Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht etwa die Ansicht der Manieristen, vielmehr die Ueber-
zeugung, welche wir eben begründet und erläutert haben.

Der Styl aber wird eine längere Abschweifung, viel-
mehr eine eigene Betrachtung erfordern, da man bis dahin
weder über die Bedeutung dieses Wortes, noch über die Wahr-
nehmung, welche ich damit zu verbinden geneigt bin, so gänz-
lich einig und im Reinen ist.

Schon die alten Römer übertrugen das Bild des stylus,
des Griffels, oder des Werkzeuges, durch welches sie ihre
Gedanken und Entwürfe auf Wachstafeln einzugraben pfleg-
ten, auf allgemeinere Vorzüge der Schreibart. Wir haben
bekanntlich mit dem Begriffe auch das bezeichnende Wort von
ihnen angenommen. Die neueren Italiener indeß, denen wir
einen großen Theil unserer Kunstworte verdanken, weil sie
zuerst Dinge der Kunst mit einigem Erfolge behandelt haben,
hatten längst aufgehört mit Griffeln zu schreiben, als in dem
berühmten Sonett des Petrarca *) dasselbe, nur zu, stile,
erneuerte Wort in dem Sinne eines Zeichnenstiftes wieder auf-
trat. Daher, aus dem modernen Begriffe eines Werkzeuges
der Kunst, stammt die Uebertragung des Wortes auf Vor-
theile der künstlerischen Darstellung, welche in der That in
Italien frühe, in Deutschland und in den übrigen tramonta-
nen Ländern sehr spät vorkommt. Den Italienern aber, denen
das Grundbild gegenwärtig blieb, bezeichnete stile, wie ma-
niera,
durchaus nur die äußerlichsten Vortheile in der Hand-
habung der Form, oder des Stoffes, wie die Beyworte, welche
sie mit diesem Begriffe zu verbinden gewohnt sind, deutlich

*) Auf das Bild seiner Laura. Son. 57. Vergl. Cennino di
Drea Cennini
trattato etc. c.
8.

nicht etwa die Anſicht der Manieriſten, vielmehr die Ueber-
zeugung, welche wir eben begruͤndet und erlaͤutert haben.

Der Styl aber wird eine laͤngere Abſchweifung, viel-
mehr eine eigene Betrachtung erfordern, da man bis dahin
weder uͤber die Bedeutung dieſes Wortes, noch uͤber die Wahr-
nehmung, welche ich damit zu verbinden geneigt bin, ſo gaͤnz-
lich einig und im Reinen iſt.

Schon die alten Roͤmer uͤbertrugen das Bild des stylus,
des Griffels, oder des Werkzeuges, durch welches ſie ihre
Gedanken und Entwuͤrfe auf Wachstafeln einzugraben pfleg-
ten, auf allgemeinere Vorzuͤge der Schreibart. Wir haben
bekanntlich mit dem Begriffe auch das bezeichnende Wort von
ihnen angenommen. Die neueren Italiener indeß, denen wir
einen großen Theil unſerer Kunſtworte verdanken, weil ſie
zuerſt Dinge der Kunſt mit einigem Erfolge behandelt haben,
hatten laͤngſt aufgehoͤrt mit Griffeln zu ſchreiben, als in dem
beruͤhmten Sonett des Petrarca *) daſſelbe, nur zu, stile,
erneuerte Wort in dem Sinne eines Zeichnenſtiftes wieder auf-
trat. Daher, aus dem modernen Begriffe eines Werkzeuges
der Kunſt, ſtammt die Uebertragung des Wortes auf Vor-
theile der kuͤnſtleriſchen Darſtellung, welche in der That in
Italien fruͤhe, in Deutſchland und in den uͤbrigen tramonta-
nen Laͤndern ſehr ſpaͤt vorkommt. Den Italienern aber, denen
das Grundbild gegenwaͤrtig blieb, bezeichnete stile, wie ma-
niera,
durchaus nur die aͤußerlichſten Vortheile in der Hand-
habung der Form, oder des Stoffes, wie die Beyworte, welche
ſie mit dieſem Begriffe zu verbinden gewohnt ſind, deutlich

*) Auf das Bild ſeiner Laura. Son. 57. Vergl. Cennino di
Drea Cennini
trattato etc. c.
8.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0103" n="85"/>
nicht etwa die An&#x017F;icht der Manieri&#x017F;ten, vielmehr die Ueber-<lb/>
zeugung, welche wir eben begru&#x0364;ndet und erla&#x0364;utert haben.</p><lb/>
          <p>Der Styl aber wird eine la&#x0364;ngere Ab&#x017F;chweifung, viel-<lb/>
mehr eine eigene Betrachtung erfordern, da man bis dahin<lb/>
weder u&#x0364;ber die Bedeutung die&#x017F;es Wortes, noch u&#x0364;ber die Wahr-<lb/>
nehmung, welche ich damit zu verbinden geneigt bin, &#x017F;o ga&#x0364;nz-<lb/>
lich einig und im Reinen i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Schon die alten Ro&#x0364;mer u&#x0364;bertrugen das Bild des <hi rendition="#aq">stylus,</hi><lb/>
des Griffels, oder des Werkzeuges, durch welches &#x017F;ie ihre<lb/>
Gedanken und Entwu&#x0364;rfe auf Wachstafeln einzugraben pfleg-<lb/>
ten, auf allgemeinere Vorzu&#x0364;ge der Schreibart. Wir haben<lb/>
bekanntlich mit dem Begriffe auch das bezeichnende Wort von<lb/>
ihnen angenommen. Die neueren Italiener indeß, denen wir<lb/>
einen großen Theil un&#x017F;erer Kun&#x017F;tworte verdanken, weil &#x017F;ie<lb/>
zuer&#x017F;t Dinge der Kun&#x017F;t mit einigem Erfolge behandelt haben,<lb/>
hatten la&#x0364;ng&#x017F;t aufgeho&#x0364;rt mit Griffeln zu &#x017F;chreiben, als in dem<lb/>
beru&#x0364;hmten Sonett des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118593234">Petrarca</persName> <note place="foot" n="*)">Auf das Bild &#x017F;einer Laura. <hi rendition="#aq">Son.</hi> 57. Vergl. <hi rendition="#aq"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/100735797">Cennino di<lb/>
Drea Cennini</persName> trattato etc. c.</hi> 8.</note> da&#x017F;&#x017F;elbe, nur zu, <hi rendition="#aq">stile,</hi><lb/>
erneuerte Wort in dem Sinne eines Zeichnen&#x017F;tiftes wieder auf-<lb/>
trat. Daher, aus dem modernen Begriffe eines Werkzeuges<lb/>
der Kun&#x017F;t, &#x017F;tammt die Uebertragung des Wortes auf Vor-<lb/>
theile der ku&#x0364;n&#x017F;tleri&#x017F;chen Dar&#x017F;tellung, welche in der That in<lb/><placeName>Italien</placeName> fru&#x0364;he, in <placeName>Deut&#x017F;chland</placeName> und in den u&#x0364;brigen tramonta-<lb/>
nen La&#x0364;ndern &#x017F;ehr &#x017F;pa&#x0364;t vorkommt. Den Italienern aber, denen<lb/>
das Grundbild gegenwa&#x0364;rtig blieb, bezeichnete <hi rendition="#aq">stile,</hi> wie <hi rendition="#aq">ma-<lb/>
niera,</hi> durchaus nur die a&#x0364;ußerlich&#x017F;ten Vortheile in der Hand-<lb/>
habung der Form, oder des Stoffes, wie die Beyworte, welche<lb/>
&#x017F;ie mit die&#x017F;em Begriffe zu verbinden gewohnt &#x017F;ind, deutlich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[85/0103] nicht etwa die Anſicht der Manieriſten, vielmehr die Ueber- zeugung, welche wir eben begruͤndet und erlaͤutert haben. Der Styl aber wird eine laͤngere Abſchweifung, viel- mehr eine eigene Betrachtung erfordern, da man bis dahin weder uͤber die Bedeutung dieſes Wortes, noch uͤber die Wahr- nehmung, welche ich damit zu verbinden geneigt bin, ſo gaͤnz- lich einig und im Reinen iſt. Schon die alten Roͤmer uͤbertrugen das Bild des stylus, des Griffels, oder des Werkzeuges, durch welches ſie ihre Gedanken und Entwuͤrfe auf Wachstafeln einzugraben pfleg- ten, auf allgemeinere Vorzuͤge der Schreibart. Wir haben bekanntlich mit dem Begriffe auch das bezeichnende Wort von ihnen angenommen. Die neueren Italiener indeß, denen wir einen großen Theil unſerer Kunſtworte verdanken, weil ſie zuerſt Dinge der Kunſt mit einigem Erfolge behandelt haben, hatten laͤngſt aufgehoͤrt mit Griffeln zu ſchreiben, als in dem beruͤhmten Sonett des Petrarca *) daſſelbe, nur zu, stile, erneuerte Wort in dem Sinne eines Zeichnenſtiftes wieder auf- trat. Daher, aus dem modernen Begriffe eines Werkzeuges der Kunſt, ſtammt die Uebertragung des Wortes auf Vor- theile der kuͤnſtleriſchen Darſtellung, welche in der That in Italien fruͤhe, in Deutſchland und in den uͤbrigen tramonta- nen Laͤndern ſehr ſpaͤt vorkommt. Den Italienern aber, denen das Grundbild gegenwaͤrtig blieb, bezeichnete stile, wie ma- niera, durchaus nur die aͤußerlichſten Vortheile in der Hand- habung der Form, oder des Stoffes, wie die Beyworte, welche ſie mit dieſem Begriffe zu verbinden gewohnt ſind, deutlich *) Auf das Bild ſeiner Laura. Son. 57. Vergl. Cennino di Drea Cennini trattato etc. c. 8.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/103
Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/103>, abgerufen am 28.11.2024.