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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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ernsten Sinn und stehn überall unter der Obhut und Leitung
des Begriffes. Das anschauliche Denken aber, wenn diese Be-
griffsverbindung mir zugestanden wird, vermag eben sowohl
sich in Tiefen zu versenken, als auf der Oberfläche zu ver-
breiten; ist eben sowohl der strengsten Folge, als eines mun-
teren Ueberspringens fähig. Diese Geistesart ist demnach gleich-
sam ein zweytes Bild, der Spiegel des gesammten Geistes-
lebens; wenn nicht gar das Ursprüngliche selbst, wie die äl-
teste Philosophie und der Umstand anzudeuten scheint, daß alle
sehr alte, oder durch den Verbrauch nicht gänzlich abgeschliffene
Sprachen dessen Aufdruck bewahrt haben.

Doch werde ich einräumen müssen, daß diese Art, Be-
ziehung, oder Thätigkeit des Geistes, wie hoch wir sie stellen
mögen, doch in der bescheidenen Mitte zweyer Extreme liegt,
welche von beiden Seiten, weit über sie hinausreichen. Denn
dem abstracten Denken, welches durch folgerechtes Anreihen
aus wesenlosen Formeln überraschende Ergebnisse hervorbringt,
vermag die anschauliche Auffassung, wie ich schon angedeutet
habe, auf keine Weise zu folgen. Eben so wenig aber auch
jenem unbestimmten Sehnen und Ahnen des Schöneren und
Besseren *), dessen im Gefühle schwebende, zitternde, unge-

*) Dieses auszudrücken ist die eigenthümliche Aufgabe der hö-
heren Musik; s. die gehaltvolle kleine Schrift: Ueber Reinheit der
Tonkunst, Heidelb. 1825, wo auf Kochers Arbeiten hingewiesen
wird, welche mir nur aus mündlichen Andeutungen des Vf. bekannt
sind. -- Die verschiedenen Formen, in denen das allgemeine Gei-
stesleben sich offenbart und ausdrückt, sind nicht der bloßen Man-
nichfaltigkeit willen vorhanden; sie ergänzen einander; sie unter-
stützen sich gegenseitig; keine ist so durchhin die Wiederholung und
Abspiegelung der anderen.

ernſten Sinn und ſtehn uͤberall unter der Obhut und Leitung
des Begriffes. Das anſchauliche Denken aber, wenn dieſe Be-
griffsverbindung mir zugeſtanden wird, vermag eben ſowohl
ſich in Tiefen zu verſenken, als auf der Oberflaͤche zu ver-
breiten; iſt eben ſowohl der ſtrengſten Folge, als eines mun-
teren Ueberſpringens faͤhig. Dieſe Geiſtesart iſt demnach gleich-
ſam ein zweytes Bild, der Spiegel des geſammten Geiſtes-
lebens; wenn nicht gar das Urſpruͤngliche ſelbſt, wie die aͤl-
teſte Philoſophie und der Umſtand anzudeuten ſcheint, daß alle
ſehr alte, oder durch den Verbrauch nicht gaͤnzlich abgeſchliffene
Sprachen deſſen Aufdruck bewahrt haben.

Doch werde ich einraͤumen muͤſſen, daß dieſe Art, Be-
ziehung, oder Thaͤtigkeit des Geiſtes, wie hoch wir ſie ſtellen
moͤgen, doch in der beſcheidenen Mitte zweyer Extreme liegt,
welche von beiden Seiten, weit uͤber ſie hinausreichen. Denn
dem abſtracten Denken, welches durch folgerechtes Anreihen
aus weſenloſen Formeln uͤberraſchende Ergebniſſe hervorbringt,
vermag die anſchauliche Auffaſſung, wie ich ſchon angedeutet
habe, auf keine Weiſe zu folgen. Eben ſo wenig aber auch
jenem unbeſtimmten Sehnen und Ahnen des Schoͤneren und
Beſſeren *), deſſen im Gefuͤhle ſchwebende, zitternde, unge-

*) Dieſes auszudruͤcken iſt die eigenthuͤmliche Aufgabe der hoͤ-
heren Muſik; ſ. die gehaltvolle kleine Schrift: Ueber Reinheit der
Tonkunſt, Heidelb. 1825, wo auf Kochers Arbeiten hingewieſen
wird, welche mir nur aus muͤndlichen Andeutungen des Vf. bekannt
ſind. — Die verſchiedenen Formen, in denen das allgemeine Gei-
ſtesleben ſich offenbart und ausdruͤckt, ſind nicht der bloßen Man-
nichfaltigkeit willen vorhanden; ſie ergaͤnzen einander; ſie unter-
ſtuͤtzen ſich gegenſeitig; keine iſt ſo durchhin die Wiederholung und
Abſpiegelung der anderen.
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[122/0140] ernſten Sinn und ſtehn uͤberall unter der Obhut und Leitung des Begriffes. Das anſchauliche Denken aber, wenn dieſe Be- griffsverbindung mir zugeſtanden wird, vermag eben ſowohl ſich in Tiefen zu verſenken, als auf der Oberflaͤche zu ver- breiten; iſt eben ſowohl der ſtrengſten Folge, als eines mun- teren Ueberſpringens faͤhig. Dieſe Geiſtesart iſt demnach gleich- ſam ein zweytes Bild, der Spiegel des geſammten Geiſtes- lebens; wenn nicht gar das Urſpruͤngliche ſelbſt, wie die aͤl- teſte Philoſophie und der Umſtand anzudeuten ſcheint, daß alle ſehr alte, oder durch den Verbrauch nicht gaͤnzlich abgeſchliffene Sprachen deſſen Aufdruck bewahrt haben. Doch werde ich einraͤumen muͤſſen, daß dieſe Art, Be- ziehung, oder Thaͤtigkeit des Geiſtes, wie hoch wir ſie ſtellen moͤgen, doch in der beſcheidenen Mitte zweyer Extreme liegt, welche von beiden Seiten, weit uͤber ſie hinausreichen. Denn dem abſtracten Denken, welches durch folgerechtes Anreihen aus weſenloſen Formeln uͤberraſchende Ergebniſſe hervorbringt, vermag die anſchauliche Auffaſſung, wie ich ſchon angedeutet habe, auf keine Weiſe zu folgen. Eben ſo wenig aber auch jenem unbeſtimmten Sehnen und Ahnen des Schoͤneren und Beſſeren *), deſſen im Gefuͤhle ſchwebende, zitternde, unge- *) Dieſes auszudruͤcken iſt die eigenthuͤmliche Aufgabe der hoͤ- heren Muſik; ſ. die gehaltvolle kleine Schrift: Ueber Reinheit der Tonkunſt, Heidelb. 1825, wo auf Kochers Arbeiten hingewieſen wird, welche mir nur aus muͤndlichen Andeutungen des Vf. bekannt ſind. — Die verſchiedenen Formen, in denen das allgemeine Gei- ſtesleben ſich offenbart und ausdruͤckt, ſind nicht der bloßen Man- nichfaltigkeit willen vorhanden; ſie ergaͤnzen einander; ſie unter- ſtuͤtzen ſich gegenſeitig; keine iſt ſo durchhin die Wiederholung und Abſpiegelung der anderen.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/140>, abgerufen am 25.11.2024.