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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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genauere Kunde zu haben, dürfen wir voraussetzen, daß die
Verheerungen des langwierigen Gothenkrieges, daß Hunger
und Seuchen, welche aus diesem entstanden, daß die Härte
der Longobarden gegen die römische Bevölkerung, selbst die
Lebensgewohnheiten der jüngsten Eroberer der Kunst vielfältig
Eintrag gebracht. Entscheidender indeß wirkte das endliche
Ergebniß dieses Kampfes von Fremdlingen um die leidend
ihrem Schicksal hingegebene Provinz. Denn es war nicht
mehr, wie zur Gothenzeit, Vereinigung Italiens innerhalb sei-
ner natürlichen Grenzen, sondern Theilung unter feindliche
Mächte, Unsicherheit auf weit ausgedehnten inneren Begren-
zungen. Den Griechen blieb Ravenna mit seinem Stadtge-
biet, das römische Ducat, Sicilien, einige Städte und Land-
schaften der Küste; das nördliche Italien bis an die Sümpfe
Venedigs, ein großer Theil des südlicheren Mittellandes ge-
horchte den Longobarden. So blieb es mit geringen Verän-
derungen, welche die Kunstgeschichte nicht angehen, bis zur
fränkischen Eroberung im achten Jahrhundert.

Beide Hälften Italiens erlagen demnach dem Unglück
verworrener Grenzen und fremder, also mehr und minder
feindseliger *) Beherrscher. Diese indeß waren in Ansichten

*) S. Agn., l. c. vita S. Felicis; obwohl die damaligen Leiden
der Revennaten dem ganzen Reiche gemein waren (vergl. die ent-
sprechenden byzant. Geschichtschreiber, oder Gibbon, Kap. XLVIII,
und Schlosser, bilderstürm. Kaiser etc. S. 115 f.), so waren doch
die Abgeordneten Justinians II. genöthigt, in Ravenna sich der List
zu bedienen, weil Gegenwehr denkbar und möglich war. Vergleiche
dens. vita Johannis, cap. 2, wo die Feindseligkeit gegen griechische
Abgeordnete thätlich wird; doch liegt hier (s. Bacchini observ.
V
.) die Vermuthung nahe, daß die Ravennaten einen Ueberfall der
Bilderstürmer abgewiesen. Vgl. die endlosen Beschwerden der Rö-

genauere Kunde zu haben, duͤrfen wir vorausſetzen, daß die
Verheerungen des langwierigen Gothenkrieges, daß Hunger
und Seuchen, welche aus dieſem entſtanden, daß die Haͤrte
der Longobarden gegen die roͤmiſche Bevoͤlkerung, ſelbſt die
Lebensgewohnheiten der juͤngſten Eroberer der Kunſt vielfaͤltig
Eintrag gebracht. Entſcheidender indeß wirkte das endliche
Ergebniß dieſes Kampfes von Fremdlingen um die leidend
ihrem Schickſal hingegebene Provinz. Denn es war nicht
mehr, wie zur Gothenzeit, Vereinigung Italiens innerhalb ſei-
ner natuͤrlichen Grenzen, ſondern Theilung unter feindliche
Maͤchte, Unſicherheit auf weit ausgedehnten inneren Begren-
zungen. Den Griechen blieb Ravenna mit ſeinem Stadtge-
biet, das roͤmiſche Ducat, Sicilien, einige Staͤdte und Land-
ſchaften der Kuͤſte; das noͤrdliche Italien bis an die Suͤmpfe
Venedigs, ein großer Theil des ſuͤdlicheren Mittellandes ge-
horchte den Longobarden. So blieb es mit geringen Veraͤn-
derungen, welche die Kunſtgeſchichte nicht angehen, bis zur
fraͤnkiſchen Eroberung im achten Jahrhundert.

Beide Haͤlften Italiens erlagen demnach dem Ungluͤck
verworrener Grenzen und fremder, alſo mehr und minder
feindſeliger *) Beherrſcher. Dieſe indeß waren in Anſichten

*) S. Agn., l. c. vita S. Felicis; obwohl die damaligen Leiden
der Revennaten dem ganzen Reiche gemein waren (vergl. die ent-
ſprechenden byzant. Geſchichtſchreiber, oder Gibbon, Kap. XLVIII,
und Schloſſer, bilderſtuͤrm. Kaiſer etc. S. 115 f.), ſo waren doch
die Abgeordneten Juſtinians II. genoͤthigt, in Ravenna ſich der Liſt
zu bedienen, weil Gegenwehr denkbar und moͤglich war. Vergleiche
denſ. vita Johannis, cap. 2, wo die Feindſeligkeit gegen griechiſche
Abgeordnete thaͤtlich wird; doch liegt hier (ſ. Bacchini observ.
V
.) die Vermuthung nahe, daß die Ravennaten einen Ueberfall der
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[184/0202] genauere Kunde zu haben, duͤrfen wir vorausſetzen, daß die Verheerungen des langwierigen Gothenkrieges, daß Hunger und Seuchen, welche aus dieſem entſtanden, daß die Haͤrte der Longobarden gegen die roͤmiſche Bevoͤlkerung, ſelbſt die Lebensgewohnheiten der juͤngſten Eroberer der Kunſt vielfaͤltig Eintrag gebracht. Entſcheidender indeß wirkte das endliche Ergebniß dieſes Kampfes von Fremdlingen um die leidend ihrem Schickſal hingegebene Provinz. Denn es war nicht mehr, wie zur Gothenzeit, Vereinigung Italiens innerhalb ſei- ner natuͤrlichen Grenzen, ſondern Theilung unter feindliche Maͤchte, Unſicherheit auf weit ausgedehnten inneren Begren- zungen. Den Griechen blieb Ravenna mit ſeinem Stadtge- biet, das roͤmiſche Ducat, Sicilien, einige Staͤdte und Land- ſchaften der Kuͤſte; das noͤrdliche Italien bis an die Suͤmpfe Venedigs, ein großer Theil des ſuͤdlicheren Mittellandes ge- horchte den Longobarden. So blieb es mit geringen Veraͤn- derungen, welche die Kunſtgeſchichte nicht angehen, bis zur fraͤnkiſchen Eroberung im achten Jahrhundert. Beide Haͤlften Italiens erlagen demnach dem Ungluͤck verworrener Grenzen und fremder, alſo mehr und minder feindſeliger *) Beherrſcher. Dieſe indeß waren in Anſichten *) S. Agn., l. c. vita S. Felicis; obwohl die damaligen Leiden der Revennaten dem ganzen Reiche gemein waren (vergl. die ent- ſprechenden byzant. Geſchichtſchreiber, oder Gibbon, Kap. XLVIII, und Schloſſer, bilderſtuͤrm. Kaiſer etc. S. 115 f.), ſo waren doch die Abgeordneten Juſtinians II. genoͤthigt, in Ravenna ſich der Liſt zu bedienen, weil Gegenwehr denkbar und moͤglich war. Vergleiche denſ. vita Johannis, cap. 2, wo die Feindſeligkeit gegen griechiſche Abgeordnete thaͤtlich wird; doch liegt hier (ſ. Bacchini observ. V.) die Vermuthung nahe, daß die Ravennaten einen Ueberfall der Bilderſtuͤrmer abgewieſen. Vgl. die endloſen Beſchwerden der Roͤ-

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/202>, abgerufen am 27.11.2024.