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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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Der Reichthum dieser kleinen Republik bestehe
in der Unkunde des Reichthums und der Üppigkeit,
und in der Freude an dem Wenigen was da ist.
Die Weisheit welche ihnen ganz zur Natur wer-
den muß, ist: ein kindlichfrohes dankbares demü-
thiges Empfangen dessen was ihnen zu Theil wird.
Kein Wort der murrenden Klage, daß ihnen des
Guten nicht mehr werde, müsse je von einem unter
ihnen gehört werden können. Die Gemeinheit
der Gesinnung allein macht die geringern Stände
zum Pöbel. Sie werde also bis auf ihren klein-
sten Schatten verbannt aus der Gesellschaft.
Hätte sich durch irgend eine fremde oder dienende
Person etwas der Art eingeschlichen, und ließe sich
je ein Ton des mißvergnügten Murrens hören, so
muß das so verwirrte Gemüth mit schonender Liebe
an seine wahren Verhältnisse im Leben erinnert,
und ihm begreiflich gemacht werden, wie über-
schwenglich mehr überhaupt jeder Mensch hat und
genießt, als er eigentlich an das Schicksal zu for-
dern hätte. Diese Weisheit springt mit allem was
wahrhaft gut ist im Menschen, aus einer Quelle.
Laßt das junge Gemüth alles, wodurch es froh



Der Reichthum dieſer kleinen Republik beſtehe
in der Unkunde des Reichthums und der Üppigkeit,
und in der Freude an dem Wenigen was da iſt.
Die Weisheit welche ihnen ganz zur Natur wer-
den muß, iſt: ein kindlichfrohes dankbares demü-
thiges Empfangen deſſen was ihnen zu Theil wird.
Kein Wort der murrenden Klage, daß ihnen des
Guten nicht mehr werde, müſſe je von einem unter
ihnen gehört werden können. Die Gemeinheit
der Geſinnung allein macht die geringern Stände
zum Pöbel. Sie werde alſo bis auf ihren klein-
ſten Schatten verbannt aus der Geſellſchaft.
Hätte ſich durch irgend eine fremde oder dienende
Perſon etwas der Art eingeſchlichen, und ließe ſich
je ein Ton des mißvergnügten Murrens hören, ſo
muß das ſo verwirrte Gemüth mit ſchonender Liebe
an ſeine wahren Verhältniſſe im Leben erinnert,
und ihm begreiflich gemacht werden, wie über-
ſchwenglich mehr überhaupt jeder Menſch hat und
genießt, als er eigentlich an das Schickſal zu for-
dern hätte. Dieſe Weisheit ſpringt mit allem was
wahrhaft gut iſt im Menſchen, aus einer Quelle.
Laßt das junge Gemüth alles, wodurch es froh

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[398/0406] Der Reichthum dieſer kleinen Republik beſtehe in der Unkunde des Reichthums und der Üppigkeit, und in der Freude an dem Wenigen was da iſt. Die Weisheit welche ihnen ganz zur Natur wer- den muß, iſt: ein kindlichfrohes dankbares demü- thiges Empfangen deſſen was ihnen zu Theil wird. Kein Wort der murrenden Klage, daß ihnen des Guten nicht mehr werde, müſſe je von einem unter ihnen gehört werden können. Die Gemeinheit der Geſinnung allein macht die geringern Stände zum Pöbel. Sie werde alſo bis auf ihren klein- ſten Schatten verbannt aus der Geſellſchaft. Hätte ſich durch irgend eine fremde oder dienende Perſon etwas der Art eingeſchlichen, und ließe ſich je ein Ton des mißvergnügten Murrens hören, ſo muß das ſo verwirrte Gemüth mit ſchonender Liebe an ſeine wahren Verhältniſſe im Leben erinnert, und ihm begreiflich gemacht werden, wie über- ſchwenglich mehr überhaupt jeder Menſch hat und genießt, als er eigentlich an das Schickſal zu for- dern hätte. Dieſe Weisheit ſpringt mit allem was wahrhaft gut iſt im Menſchen, aus einer Quelle. Laßt das junge Gemüth alles, wodurch es froh

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/406>, abgerufen am 26.04.2024.