunſtgefuͤhl beendigten Miniaturen ſolcher Handſchriften,
welche ich geſehen und unterſucht habe, nur ſelten uͤber dieſen
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[294/0312] deutſchen Schule noch nicht hervorſprechen. Dieſer aͤltere, ſenkrechte, ruhige Styl der deutſchen Bildnerey iſt indeß, wie wir wiſſen, mit wenig Ausnahmen, durch andere Mittelglie- der aus dem Style der altchriſtlichen Bildnerey entſtanden, und, wo die eigenthuͤmlichen Merkzeichen byzantiniſchen Ge- ſchmackes fehlen, iſt nicht wohl anzunehmen, daß Vorſtellun- gen oder Gewoͤhnungen des chriſtlichen Alterthumes gerade auf dem weiteren Wege in die Kunſt des weſtlichen Europa ein- gedrungen ſeyen. Eben ſo irrig iſt es aber, die Byzantiner des hoͤheren Mittelalters nach jenen rohen, mit geiſtloſer Fer- tigkeit behandelten Andachtsbildern neuerer Jahrhunderte zu beurtheilen, welche in Rußland, oder im tuͤrkiſchen Reiche, noch taͤglich in großer Menge angefertigt werden. Allerdings werden dieſe Bilder noch immer nach Durchzeichnungen und Patronen gemalt, welche urſpruͤnglich aus Erfindungen des Alterthums entnommen ſind; ihre Ausfuͤhrung indeß geſtattet keine Vergleichung mit jener der aͤlteren Zeiten; nicht zu ge- denken, daß man ſich im Verlaufe der Jahrhunderte immer weiter von ſeinen Urbildern entfernt, immer mehr aller eigenen Erfindung entſchlagen hat, welcher letzten das griechiſche Mit- telalter noch keinesweges ſo gaͤnzlich entſagt hatte. Ueberhaupt bewirkte die Eroberung und Schaͤdigung Conſtantinopels, im Jahre 1204, das darauf erfolgende Zwiſchenreich fraͤnkiſcher und griechiſcher Uſurpatoren, wenigſtens in Bezug auf die Kunſtuͤbung, einen tiefen Einſchnitt in die fruͤhere, der chine- ſiſchen vergleichbare, Bildung des oͤſtlichen Reiches. Und ge- wiß gehen die wirklich werthvollen, zierlich, und nicht ohne alles Kunſtgefuͤhl beendigten Miniaturen ſolcher Handſchriften, welche ich geſehen und unterſucht habe, nur ſelten uͤber dieſen Zeitpunct hinaus, wenn ſie nicht etwa durchhin in aͤlteren

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/312>, abgerufen am 26.11.2024.