werth ist, in ihren mannichfaltigsten Formen auszudrücken und darzulegen.
Einiges indeß, dessen halbdeutliche Wahrnehmung manche Archäologen und Kunstgelehrten veranlaßt hat, jene manieri- stische Ansicht für begründeter zu halten, als sie wirklich ist, bleibt uns, wie wir oben versprochen, noch zu erörtern übrig.
Denn schon bey Beleuchtung der verschiedenen Begriffe vom Idealen der Kunst hatte ich angedeutet, daß die Alter- thumsforscher in zween die Kunst des classischen Alterthumes begleitenden Umständen eine gewisse Bestätigung des Vorbe- griffes zu finden geglaubt, den sie nun einmal aus den Kunst- ansichten der Manieristen sich angeeignet. Diese Umstände nannten wir: den Typus und den Styl. Ueber den Ty- pus, oder über die Gleichförmigkeit in der Darstellung glei- cher, oder doch verwandter Kunstaufgaben, werden wir leicht hinweggehen dürfen. Er ist gedoppelter Abkunft und Art. Denn zum Theil entspringt er aus einer Nachwirkung jener ältesten Bezeichnungsart von Begriffen und Gedanken, welche wir von der reinen Kunstbetrachtung ausschließen, weil diese Eigenschaft der griechischen Kunst, künstlerisch angesehen, nur in so fern in Betrachtung kommt, als sie überall mit bewun- dernswürdiger Feinheit dem eigentlich Künstlerischen angelegt ist; im Uebrigen fällt sie, wie oben gezeigt, der historischen Archäologie anheim. An solchen Stellen aber, wo eben diese Gleichförmigkeit ganz kunstgemäß ist, entstehet sie eben aus jener in der Natur gegebenen Bedeutsamkeit der Form, ver- möge welcher bestimmte Ideen nur in bestimmten Formen sich künstlerisch ausdrücken können. Demnach ehrt sie gleich sehr den Natursinn, als die religiöse Strenge, mit welcher alt- griechische Künstler ihre Aufgaben aufgefaßt; also bestätigt sie
werth iſt, in ihren mannichfaltigſten Formen auszudruͤcken und darzulegen.
Einiges indeß, deſſen halbdeutliche Wahrnehmung manche Archaͤologen und Kunſtgelehrten veranlaßt hat, jene manieri- ſtiſche Anſicht fuͤr begruͤndeter zu halten, als ſie wirklich iſt, bleibt uns, wie wir oben verſprochen, noch zu eroͤrtern uͤbrig.
Denn ſchon bey Beleuchtung der verſchiedenen Begriffe vom Idealen der Kunſt hatte ich angedeutet, daß die Alter- thumsforſcher in zween die Kunſt des claſſiſchen Alterthumes begleitenden Umſtaͤnden eine gewiſſe Beſtaͤtigung des Vorbe- griffes zu finden geglaubt, den ſie nun einmal aus den Kunſt- anſichten der Manieriſten ſich angeeignet. Dieſe Umſtaͤnde nannten wir: den Typus und den Styl. Ueber den Ty- pus, oder uͤber die Gleichfoͤrmigkeit in der Darſtellung glei- cher, oder doch verwandter Kunſtaufgaben, werden wir leicht hinweggehen duͤrfen. Er iſt gedoppelter Abkunft und Art. Denn zum Theil entſpringt er aus einer Nachwirkung jener aͤlteſten Bezeichnungsart von Begriffen und Gedanken, welche wir von der reinen Kunſtbetrachtung ausſchließen, weil dieſe Eigenſchaft der griechiſchen Kunſt, kuͤnſtleriſch angeſehen, nur in ſo fern in Betrachtung kommt, als ſie uͤberall mit bewun- dernswuͤrdiger Feinheit dem eigentlich Kuͤnſtleriſchen angelegt iſt; im Uebrigen faͤllt ſie, wie oben gezeigt, der hiſtoriſchen Archaͤologie anheim. An ſolchen Stellen aber, wo eben dieſe Gleichfoͤrmigkeit ganz kunſtgemaͤß iſt, entſtehet ſie eben aus jener in der Natur gegebenen Bedeutſamkeit der Form, ver- moͤge welcher beſtimmte Ideen nur in beſtimmten Formen ſich kuͤnſtleriſch ausdruͤcken koͤnnen. Demnach ehrt ſie gleich ſehr den Naturſinn, als die religioͤſe Strenge, mit welcher alt- griechiſche Kuͤnſtler ihre Aufgaben aufgefaßt; alſo beſtaͤtigt ſie
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werth iſt, in ihren mannichfaltigſten Formen auszudruͤcken
und darzulegen.
Einiges indeß, deſſen halbdeutliche Wahrnehmung manche
Archaͤologen und Kunſtgelehrten veranlaßt hat, jene manieri-
ſtiſche Anſicht fuͤr begruͤndeter zu halten, als ſie wirklich iſt,
bleibt uns, wie wir oben verſprochen, noch zu eroͤrtern uͤbrig.
Denn ſchon bey Beleuchtung der verſchiedenen Begriffe
vom Idealen der Kunſt hatte ich angedeutet, daß die Alter-
thumsforſcher in zween die Kunſt des claſſiſchen Alterthumes
begleitenden Umſtaͤnden eine gewiſſe Beſtaͤtigung des Vorbe-
griffes zu finden geglaubt, den ſie nun einmal aus den Kunſt-
anſichten der Manieriſten ſich angeeignet. Dieſe Umſtaͤnde
nannten wir: den Typus und den Styl. Ueber den Ty-
pus, oder uͤber die Gleichfoͤrmigkeit in der Darſtellung glei-
cher, oder doch verwandter Kunſtaufgaben, werden wir leicht
hinweggehen duͤrfen. Er iſt gedoppelter Abkunft und Art.
Denn zum Theil entſpringt er aus einer Nachwirkung jener
aͤlteſten Bezeichnungsart von Begriffen und Gedanken, welche
wir von der reinen Kunſtbetrachtung ausſchließen, weil dieſe
Eigenſchaft der griechiſchen Kunſt, kuͤnſtleriſch angeſehen, nur
in ſo fern in Betrachtung kommt, als ſie uͤberall mit bewun-
dernswuͤrdiger Feinheit dem eigentlich Kuͤnſtleriſchen angelegt
iſt; im Uebrigen faͤllt ſie, wie oben gezeigt, der hiſtoriſchen
Archaͤologie anheim. An ſolchen Stellen aber, wo eben dieſe
Gleichfoͤrmigkeit ganz kunſtgemaͤß iſt, entſtehet ſie eben aus
jener in der Natur gegebenen Bedeutſamkeit der Form, ver-
moͤge welcher beſtimmte Ideen nur in beſtimmten Formen ſich
kuͤnſtleriſch ausdruͤcken koͤnnen. Demnach ehrt ſie gleich ſehr
den Naturſinn, als die religioͤſe Strenge, mit welcher alt-
griechiſche Kuͤnſtler ihre Aufgaben aufgefaßt; alſo beſtaͤtigt ſie
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/102>, abgerufen am 28.11.2024.
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