wollt, durch den Gegenstand von den Redekünsten unterschie- den werden; daß demnach auf diesem Wege eine deutliche und richtige Vorstellung von den Verschiedenheiten dieser bei- den Beziehungen des menschlichen Geistes nicht wohl zu er- langen ist.
Wenn aber die bildenden Künste von den Redekünsten nicht durch den Gegenstand unterschieden werden, so muß die Verschiedenheit, welche doch nun einmal sichtlich vorhanden ist, entweder auf einer Eigenthümlichkeit der Auffassung, oder auf einer bestimmten Art der Darstellung, oder auch auf bei- den zugleich beruhen. Und in der That ist es das Unterschei- dende der bildenden Künste, nicht in Begriffen, sondern in Anschauungen aufzufassen, und das anschaulich Aufgefaßte so darzustellen, daß solches ohne alle Zuziehung von Thätigkeiten des Verstandes unmittelbar durch die Anschauung auch von anderen erfaßt werden könne. Oder mit anderen Worten: es ist das Unterscheidende der Kunst, die Dinge nicht, wie der Verstand, nach ihren Theilen und einzelnen Eigenschaften, vielmehr sie im Ganzen und nicht fortschreitend, sondern augenblicklich sowohl aufzufassen, als darzustellen. -- Nun giebt es freylich Individuen, welche außerhalb des Begriffes und seiner folgerechten Handhabung überhaupt kein Geistesleben sich denken können; denen es nicht zum Bewußtseyn gekom- men, daß auch dem abstrakten Denken, wo es nicht, was der Himmel verhüte, in beziehungslosen, inhaltsleeren For- men sich bewegt, gleich Schulübungen im Buchstabenrechnen; daß auch dem abstracten Denken, wiederhole ich, wo es im- mer Gehalt und Tiefe besitzt, das Anschauliche nothwendig zum Grunde liegt. Diesen freylich dürfte es scheinen, als werde die Kunst durch obige Erklärung erniedrigt, und in
wollt, durch den Gegenſtand von den Redekuͤnſten unterſchie- den werden; daß demnach auf dieſem Wege eine deutliche und richtige Vorſtellung von den Verſchiedenheiten dieſer bei- den Beziehungen des menſchlichen Geiſtes nicht wohl zu er- langen iſt.
Wenn aber die bildenden Kuͤnſte von den Redekuͤnſten nicht durch den Gegenſtand unterſchieden werden, ſo muß die Verſchiedenheit, welche doch nun einmal ſichtlich vorhanden iſt, entweder auf einer Eigenthuͤmlichkeit der Auffaſſung, oder auf einer beſtimmten Art der Darſtellung, oder auch auf bei- den zugleich beruhen. Und in der That iſt es das Unterſchei- dende der bildenden Kuͤnſte, nicht in Begriffen, ſondern in Anſchauungen aufzufaſſen, und das anſchaulich Aufgefaßte ſo darzuſtellen, daß ſolches ohne alle Zuziehung von Thaͤtigkeiten des Verſtandes unmittelbar durch die Anſchauung auch von anderen erfaßt werden koͤnne. Oder mit anderen Worten: es iſt das Unterſcheidende der Kunſt, die Dinge nicht, wie der Verſtand, nach ihren Theilen und einzelnen Eigenſchaften, vielmehr ſie im Ganzen und nicht fortſchreitend, ſondern augenblicklich ſowohl aufzufaſſen, als darzuſtellen. — Nun giebt es freylich Individuen, welche außerhalb des Begriffes und ſeiner folgerechten Handhabung uͤberhaupt kein Geiſtesleben ſich denken koͤnnen; denen es nicht zum Bewußtſeyn gekom- men, daß auch dem abſtrakten Denken, wo es nicht, was der Himmel verhuͤte, in beziehungsloſen, inhaltsleeren For- men ſich bewegt, gleich Schuluͤbungen im Buchſtabenrechnen; daß auch dem abſtracten Denken, wiederhole ich, wo es im- mer Gehalt und Tiefe beſitzt, das Anſchauliche nothwendig zum Grunde liegt. Dieſen freylich duͤrfte es ſcheinen, als werde die Kunſt durch obige Erklaͤrung erniedrigt, und in
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wollt, durch den Gegenſtand von den Redekuͤnſten unterſchie-
den werden; daß demnach auf dieſem Wege eine deutliche
und richtige Vorſtellung von den Verſchiedenheiten dieſer bei-
den Beziehungen des menſchlichen Geiſtes nicht wohl zu er-
langen iſt.
Wenn aber die bildenden Kuͤnſte von den Redekuͤnſten
nicht durch den Gegenſtand unterſchieden werden, ſo muß die
Verſchiedenheit, welche doch nun einmal ſichtlich vorhanden
iſt, entweder auf einer Eigenthuͤmlichkeit der Auffaſſung, oder
auf einer beſtimmten Art der Darſtellung, oder auch auf bei-
den zugleich beruhen. Und in der That iſt es das Unterſchei-
dende der bildenden Kuͤnſte, nicht in Begriffen, ſondern in
Anſchauungen aufzufaſſen, und das anſchaulich Aufgefaßte ſo
darzuſtellen, daß ſolches ohne alle Zuziehung von Thaͤtigkeiten
des Verſtandes unmittelbar durch die Anſchauung auch von
anderen erfaßt werden koͤnne. Oder mit anderen Worten:
es iſt das Unterſcheidende der Kunſt, die Dinge nicht, wie
der Verſtand, nach ihren Theilen und einzelnen Eigenſchaften,
vielmehr ſie im Ganzen und nicht fortſchreitend, ſondern
augenblicklich ſowohl aufzufaſſen, als darzuſtellen. — Nun giebt
es freylich Individuen, welche außerhalb des Begriffes und
ſeiner folgerechten Handhabung uͤberhaupt kein Geiſtesleben
ſich denken koͤnnen; denen es nicht zum Bewußtſeyn gekom-
men, daß auch dem abſtrakten Denken, wo es nicht, was
der Himmel verhuͤte, in beziehungsloſen, inhaltsleeren For-
men ſich bewegt, gleich Schuluͤbungen im Buchſtabenrechnen;
daß auch dem abſtracten Denken, wiederhole ich, wo es im-
mer Gehalt und Tiefe beſitzt, das Anſchauliche nothwendig
zum Grunde liegt. Dieſen freylich duͤrfte es ſcheinen, als
werde die Kunſt durch obige Erklaͤrung erniedrigt, und in
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/25>, abgerufen am 21.11.2024.
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