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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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und glücklich wird, aus der unsichtbaren Vater-
hand empfangen, lehrt es, diesen Vater mit tie-
fer Ehrfurcht lieben, so kann es über das Versagte
nicht murren. Ein so gebildetes Gemüth taugt
sicherlich für alle Verhältnisse des Lebens, für die
höchsten wie für die niedrigsten. Es ziert den An-
tonin auf dem Thron, und macht den Tagelöhner
achtungswerth. Es bewahrt ganz unbezweifelt
die niedern Stände vor der Niederträchtigkeit, die
Armuth vor der Armseligkeit, das Unglück vor
dem Elend, und gibt statt der Kriecherei eine De-
muth, die mit dem schönsten Selbstgefühl beste-
hen kann.

Dies also sey das Ziel der Bildung dieser kleinen
Kolonie. Glückt es, so müssen sie, die die Welt
unglücklich nennt, in sich selbst und durch sich selbst
neidenswerth glücklich seyn. Jemehr diese Kinder
sich dem Alter nähern, wo die Kindheit in die
eigentliche Jugend übergeht, jemehr müssen sie
das Leben mit einem ernsten Blick anschauen, und
die Forderungen die sie an sich selbst zu machen
haben, mit Klarheit erkennen. Und das Erkannte



und glücklich wird, aus der unſichtbaren Vater-
hand empfangen, lehrt es, dieſen Vater mit tie-
fer Ehrfurcht lieben, ſo kann es über das Verſagte
nicht murren. Ein ſo gebildetes Gemüth taugt
ſicherlich für alle Verhältniſſe des Lebens, für die
höchſten wie für die niedrigſten. Es ziert den An-
tonin auf dem Thron, und macht den Tagelöhner
achtungswerth. Es bewahrt ganz unbezweifelt
die niedern Stände vor der Niederträchtigkeit, die
Armuth vor der Armſeligkeit, das Unglück vor
dem Elend, und gibt ſtatt der Kriecherei eine De-
muth, die mit dem ſchönſten Selbſtgefühl beſte-
hen kann.

Dies alſo ſey das Ziel der Bildung dieſer kleinen
Kolonie. Glückt es, ſo müſſen ſie, die die Welt
unglücklich nennt, in ſich ſelbſt und durch ſich ſelbſt
neidenswerth glücklich ſeyn. Jemehr dieſe Kinder
ſich dem Alter nähern, wo die Kindheit in die
eigentliche Jugend übergeht, jemehr müſſen ſie
das Leben mit einem ernſten Blick anſchauen, und
die Forderungen die ſie an ſich ſelbſt zu machen
haben, mit Klarheit erkennen. Und das Erkannte

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[399/0407] und glücklich wird, aus der unſichtbaren Vater- hand empfangen, lehrt es, dieſen Vater mit tie- fer Ehrfurcht lieben, ſo kann es über das Verſagte nicht murren. Ein ſo gebildetes Gemüth taugt ſicherlich für alle Verhältniſſe des Lebens, für die höchſten wie für die niedrigſten. Es ziert den An- tonin auf dem Thron, und macht den Tagelöhner achtungswerth. Es bewahrt ganz unbezweifelt die niedern Stände vor der Niederträchtigkeit, die Armuth vor der Armſeligkeit, das Unglück vor dem Elend, und gibt ſtatt der Kriecherei eine De- muth, die mit dem ſchönſten Selbſtgefühl beſte- hen kann. Dies alſo ſey das Ziel der Bildung dieſer kleinen Kolonie. Glückt es, ſo müſſen ſie, die die Welt unglücklich nennt, in ſich ſelbſt und durch ſich ſelbſt neidenswerth glücklich ſeyn. Jemehr dieſe Kinder ſich dem Alter nähern, wo die Kindheit in die eigentliche Jugend übergeht, jemehr müſſen ſie das Leben mit einem ernſten Blick anſchauen, und die Forderungen die ſie an ſich ſelbſt zu machen haben, mit Klarheit erkennen. Und das Erkannte

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/407>, abgerufen am 16.04.2024.