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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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der bedrängten Regierungen Conrads und Heinrichs, der ersten,
zur Beförderung überflüssiger und freier Künste nur wenig ge-
schehen konnte. Der neue deutsche Staat rang noch mit man-
chen Beschwerden und Hindernissen; mit Ausnahme einiger
römischen Colonieen, welche bei veränderter Bevölkerung ihre
äußere Einrichtung bewahrt hatten, gab es nur dem Namen
nach Städte; die wiederholten Verwüstungen der Ungarn muß-
ten, wie die einfache Bestattung Heinrich I. zu bewähren
scheint *), da, wo schon früher kein Reichthum war, größere
Armuth zurücklassen, welche die einfachste Lebenssitte **) min-
der fühlbar machte. Indeß konnte jene Schule unter Con-
rad I.
keine gänzliche Unterbrechung erfahren haben, weil sie
schon unter Heinrich und Otto I. wieder hervortritt; weil die
Kunstfertigkeiten unter allen Umständen der Uebung und leben-
digen Fortpflanzung bedürfen.

Unter den Geschenken der Könige und Fürsten des sächsi-
schen Hauses, welche bis zur Unterdrückung des Reichsstiftes
zu Quedlinburg daselbst aufbewahrt wurden, befand sich ein
von außen mit getriebenem Goldblech bekleidetes Missale, wel-
ches für ein Geschenk Heinrich des ersten galt, weil der Ein-
weihungstext des Münsters, seiner Stiftung, darin eingetragen
war, und weil man wissen wollte, der Schönschreiber, der
sich zu Ende des Buches Johannes Presbyter nennt, habe
unter diesem Könige gelebt ***). Obwohl diese Angabe an
sich selbst kein Mißtrauen erweckt, so will ich sie doch nicht

*) Wallmann, I. Andr., Abh. von den schätzbaren Alter-
thümern zu Quedlinburg. Das. 1776. 8.
**) S. die Biographen der Königinnen Mathilde und Adel-
heid
, bey Leibnitz, scr. rer. Brunsv.
***) Wallmann, a. a. O. S. 95. Vgl. S. 93.
15 *

der bedraͤngten Regierungen Conrads und Heinrichs, der erſten,
zur Befoͤrderung uͤberfluͤſſiger und freier Kuͤnſte nur wenig ge-
ſchehen konnte. Der neue deutſche Staat rang noch mit man-
chen Beſchwerden und Hinderniſſen; mit Ausnahme einiger
roͤmiſchen Colonieen, welche bei veraͤnderter Bevoͤlkerung ihre
aͤußere Einrichtung bewahrt hatten, gab es nur dem Namen
nach Staͤdte; die wiederholten Verwuͤſtungen der Ungarn muß-
ten, wie die einfache Beſtattung Heinrich I. zu bewaͤhren
ſcheint *), da, wo ſchon fruͤher kein Reichthum war, groͤßere
Armuth zuruͤcklaſſen, welche die einfachſte Lebensſitte **) min-
der fuͤhlbar machte. Indeß konnte jene Schule unter Con-
rad I.
keine gaͤnzliche Unterbrechung erfahren haben, weil ſie
ſchon unter Heinrich und Otto I. wieder hervortritt; weil die
Kunſtfertigkeiten unter allen Umſtaͤnden der Uebung und leben-
digen Fortpflanzung beduͤrfen.

Unter den Geſchenken der Koͤnige und Fuͤrſten des ſaͤchſi-
ſchen Hauſes, welche bis zur Unterdruͤckung des Reichsſtiftes
zu Quedlinburg daſelbſt aufbewahrt wurden, befand ſich ein
von außen mit getriebenem Goldblech bekleidetes Miſſale, wel-
ches fuͤr ein Geſchenk Heinrich des erſten galt, weil der Ein-
weihungstext des Muͤnſters, ſeiner Stiftung, darin eingetragen
war, und weil man wiſſen wollte, der Schoͤnſchreiber, der
ſich zu Ende des Buches Johannes Presbyter nennt, habe
unter dieſem Koͤnige gelebt ***). Obwohl dieſe Angabe an
ſich ſelbſt kein Mißtrauen erweckt, ſo will ich ſie doch nicht

*) Wallmann, I. Andr., Abh. von den ſchaͤtzbaren Alter-
thuͤmern zu Quedlinburg. Daſ. 1776. 8.
**) S. die Biographen der Koͤniginnen Mathilde und Adel-
heid
, bey Leibnitz, scr. rer. Brunsv.
***) Wallmann, a. a. O. S. 95. Vgl. S. 93.
15 *
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[227/0245] der bedraͤngten Regierungen Conrads und Heinrichs, der erſten, zur Befoͤrderung uͤberfluͤſſiger und freier Kuͤnſte nur wenig ge- ſchehen konnte. Der neue deutſche Staat rang noch mit man- chen Beſchwerden und Hinderniſſen; mit Ausnahme einiger roͤmiſchen Colonieen, welche bei veraͤnderter Bevoͤlkerung ihre aͤußere Einrichtung bewahrt hatten, gab es nur dem Namen nach Staͤdte; die wiederholten Verwuͤſtungen der Ungarn muß- ten, wie die einfache Beſtattung Heinrich I. zu bewaͤhren ſcheint *), da, wo ſchon fruͤher kein Reichthum war, groͤßere Armuth zuruͤcklaſſen, welche die einfachſte Lebensſitte **) min- der fuͤhlbar machte. Indeß konnte jene Schule unter Con- rad I. keine gaͤnzliche Unterbrechung erfahren haben, weil ſie ſchon unter Heinrich und Otto I. wieder hervortritt; weil die Kunſtfertigkeiten unter allen Umſtaͤnden der Uebung und leben- digen Fortpflanzung beduͤrfen. Unter den Geſchenken der Koͤnige und Fuͤrſten des ſaͤchſi- ſchen Hauſes, welche bis zur Unterdruͤckung des Reichsſtiftes zu Quedlinburg daſelbſt aufbewahrt wurden, befand ſich ein von außen mit getriebenem Goldblech bekleidetes Miſſale, wel- ches fuͤr ein Geſchenk Heinrich des erſten galt, weil der Ein- weihungstext des Muͤnſters, ſeiner Stiftung, darin eingetragen war, und weil man wiſſen wollte, der Schoͤnſchreiber, der ſich zu Ende des Buches Johannes Presbyter nennt, habe unter dieſem Koͤnige gelebt ***). Obwohl dieſe Angabe an ſich ſelbſt kein Mißtrauen erweckt, ſo will ich ſie doch nicht *) Wallmann, I. Andr., Abh. von den ſchaͤtzbaren Alter- thuͤmern zu Quedlinburg. Daſ. 1776. 8. **) S. die Biographen der Koͤniginnen Mathilde und Adel- heid, bey Leibnitz, scr. rer. Brunsv. ***) Wallmann, a. a. O. S. 95. Vgl. S. 93. 15 *

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/245>, abgerufen am 27.11.2024.