gestellten, wie von den darstellenden Formen verschiedener und unterscheidbarer Stoff in jedem Werke der Kunst vorhanden sey, erhellt aus sich selbst. Weniger vielleicht, daß derselbe unter allen Umständen sich geltend macht, und, je nachdem seine inneren Forderungen erfüllt, oder verletzt worden, bald die Gesammterscheinung der Kunstwerke begünstigt, bald sie, wenn nicht vernichtet, doch stört. Es ist daher von großer Wichtigkeit, diese Foderungen zu erforschen, was nur geschehen kann, indem wir den Stoff ganz für sich betrachten, also denselben von anderem, sey es, Allgemeinem, oder Besonde- rem der Kunst, in unserer Vorstellung absondern.
Die Foderungen des derben Kunststoffes, deren Erfüllung ich Styl nenne, sind, einmal allgemeine, jegliche Kunstart gemeinschaftlich umfassende; zweytens besondere, nur die ein- zelnen Kunstarten, jegliche für sich, betreffende.
In Bezug auf den derben und äußerlichsten Kunststoff treffen beide darstellende Künste unter sich, wie mit der Bau- kunst (welche bekanntlich, nachdem sie der Nothdurft und der Stärke genügt hat, auch nach Schönheit streben darf), nur in einer einzigen Eigenschaft überein: der Erscheinung im Raume. Das allgemeinste, umfassendste Stylgesetz ist dem- nach: Uebereinstimmung der räumlichen Verhältnisse; eine Schönheit, deren allgemeines Gesetz allerdings noch keines- weges festgestellt worden, noch so leicht festzustellen ist; für welche indeß uns ein Gefühl verliehen worden, dessen Schär- fung und Ausbildung dem Künstler besonders obliegt.
Daß Uebereinstimmung räumlicher Verhältnisse ganz un- abhängig von den Foderungen sowohl des Gegenstandes, als der Formen der Darstellung, erstrebt werden könne, zeigt sich
geſtellten, wie von den darſtellenden Formen verſchiedener und unterſcheidbarer Stoff in jedem Werke der Kunſt vorhanden ſey, erhellt aus ſich ſelbſt. Weniger vielleicht, daß derſelbe unter allen Umſtaͤnden ſich geltend macht, und, je nachdem ſeine inneren Forderungen erfuͤllt, oder verletzt worden, bald die Geſammterſcheinung der Kunſtwerke beguͤnſtigt, bald ſie, wenn nicht vernichtet, doch ſtoͤrt. Es iſt daher von großer Wichtigkeit, dieſe Foderungen zu erforſchen, was nur geſchehen kann, indem wir den Stoff ganz fuͤr ſich betrachten, alſo denſelben von anderem, ſey es, Allgemeinem, oder Beſonde- rem der Kunſt, in unſerer Vorſtellung abſondern.
Die Foderungen des derben Kunſtſtoffes, deren Erfuͤllung ich Styl nenne, ſind, einmal allgemeine, jegliche Kunſtart gemeinſchaftlich umfaſſende; zweytens beſondere, nur die ein- zelnen Kunſtarten, jegliche fuͤr ſich, betreffende.
In Bezug auf den derben und aͤußerlichſten Kunſtſtoff treffen beide darſtellende Kuͤnſte unter ſich, wie mit der Bau- kunſt (welche bekanntlich, nachdem ſie der Nothdurft und der Staͤrke genuͤgt hat, auch nach Schoͤnheit ſtreben darf), nur in einer einzigen Eigenſchaft uͤberein: der Erſcheinung im Raume. Das allgemeinſte, umfaſſendſte Stylgeſetz iſt dem- nach: Uebereinſtimmung der raͤumlichen Verhaͤltniſſe; eine Schoͤnheit, deren allgemeines Geſetz allerdings noch keines- weges feſtgeſtellt worden, noch ſo leicht feſtzuſtellen iſt; fuͤr welche indeß uns ein Gefuͤhl verliehen worden, deſſen Schaͤr- fung und Ausbildung dem Kuͤnſtler beſonders obliegt.
Daß Uebereinſtimmung raͤumlicher Verhaͤltniſſe ganz un- abhaͤngig von den Foderungen ſowohl des Gegenſtandes, als der Formen der Darſtellung, erſtrebt werden koͤnne, zeigt ſich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0106"n="88"/>
geſtellten, wie von den darſtellenden Formen verſchiedener und<lb/>
unterſcheidbarer Stoff in jedem Werke der Kunſt vorhanden<lb/>ſey, erhellt aus ſich ſelbſt. Weniger vielleicht, daß derſelbe<lb/>
unter allen Umſtaͤnden ſich geltend macht, und, je nachdem<lb/>ſeine inneren Forderungen erfuͤllt, oder verletzt worden, bald<lb/>
die Geſammterſcheinung der Kunſtwerke beguͤnſtigt, bald ſie,<lb/>
wenn nicht vernichtet, doch ſtoͤrt. Es iſt daher von großer<lb/>
Wichtigkeit, dieſe Foderungen zu erforſchen, was nur geſchehen<lb/>
kann, indem wir den Stoff ganz fuͤr ſich betrachten, alſo<lb/>
denſelben von anderem, ſey es, Allgemeinem, oder Beſonde-<lb/>
rem der Kunſt, in unſerer Vorſtellung abſondern.</p><lb/><p>Die Foderungen des derben Kunſtſtoffes, deren Erfuͤllung<lb/>
ich Styl nenne, ſind, einmal allgemeine, jegliche Kunſtart<lb/>
gemeinſchaftlich umfaſſende; zweytens beſondere, nur die ein-<lb/>
zelnen Kunſtarten, jegliche fuͤr ſich, betreffende.</p><lb/><p>In Bezug auf den derben und aͤußerlichſten Kunſtſtoff<lb/>
treffen beide darſtellende Kuͤnſte unter ſich, wie mit der Bau-<lb/>
kunſt (welche bekanntlich, nachdem ſie der Nothdurft und der<lb/>
Staͤrke genuͤgt hat, auch nach Schoͤnheit ſtreben darf), nur<lb/>
in einer einzigen Eigenſchaft uͤberein: der Erſcheinung im<lb/>
Raume. Das allgemeinſte, umfaſſendſte Stylgeſetz iſt dem-<lb/>
nach: Uebereinſtimmung der raͤumlichen Verhaͤltniſſe; eine<lb/>
Schoͤnheit, deren allgemeines Geſetz allerdings noch keines-<lb/>
weges feſtgeſtellt worden, noch ſo leicht feſtzuſtellen iſt; fuͤr<lb/>
welche indeß uns ein Gefuͤhl verliehen worden, deſſen Schaͤr-<lb/>
fung und Ausbildung dem Kuͤnſtler beſonders obliegt.</p><lb/><p>Daß Uebereinſtimmung raͤumlicher Verhaͤltniſſe ganz un-<lb/>
abhaͤngig von den Foderungen ſowohl des Gegenſtandes, als<lb/>
der Formen der Darſtellung, erſtrebt werden koͤnne, zeigt ſich<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[88/0106]
geſtellten, wie von den darſtellenden Formen verſchiedener und
unterſcheidbarer Stoff in jedem Werke der Kunſt vorhanden
ſey, erhellt aus ſich ſelbſt. Weniger vielleicht, daß derſelbe
unter allen Umſtaͤnden ſich geltend macht, und, je nachdem
ſeine inneren Forderungen erfuͤllt, oder verletzt worden, bald
die Geſammterſcheinung der Kunſtwerke beguͤnſtigt, bald ſie,
wenn nicht vernichtet, doch ſtoͤrt. Es iſt daher von großer
Wichtigkeit, dieſe Foderungen zu erforſchen, was nur geſchehen
kann, indem wir den Stoff ganz fuͤr ſich betrachten, alſo
denſelben von anderem, ſey es, Allgemeinem, oder Beſonde-
rem der Kunſt, in unſerer Vorſtellung abſondern.
Die Foderungen des derben Kunſtſtoffes, deren Erfuͤllung
ich Styl nenne, ſind, einmal allgemeine, jegliche Kunſtart
gemeinſchaftlich umfaſſende; zweytens beſondere, nur die ein-
zelnen Kunſtarten, jegliche fuͤr ſich, betreffende.
In Bezug auf den derben und aͤußerlichſten Kunſtſtoff
treffen beide darſtellende Kuͤnſte unter ſich, wie mit der Bau-
kunſt (welche bekanntlich, nachdem ſie der Nothdurft und der
Staͤrke genuͤgt hat, auch nach Schoͤnheit ſtreben darf), nur
in einer einzigen Eigenſchaft uͤberein: der Erſcheinung im
Raume. Das allgemeinſte, umfaſſendſte Stylgeſetz iſt dem-
nach: Uebereinſtimmung der raͤumlichen Verhaͤltniſſe; eine
Schoͤnheit, deren allgemeines Geſetz allerdings noch keines-
weges feſtgeſtellt worden, noch ſo leicht feſtzuſtellen iſt; fuͤr
welche indeß uns ein Gefuͤhl verliehen worden, deſſen Schaͤr-
fung und Ausbildung dem Kuͤnſtler beſonders obliegt.
Daß Uebereinſtimmung raͤumlicher Verhaͤltniſſe ganz un-
abhaͤngig von den Foderungen ſowohl des Gegenſtandes, als
der Formen der Darſtellung, erſtrebt werden koͤnne, zeigt ſich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/106>, abgerufen am 06.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.