Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

müth noch einmal erfreuen würde. Diese Hand-
lung freilich ist unbedeutend, aber der Geist, aus
dem sie kam, die Art, mit der sie vollbracht ward,
haben mich tief bewegt. Wollte man sagen, so
etwas führe zur moralischen Schwärmerei oder
gar zur anmaßenden Erhebung über andere, die
das nicht über sich vermögen, so kömmt mir das
vor, als ob man die Frömmigkeit selbst anklagen
wollte, daß sie den Menschen, der ihr sein Herz
hingegeben, über sich selbst und über andere er-
heben und stolz machen könne, da doch nicht alle
Menschen es so weit brächten. Freilich kann die
Frömmigkeit in Schwärmerei ausarten, und zum
geistlichen Stolze verleiten; aber muß sie das noth-
wendig? und ist darum sie selbst verwerflich, weil
sie in dem fehlerhaften Gemüthe also ausarten
kann? Fürchte also von dieser Seite ja nichts,
meine Beste, und bitte auch Deinen D -- über
diesen Punkt ganz ruhig zu seyn.

Wo die Barmherzigkeit nicht zur Schau getra-
gen wird, da kann sie auch nicht aus Eitelkeit
entspringen, oder zu Eitelkeit werden. --, Und

müth noch einmal erfreuen würde. Dieſe Hand-
lung freilich iſt unbedeutend, aber der Geiſt, aus
dem ſie kam, die Art, mit der ſie vollbracht ward,
haben mich tief bewegt. Wollte man ſagen, ſo
etwas führe zur moraliſchen Schwärmerei oder
gar zur anmaßenden Erhebung über andere, die
das nicht über ſich vermögen, ſo kömmt mir das
vor, als ob man die Frömmigkeit ſelbſt anklagen
wollte, daß ſie den Menſchen, der ihr ſein Herz
hingegeben, über ſich ſelbſt und über andere er-
heben und ſtolz machen könne, da doch nicht alle
Menſchen es ſo weit brächten. Freilich kann die
Frömmigkeit in Schwärmerei ausarten, und zum
geiſtlichen Stolze verleiten; aber muß ſie das noth-
wendig? und iſt darum ſie ſelbſt verwerflich, weil
ſie in dem fehlerhaften Gemüthe alſo ausarten
kann? Fürchte alſo von dieſer Seite ja nichts,
meine Beſte, und bitte auch Deinen D — über
dieſen Punkt ganz ruhig zu ſeyn.

Wo die Barmherzigkeit nicht zur Schau getra-
gen wird, da kann ſie auch nicht aus Eitelkeit
entſpringen, oder zu Eitelkeit werden. —, Und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0199" n="191"/>
müth noch einmal erfreuen würde. Die&#x017F;e Hand-<lb/>
lung freilich i&#x017F;t unbedeutend, aber der Gei&#x017F;t, aus<lb/>
dem &#x017F;ie kam, die Art, mit der &#x017F;ie vollbracht ward,<lb/>
haben mich tief bewegt. Wollte man &#x017F;agen, &#x017F;o<lb/>
etwas führe zur morali&#x017F;chen Schwärmerei oder<lb/>
gar zur anmaßenden Erhebung über andere, die<lb/>
das nicht über &#x017F;ich vermögen, &#x017F;o kömmt mir das<lb/>
vor, als ob man die Frömmigkeit &#x017F;elb&#x017F;t anklagen<lb/>
wollte, daß &#x017F;ie den Men&#x017F;chen, der ihr &#x017F;ein Herz<lb/>
hingegeben, über &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t und über andere er-<lb/>
heben und &#x017F;tolz machen könne, da doch nicht alle<lb/>
Men&#x017F;chen es &#x017F;o weit brächten. Freilich kann die<lb/>
Frömmigkeit in Schwärmerei ausarten, und zum<lb/>
gei&#x017F;tlichen Stolze verleiten; aber muß &#x017F;ie das noth-<lb/>
wendig? und i&#x017F;t darum &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t verwerflich, weil<lb/>
&#x017F;ie in dem fehlerhaften Gemüthe al&#x017F;o ausarten<lb/>
kann? Fürchte al&#x017F;o von die&#x017F;er Seite ja nichts,<lb/>
meine Be&#x017F;te, und bitte auch Deinen D &#x2014; über<lb/>
die&#x017F;en Punkt ganz ruhig zu &#x017F;eyn.</p><lb/>
          <p>Wo die Barmherzigkeit nicht zur Schau getra-<lb/>
gen wird, da kann &#x017F;ie auch nicht aus Eitelkeit<lb/>
ent&#x017F;pringen, oder zu Eitelkeit werden. &#x2014;, Und<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[191/0199] müth noch einmal erfreuen würde. Dieſe Hand- lung freilich iſt unbedeutend, aber der Geiſt, aus dem ſie kam, die Art, mit der ſie vollbracht ward, haben mich tief bewegt. Wollte man ſagen, ſo etwas führe zur moraliſchen Schwärmerei oder gar zur anmaßenden Erhebung über andere, die das nicht über ſich vermögen, ſo kömmt mir das vor, als ob man die Frömmigkeit ſelbſt anklagen wollte, daß ſie den Menſchen, der ihr ſein Herz hingegeben, über ſich ſelbſt und über andere er- heben und ſtolz machen könne, da doch nicht alle Menſchen es ſo weit brächten. Freilich kann die Frömmigkeit in Schwärmerei ausarten, und zum geiſtlichen Stolze verleiten; aber muß ſie das noth- wendig? und iſt darum ſie ſelbſt verwerflich, weil ſie in dem fehlerhaften Gemüthe alſo ausarten kann? Fürchte alſo von dieſer Seite ja nichts, meine Beſte, und bitte auch Deinen D — über dieſen Punkt ganz ruhig zu ſeyn. Wo die Barmherzigkeit nicht zur Schau getra- gen wird, da kann ſie auch nicht aus Eitelkeit entſpringen, oder zu Eitelkeit werden. —, Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/199
Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/199>, abgerufen am 07.05.2024.