Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite



hört, das junge Gemüth verwirren, so
lange es noch kein eignes Urtheil ha-
ben kann, und ihm eine große Seich-
tigkeit und Unsicherheit geben muß.
Daß man ihm den Schatz aller Schätze,
den reinen beständigen kindlichen Froh-
sinn, die heitere Genügsamkeit raubt,
die man ihnen durch nichts ersetzen
kann, und an deren Stelle Eitelkeit,
Leichtsinn, Begierde zu glänzen, Ver-
druß, wenn's mißlingt, und tausend
andere Dinge pflanzt, die den Frieden
der kindlichen Seele wie schädliches
Gewürm benagen. Elv. Und könnten wir
ihm wirklich in den Unterhaltungen und Ver-
gnügungen der Erwachsenen keinen Ersatz geben?
Jch. Wollten wir etwa die gewöhnlichen Unter-
haltungen der Gesellschaft: stundenlange Gesprä-
che, die man oft durch künstliches Druckwerk wie-
der in Gang bringen muß, wenn sie versiegen
wollen, oder vielleicht das Kartenspiel für Ersatz
rechnen? Oder soll der Genuß der Leckereien, die
bei solchen Veranlassungen in Menge gereicht

(33)



hört, das junge Gemüth verwirren, ſo
lange es noch kein eignes Urtheil ha-
ben kann, und ihm eine große Seich-
tigkeit und Unſicherheit geben muß.
Daß man ihm den Schatz aller Schätze,
den reinen beſtändigen kindlichen Froh-
ſinn, die heitere Genügſamkeit raubt,
die man ihnen durch nichts erſetzen
kann, und an deren Stelle Eitelkeit,
Leichtſinn, Begierde zu glänzen, Ver-
druß, wenn’s mißlingt, und tauſend
andere Dinge pflanzt, die den Frieden
der kindlichen Seele wie ſchädliches
Gewürm benagen. Elv. Und könnten wir
ihm wirklich in den Unterhaltungen und Ver-
gnügungen der Erwachſenen keinen Erſatz geben?
Jch. Wollten wir etwa die gewöhnlichen Unter-
haltungen der Geſellſchaft: ſtundenlange Geſprä-
che, die man oft durch künſtliches Druckwerk wie-
der in Gang bringen muß, wenn ſie verſiegen
wollen, oder vielleicht das Kartenſpiel für Erſatz
rechnen? Oder ſoll der Genuß der Leckereien, die
bei ſolchen Veranlaſſungen in Menge gereicht

(33)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0265" n="257"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
hört, das junge Gemüth verwirren, &#x017F;o<lb/>
lange es noch kein eignes Urtheil ha-<lb/>
ben kann, und ihm eine große Seich-<lb/>
tigkeit und Un&#x017F;icherheit geben muß.<lb/>
Daß man ihm den Schatz aller Schätze,<lb/>
den reinen be&#x017F;tändigen kindlichen Froh-<lb/>
&#x017F;inn, die heitere Genüg&#x017F;amkeit raubt,<lb/>
die man ihnen durch nichts er&#x017F;etzen<lb/>
kann, und an deren Stelle Eitelkeit,<lb/>
Leicht&#x017F;inn, Begierde zu glänzen, Ver-<lb/>
druß, wenn&#x2019;s mißlingt, und tau&#x017F;end<lb/>
andere Dinge pflanzt, die den Frieden<lb/>
der kindlichen Seele wie &#x017F;chädliches<lb/>
Gewürm benagen. Elv</hi>. Und könnten wir<lb/>
ihm wirklich in den Unterhaltungen und Ver-<lb/>
gnügungen der Erwach&#x017F;enen keinen Er&#x017F;atz geben?<lb/><hi rendition="#g">Jch</hi>. Wollten wir etwa die gewöhnlichen Unter-<lb/>
haltungen der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft: &#x017F;tundenlange Ge&#x017F;prä-<lb/>
che, die man oft durch kün&#x017F;tliches Druckwerk wie-<lb/>
der in Gang bringen muß, wenn &#x017F;ie ver&#x017F;iegen<lb/>
wollen, oder vielleicht das Karten&#x017F;piel für Er&#x017F;atz<lb/>
rechnen? Oder &#x017F;oll der Genuß der Leckereien, die<lb/>
bei &#x017F;olchen Veranla&#x017F;&#x017F;ungen in Menge gereicht<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">(33)</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[257/0265] hört, das junge Gemüth verwirren, ſo lange es noch kein eignes Urtheil ha- ben kann, und ihm eine große Seich- tigkeit und Unſicherheit geben muß. Daß man ihm den Schatz aller Schätze, den reinen beſtändigen kindlichen Froh- ſinn, die heitere Genügſamkeit raubt, die man ihnen durch nichts erſetzen kann, und an deren Stelle Eitelkeit, Leichtſinn, Begierde zu glänzen, Ver- druß, wenn’s mißlingt, und tauſend andere Dinge pflanzt, die den Frieden der kindlichen Seele wie ſchädliches Gewürm benagen. Elv. Und könnten wir ihm wirklich in den Unterhaltungen und Ver- gnügungen der Erwachſenen keinen Erſatz geben? Jch. Wollten wir etwa die gewöhnlichen Unter- haltungen der Geſellſchaft: ſtundenlange Geſprä- che, die man oft durch künſtliches Druckwerk wie- der in Gang bringen muß, wenn ſie verſiegen wollen, oder vielleicht das Kartenſpiel für Erſatz rechnen? Oder ſoll der Genuß der Leckereien, die bei ſolchen Veranlaſſungen in Menge gereicht (33)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/265
Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/265>, abgerufen am 03.05.2024.