Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

In ihrem Sinne ist Styl nicht mehr, wie bey den Italienern,
ein Besonderes und Eigenthümliches, sondern ein allgemeiner,
durchhin begehrenswerther Vortheil in der Handhabung des
äußeren Kunststoffes. Allerdings ist dieser Begriff bey Vielen
noch immer mit Vorstellungen von beliebten Eigenthümlichkei-
ten einzelner Schulen und Meister verbunden; doch nur, weil
sie diese Eigenthümlichkeiten für durchaus musterhaft, und
gleichsam für ein Allgemeines halten. Also werden wir nicht
wesentlich weder vom Wortgebrauch, noch von dem eigentli-
chen Sinne der besten Künstler dieser Zeit abweichen, wenn
wir den Styl als ein zur Gewohnheit gediehenes
sich Fügen in die inneren Foderungen des Stoffes
erklären, in welchem der Bildner seine Gestalten
wirklich bildet, der Maler sie erscheinen macht
.

Styl, oder solches, was mir Styl heißt, entspringt also
auf keine Weise, weder, wie bey Winckelmann und in
anderen Kunstschriften, aus einer bestimmten Richtung oder
Erhebung des Geistes, noch, wie bey den Italienern, aus den
eigenthümlichen Gewöhnungen der einzelnen Schulen und Mei-
ster, sondern einzig aus einem richtigen, aber nothwendig be-
scheidenen und nüchternen Gefühle einer äußeren Beschränkung
der Kunst durch den derben, in seinem Verhältniß zum Künst-
ler gestalt-freyen Stoff *). Daß ein solcher vom Dar-

legten zu der mehrseitigen Regsamkeit deutscher Künstler, welche
noch immer dauert. S. Fernow Leben des Maler Carstens,
S. 246. -- Bey Fernow liegt dieser Begriff allerdings noch sehr
im Rohen.
*) Sandrart, teutsche Akad. Theil I. Bch. 2. Kap. 1., de-
finirt die Bildnerey als eine Kunst, "welche durch Abnehmung
und Stümmelung des überflüssigen Stoffes dem ungestalten
Holz u. s. f. die verlangte Form giebt."

In ihrem Sinne iſt Styl nicht mehr, wie bey den Italienern,
ein Beſonderes und Eigenthuͤmliches, ſondern ein allgemeiner,
durchhin begehrenswerther Vortheil in der Handhabung des
aͤußeren Kunſtſtoffes. Allerdings iſt dieſer Begriff bey Vielen
noch immer mit Vorſtellungen von beliebten Eigenthuͤmlichkei-
ten einzelner Schulen und Meiſter verbunden; doch nur, weil
ſie dieſe Eigenthuͤmlichkeiten fuͤr durchaus muſterhaft, und
gleichſam fuͤr ein Allgemeines halten. Alſo werden wir nicht
weſentlich weder vom Wortgebrauch, noch von dem eigentli-
chen Sinne der beſten Kuͤnſtler dieſer Zeit abweichen, wenn
wir den Styl als ein zur Gewohnheit gediehenes
ſich Fuͤgen in die inneren Foderungen des Stoffes
erklaͤren, in welchem der Bildner ſeine Geſtalten
wirklich bildet, der Maler ſie erſcheinen macht
.

Styl, oder ſolches, was mir Styl heißt, entſpringt alſo
auf keine Weiſe, weder, wie bey Winckelmann und in
anderen Kunſtſchriften, aus einer beſtimmten Richtung oder
Erhebung des Geiſtes, noch, wie bey den Italienern, aus den
eigenthuͤmlichen Gewoͤhnungen der einzelnen Schulen und Mei-
ſter, ſondern einzig aus einem richtigen, aber nothwendig be-
ſcheidenen und nuͤchternen Gefuͤhle einer aͤußeren Beſchraͤnkung
der Kunſt durch den derben, in ſeinem Verhaͤltniß zum Kuͤnſt-
ler geſtalt-freyen Stoff *). Daß ein ſolcher vom Dar-

legten zu der mehrſeitigen Regſamkeit deutſcher Kuͤnſtler, welche
noch immer dauert. S. Fernow Leben des Maler Carſtens,
S. 246. — Bey Fernow liegt dieſer Begriff allerdings noch ſehr
im Rohen.
*) Sandrart, teutſche Akad. Theil I. Bch. 2. Kap. 1., de-
finirt die Bildnerey als eine Kunſt, „welche durch Abnehmung
und Stuͤmmelung des uͤberfluͤſſigen Stoffes dem ungeſtalten
Holz u. ſ. f. die verlangte Form giebt.“
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0105" n="87"/>
In ihrem Sinne i&#x017F;t Styl nicht mehr, wie bey den Italienern,<lb/>
ein Be&#x017F;onderes und Eigenthu&#x0364;mliches, &#x017F;ondern ein allgemeiner,<lb/>
durchhin begehrenswerther Vortheil in der Handhabung des<lb/>
a&#x0364;ußeren Kun&#x017F;t&#x017F;toffes. Allerdings i&#x017F;t die&#x017F;er Begriff bey Vielen<lb/>
noch immer mit Vor&#x017F;tellungen von beliebten Eigenthu&#x0364;mlichkei-<lb/>
ten einzelner Schulen und Mei&#x017F;ter verbunden; doch nur, weil<lb/>
&#x017F;ie die&#x017F;e Eigenthu&#x0364;mlichkeiten fu&#x0364;r durchaus mu&#x017F;terhaft, und<lb/>
gleich&#x017F;am fu&#x0364;r ein Allgemeines halten. Al&#x017F;o werden wir nicht<lb/>
we&#x017F;entlich weder vom Wortgebrauch, noch von dem eigentli-<lb/>
chen Sinne der be&#x017F;ten Ku&#x0364;n&#x017F;tler die&#x017F;er Zeit abweichen, wenn<lb/>
wir den Styl <hi rendition="#g">als ein zur Gewohnheit gediehenes<lb/>
&#x017F;ich Fu&#x0364;gen in die inneren Foderungen des Stoffes<lb/>
erkla&#x0364;ren, in welchem der Bildner &#x017F;eine Ge&#x017F;talten<lb/>
wirklich bildet, der Maler &#x017F;ie er&#x017F;cheinen macht</hi>.</p><lb/>
          <p>Styl, oder &#x017F;olches, was <hi rendition="#g">mir</hi> Styl heißt, ent&#x017F;pringt al&#x017F;o<lb/>
auf keine Wei&#x017F;e, weder, wie bey <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118633600">Winckelmann</persName></hi> und in<lb/>
anderen Kun&#x017F;t&#x017F;chriften, aus einer be&#x017F;timmten Richtung oder<lb/>
Erhebung des Gei&#x017F;tes, noch, wie bey den Italienern, aus den<lb/>
eigenthu&#x0364;mlichen Gewo&#x0364;hnungen der einzelnen Schulen und Mei-<lb/>
&#x017F;ter, &#x017F;ondern einzig aus einem richtigen, aber nothwendig be-<lb/>
&#x017F;cheidenen und nu&#x0364;chternen Gefu&#x0364;hle einer a&#x0364;ußeren Be&#x017F;chra&#x0364;nkung<lb/>
der Kun&#x017F;t durch den derben, in &#x017F;einem Verha&#x0364;ltniß zum Ku&#x0364;n&#x017F;t-<lb/>
ler <hi rendition="#g">ge&#x017F;talt-freyen</hi> Stoff <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118794396">Sandrart</persName></hi>, teut&#x017F;che Akad. Theil <hi rendition="#aq">I.</hi> Bch. 2. Kap. 1., de-<lb/>
finirt die Bildnerey als eine Kun&#x017F;t, &#x201E;welche durch Abnehmung<lb/>
und Stu&#x0364;mmelung des u&#x0364;berflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;igen Stoffes dem <hi rendition="#g">unge&#x017F;talten</hi><lb/>
Holz u. &#x017F;. f. die verlangte Form giebt.&#x201C;</note>. Daß ein &#x017F;olcher vom Dar-<lb/><note xml:id="fn12b" prev="#fn12a" place="foot" n="**)">legten zu der mehr&#x017F;eitigen Reg&#x017F;amkeit deut&#x017F;cher Ku&#x0364;n&#x017F;tler, welche<lb/>
noch immer dauert. S. <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118686852">Fernow</persName></hi> Leben des Maler <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118519298">Car&#x017F;tens</persName></hi>,<lb/>
S. 246. &#x2014; Bey <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118686852">Fernow</persName></hi> liegt die&#x017F;er Begriff allerdings noch &#x017F;ehr<lb/>
im Rohen.</note><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[87/0105] In ihrem Sinne iſt Styl nicht mehr, wie bey den Italienern, ein Beſonderes und Eigenthuͤmliches, ſondern ein allgemeiner, durchhin begehrenswerther Vortheil in der Handhabung des aͤußeren Kunſtſtoffes. Allerdings iſt dieſer Begriff bey Vielen noch immer mit Vorſtellungen von beliebten Eigenthuͤmlichkei- ten einzelner Schulen und Meiſter verbunden; doch nur, weil ſie dieſe Eigenthuͤmlichkeiten fuͤr durchaus muſterhaft, und gleichſam fuͤr ein Allgemeines halten. Alſo werden wir nicht weſentlich weder vom Wortgebrauch, noch von dem eigentli- chen Sinne der beſten Kuͤnſtler dieſer Zeit abweichen, wenn wir den Styl als ein zur Gewohnheit gediehenes ſich Fuͤgen in die inneren Foderungen des Stoffes erklaͤren, in welchem der Bildner ſeine Geſtalten wirklich bildet, der Maler ſie erſcheinen macht. Styl, oder ſolches, was mir Styl heißt, entſpringt alſo auf keine Weiſe, weder, wie bey Winckelmann und in anderen Kunſtſchriften, aus einer beſtimmten Richtung oder Erhebung des Geiſtes, noch, wie bey den Italienern, aus den eigenthuͤmlichen Gewoͤhnungen der einzelnen Schulen und Mei- ſter, ſondern einzig aus einem richtigen, aber nothwendig be- ſcheidenen und nuͤchternen Gefuͤhle einer aͤußeren Beſchraͤnkung der Kunſt durch den derben, in ſeinem Verhaͤltniß zum Kuͤnſt- ler geſtalt-freyen Stoff *). Daß ein ſolcher vom Dar- **) *) Sandrart, teutſche Akad. Theil I. Bch. 2. Kap. 1., de- finirt die Bildnerey als eine Kunſt, „welche durch Abnehmung und Stuͤmmelung des uͤberfluͤſſigen Stoffes dem ungeſtalten Holz u. ſ. f. die verlangte Form giebt.“ **) legten zu der mehrſeitigen Regſamkeit deutſcher Kuͤnſtler, welche noch immer dauert. S. Fernow Leben des Maler Carſtens, S. 246. — Bey Fernow liegt dieſer Begriff allerdings noch ſehr im Rohen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/105
Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/105>, abgerufen am 06.05.2024.