Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite
76.
Je größer einen Kreis du hast zu übersehn,
Je minder kann dein Blick in alles Einzle gehn.
Ein Menschenkönig und die Kön'gin der Gedanken,
Sich wähnend unumschränkt, erkennen diese Schranken.
Sie nicht, die unteren Organe sehn das Kleinste,
Die mittlern Mittleres, sie erst das Allgemeinste.
Und was von untenauf man mittelbar vernimmt,
Wird auch von obenher nur mittelbar bestimmt.
Nur Gott ist die Vernunft, die keine Schrank' umzieht,
Die selbst unmittelbar ins Einzle Alles sieht.

77.
Reichthums Vermehrung kann die Armuth nicht vermindern,
Solang das Recht nicht wird ungleiche Theilung hindern.
In einem Land, wo reich die Reichen sind allein,
Werden die Armen nur um desto ärmer seyn.

76.
Je groͤßer einen Kreis du haſt zu uͤberſehn,
Je minder kann dein Blick in alles Einzle gehn.
Ein Menſchenkoͤnig und die Koͤn'gin der Gedanken,
Sich waͤhnend unumſchraͤnkt, erkennen dieſe Schranken.
Sie nicht, die unteren Organe ſehn das Kleinſte,
Die mittlern Mittleres, ſie erſt das Allgemeinſte.
Und was von untenauf man mittelbar vernimmt,
Wird auch von obenher nur mittelbar beſtimmt.
Nur Gott iſt die Vernunft, die keine Schrank' umzieht,
Die ſelbſt unmittelbar ins Einzle Alles ſieht.

77.
Reichthums Vermehrung kann die Armuth nicht vermindern,
Solang das Recht nicht wird ungleiche Theilung hindern.
In einem Land, wo reich die Reichen ſind allein,
Werden die Armen nur um deſto aͤrmer ſeyn.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0289" n="279"/>
        <div n="2">
          <head>76.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Je gro&#x0364;ßer einen Kreis du ha&#x017F;t zu u&#x0364;ber&#x017F;ehn,</l><lb/>
              <l>Je minder kann dein Blick in alles Einzle gehn.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Ein Men&#x017F;chenko&#x0364;nig und die Ko&#x0364;n'gin der Gedanken,</l><lb/>
              <l>Sich wa&#x0364;hnend unum&#x017F;chra&#x0364;nkt, erkennen die&#x017F;e Schranken.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Sie nicht, die unteren Organe &#x017F;ehn das Klein&#x017F;te,</l><lb/>
              <l>Die mittlern Mittleres, &#x017F;ie er&#x017F;t das Allgemein&#x017F;te.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Und was von untenauf man mittelbar vernimmt,</l><lb/>
              <l>Wird auch von obenher nur mittelbar be&#x017F;timmt.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>Nur Gott i&#x017F;t die Vernunft, die keine Schrank' umzieht,</l><lb/>
              <l>Die &#x017F;elb&#x017F;t unmittelbar ins Einzle Alles &#x017F;ieht.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>77.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Reichthums Vermehrung kann die Armuth nicht vermindern,</l><lb/>
              <l>Solang das Recht nicht wird ungleiche Theilung hindern.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>In einem Land, wo reich die Reichen &#x017F;ind allein,</l><lb/>
              <l>Werden die Armen nur um de&#x017F;to a&#x0364;rmer &#x017F;eyn.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[279/0289] 76. Je groͤßer einen Kreis du haſt zu uͤberſehn, Je minder kann dein Blick in alles Einzle gehn. Ein Menſchenkoͤnig und die Koͤn'gin der Gedanken, Sich waͤhnend unumſchraͤnkt, erkennen dieſe Schranken. Sie nicht, die unteren Organe ſehn das Kleinſte, Die mittlern Mittleres, ſie erſt das Allgemeinſte. Und was von untenauf man mittelbar vernimmt, Wird auch von obenher nur mittelbar beſtimmt. Nur Gott iſt die Vernunft, die keine Schrank' umzieht, Die ſelbſt unmittelbar ins Einzle Alles ſieht. 77. Reichthums Vermehrung kann die Armuth nicht vermindern, Solang das Recht nicht wird ungleiche Theilung hindern. In einem Land, wo reich die Reichen ſind allein, Werden die Armen nur um deſto aͤrmer ſeyn.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/289
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/289>, abgerufen am 27.04.2024.