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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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sie jetzt die Zahl 5 aus den Zahlen herausgeworfen.
Das Zählen machte ihr bis dahin eine eigne Freu-
de. Wir steigen nie eine Treppe auf oder ab,
daß sie mich nicht aufforderte, die Stufen mit
ihr zu zählen, und Seraphine zählte schon lange
von 1 bis 10 ganz richtig allein. Seit acht Ta-
gen überspringt sie geflissentlich, so scheint es, die
Zahl 5, und geht gleich von 4 zu 6 über. Jch
hatte ihr Rechenpfennige geschenkt, womit wir
täglich spielend zählten. Damit nun auch dies
(soll ich sagen Grillchen?) sich sachte wieder ver-
liere, habe ich alles Zählbare, woran ich sie sonst
übte, bei Seite gethan, auch die Rechenpfennige.
Wenn wir aber die Treppe hinaufgehen, und sie
zählte von selbst, und hat vier aussprochen, so
sage ich sogleich fünf, und sie setzt die sechs darauf.
Wie lange diese scheinbare Scheu vor der 5 dauern
wird, soll mich verlangen. Und wo der Grund
hievon liegt, muß sich doch irgend einmal finden.
Vielleicht ist es keine eigensinnige Grille, sondern
wirkliche Vergessenheit der blauen Farbe wie der
Zahl; wenigstens sollte man aus zwei solcher
Fälle noch keinen sichern Schluß ziehen wollen.



ſie jetzt die Zahl 5 aus den Zahlen herausgeworfen.
Das Zählen machte ihr bis dahin eine eigne Freu-
de. Wir ſteigen nie eine Treppe auf oder ab,
daß ſie mich nicht aufforderte, die Stufen mit
ihr zu zählen, und Seraphine zählte ſchon lange
von 1 bis 10 ganz richtig allein. Seit acht Ta-
gen überſpringt ſie gefliſſentlich, ſo ſcheint es, die
Zahl 5, und geht gleich von 4 zu 6 über. Jch
hatte ihr Rechenpfennige geſchenkt, womit wir
täglich ſpielend zählten. Damit nun auch dies
(ſoll ich ſagen Grillchen?) ſich ſachte wieder ver-
liere, habe ich alles Zählbare, woran ich ſie ſonſt
übte, bei Seite gethan, auch die Rechenpfennige.
Wenn wir aber die Treppe hinaufgehen, und ſie
zählte von ſelbſt, und hat vier ausſprochen, ſo
ſage ich ſogleich fünf, und ſie ſetzt die ſechs darauf.
Wie lange dieſe ſcheinbare Scheu vor der 5 dauern
wird, ſoll mich verlangen. Und wo der Grund
hievon liegt, muß ſich doch irgend einmal finden.
Vielleicht iſt es keine eigenſinnige Grille, ſondern
wirkliche Vergeſſenheit der blauen Farbe wie der
Zahl; wenigſtens ſollte man aus zwei ſolcher
Fälle noch keinen ſichern Schluß ziehen wollen.

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[247/0255] ſie jetzt die Zahl 5 aus den Zahlen herausgeworfen. Das Zählen machte ihr bis dahin eine eigne Freu- de. Wir ſteigen nie eine Treppe auf oder ab, daß ſie mich nicht aufforderte, die Stufen mit ihr zu zählen, und Seraphine zählte ſchon lange von 1 bis 10 ganz richtig allein. Seit acht Ta- gen überſpringt ſie gefliſſentlich, ſo ſcheint es, die Zahl 5, und geht gleich von 4 zu 6 über. Jch hatte ihr Rechenpfennige geſchenkt, womit wir täglich ſpielend zählten. Damit nun auch dies (ſoll ich ſagen Grillchen?) ſich ſachte wieder ver- liere, habe ich alles Zählbare, woran ich ſie ſonſt übte, bei Seite gethan, auch die Rechenpfennige. Wenn wir aber die Treppe hinaufgehen, und ſie zählte von ſelbſt, und hat vier ausſprochen, ſo ſage ich ſogleich fünf, und ſie ſetzt die ſechs darauf. Wie lange dieſe ſcheinbare Scheu vor der 5 dauern wird, ſoll mich verlangen. Und wo der Grund hievon liegt, muß ſich doch irgend einmal finden. Vielleicht iſt es keine eigenſinnige Grille, ſondern wirkliche Vergeſſenheit der blauen Farbe wie der Zahl; wenigſtens ſollte man aus zwei ſolcher Fälle noch keinen ſichern Schluß ziehen wollen.

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/255>, abgerufen am 21.11.2024.