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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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was der Sinn wohl wahrnimmt, doch die Sprache nimmer
ausdrückt, entscheidet mich zu glauben, daß jene Statue in
noch älterer Zeit gebildet worden; denn sicher zeigt sie, bey
gleichem oder geringerem Kunstgeschicke, doch ein feineres Ge-
fühl für die Bedeutung der Gesichtsformen *); so wie endlich
die Vorstellung an sich selbst so sehr im Geiste der antiken
Kunst zu seyn scheint, daß ich, auch abgesehen von der er-
wähnten Figur, nicht anstehen würde, ihre erste Auffassung
sehr frühen Zeiten des Christenthums beizulegen. Ueberhaupt
halte ich, unter rein christlichen Allegorieen, solche für die äl-
teren, welche sich auf biblische Gleichnisse stützen; die biblisch-
geschichtlichen aber durchhin für die neueren. Unter den letz-
ten sind bekanntlich die Anspielungen auf die Wiedergeburt,
der Prophet Jonas, die Erweckung des Lazarus, die Ver-
wandlung des Weines und ähnliche bey weitem die gewöhn-
lichsten. Es wundert mich, daß die Denkmale, an denen sie
vorkommen, größtentheils von der rohesten Arbeit sind. Viel-
leicht glaubte man, es genüge, den Gedanken nur anzudeu-

*) Vor einigen Jahren habe ich über die bildnerische Behand-
lung dieser Statue nachstehende Bemerkungen aufgezeichnet:
Sie ist vom halben Schenkel abwärts restaurirt, eben so beide
Arme, mit Ausnahme der linken Hand, und am Kopfe die Kno-
chenwölbung über dem rechten Auge, die Nase, ein Theil der Lip-
pen und das Kinn.
Die Augen stehen nicht gleich; demungeachtet ist die Form der
antiken Theile nicht unschön, der Ausdruck liebenswerth, auch in
Hals und Brust einige Ausbildung der Theile.
Die Falten der Tunica haben einzelne sehr gute Parthieen; im
Ganzen ist ihre Behandlung antik, nur nicht alles gleich gut ent-
wickelt. Die Tunica ist um die Hüften aufgebunden.
Das Haar ist durch tief eingebohrte Löcher ausgedrückt, die
Wolle am Schaafe etwas gezwungener, doch ähnlich behandelt.

was der Sinn wohl wahrnimmt, doch die Sprache nimmer
ausdruͤckt, entſcheidet mich zu glauben, daß jene Statue in
noch aͤlterer Zeit gebildet worden; denn ſicher zeigt ſie, bey
gleichem oder geringerem Kunſtgeſchicke, doch ein feineres Ge-
fuͤhl fuͤr die Bedeutung der Geſichtsformen *); ſo wie endlich
die Vorſtellung an ſich ſelbſt ſo ſehr im Geiſte der antiken
Kunſt zu ſeyn ſcheint, daß ich, auch abgeſehen von der er-
waͤhnten Figur, nicht anſtehen wuͤrde, ihre erſte Auffaſſung
ſehr fruͤhen Zeiten des Chriſtenthums beizulegen. Ueberhaupt
halte ich, unter rein chriſtlichen Allegorieen, ſolche fuͤr die aͤl-
teren, welche ſich auf bibliſche Gleichniſſe ſtuͤtzen; die bibliſch-
geſchichtlichen aber durchhin fuͤr die neueren. Unter den letz-
ten ſind bekanntlich die Anſpielungen auf die Wiedergeburt,
der Prophet Jonas, die Erweckung des Lazarus, die Ver-
wandlung des Weines und aͤhnliche bey weitem die gewoͤhn-
lichſten. Es wundert mich, daß die Denkmale, an denen ſie
vorkommen, groͤßtentheils von der roheſten Arbeit ſind. Viel-
leicht glaubte man, es genuͤge, den Gedanken nur anzudeu-

*) Vor einigen Jahren habe ich uͤber die bildneriſche Behand-
lung dieſer Statue nachſtehende Bemerkungen aufgezeichnet:
Sie iſt vom halben Schenkel abwaͤrts reſtaurirt, eben ſo beide
Arme, mit Ausnahme der linken Hand, und am Kopfe die Kno-
chenwoͤlbung uͤber dem rechten Auge, die Naſe, ein Theil der Lip-
pen und das Kinn.
Die Augen ſtehen nicht gleich; demungeachtet iſt die Form der
antiken Theile nicht unſchoͤn, der Ausdruck liebenswerth, auch in
Hals und Bruſt einige Ausbildung der Theile.
Die Falten der Tunica haben einzelne ſehr gute Parthieen; im
Ganzen iſt ihre Behandlung antik, nur nicht alles gleich gut ent-
wickelt. Die Tunica iſt um die Huͤften aufgebunden.
Das Haar iſt durch tief eingebohrte Loͤcher ausgedruͤckt, die
Wolle am Schaafe etwas gezwungener, doch aͤhnlich behandelt.
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[169/0187] was der Sinn wohl wahrnimmt, doch die Sprache nimmer ausdruͤckt, entſcheidet mich zu glauben, daß jene Statue in noch aͤlterer Zeit gebildet worden; denn ſicher zeigt ſie, bey gleichem oder geringerem Kunſtgeſchicke, doch ein feineres Ge- fuͤhl fuͤr die Bedeutung der Geſichtsformen *); ſo wie endlich die Vorſtellung an ſich ſelbſt ſo ſehr im Geiſte der antiken Kunſt zu ſeyn ſcheint, daß ich, auch abgeſehen von der er- waͤhnten Figur, nicht anſtehen wuͤrde, ihre erſte Auffaſſung ſehr fruͤhen Zeiten des Chriſtenthums beizulegen. Ueberhaupt halte ich, unter rein chriſtlichen Allegorieen, ſolche fuͤr die aͤl- teren, welche ſich auf bibliſche Gleichniſſe ſtuͤtzen; die bibliſch- geſchichtlichen aber durchhin fuͤr die neueren. Unter den letz- ten ſind bekanntlich die Anſpielungen auf die Wiedergeburt, der Prophet Jonas, die Erweckung des Lazarus, die Ver- wandlung des Weines und aͤhnliche bey weitem die gewoͤhn- lichſten. Es wundert mich, daß die Denkmale, an denen ſie vorkommen, groͤßtentheils von der roheſten Arbeit ſind. Viel- leicht glaubte man, es genuͤge, den Gedanken nur anzudeu- *) Vor einigen Jahren habe ich uͤber die bildneriſche Behand- lung dieſer Statue nachſtehende Bemerkungen aufgezeichnet: Sie iſt vom halben Schenkel abwaͤrts reſtaurirt, eben ſo beide Arme, mit Ausnahme der linken Hand, und am Kopfe die Kno- chenwoͤlbung uͤber dem rechten Auge, die Naſe, ein Theil der Lip- pen und das Kinn. Die Augen ſtehen nicht gleich; demungeachtet iſt die Form der antiken Theile nicht unſchoͤn, der Ausdruck liebenswerth, auch in Hals und Bruſt einige Ausbildung der Theile. Die Falten der Tunica haben einzelne ſehr gute Parthieen; im Ganzen iſt ihre Behandlung antik, nur nicht alles gleich gut ent- wickelt. Die Tunica iſt um die Huͤften aufgebunden. Das Haar iſt durch tief eingebohrte Loͤcher ausgedruͤckt, die Wolle am Schaafe etwas gezwungener, doch aͤhnlich behandelt.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/187>, abgerufen am 24.11.2024.