Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

Liebend ans klopfende Herz euch zu drücken!
Soll ich euch schonen, soll ich euch pflücken?

Blühet, ihr Blümchen der goldenen Aue,
Blühet und glänzet im himmlischen Thaue,
Wollet ihr freundlich mit Düften erquicken,
Jda will liebend herunter sich bücken,
Liebend ans klopfende Herz euch zu drücken.


Und wie bist Du denn darauf gekommen, Jda,
so etwas zu machen? -- O ich war oft so vergnügt,
und ein andermal wieder so wehmüthig, daß ich
mich nicht zu lassen wußte, und doch konnte ich's
niemanden sagen, wie mirs so seltsam war, selbst
Dir nicht, meine allerbeste Tante. Da dacht ich,
es müsse den Leuten die gedichtet, wohl so zumuthe
gewesen seyn, und da hätten sie sich vielleicht da-
mit geholfen, daß sie zum Papier gegriffen. Und
so habe ich es versucht, und wenn ich geschrieben,
dann war ich wieder ganz ruhig. Es gibt Stun-
den, wo ich immerfort schreiben möchte, und dann
wieder andere, wo ich immer sinnen muß; Aber
sey nicht bange, liebste Tante; Jda wird darum

Liebend ans klopfende Herz euch zu drücken!
Soll ich euch ſchonen, ſoll ich euch pflücken?

Blühet, ihr Blümchen der goldenen Aue,
Blühet und glänzet im himmliſchen Thaue,
Wollet ihr freundlich mit Düften erquicken,
Jda will liebend herunter ſich bücken,
Liebend ans klopfende Herz euch zu drücken.


Und wie biſt Du denn darauf gekommen, Jda,
ſo etwas zu machen? — O ich war oft ſo vergnügt,
und ein andermal wieder ſo wehmüthig, daß ich
mich nicht zu laſſen wußte, und doch konnte ich’s
niemanden ſagen, wie mirs ſo ſeltſam war, ſelbſt
Dir nicht, meine allerbeſte Tante. Da dacht ich,
es müſſe den Leuten die gedichtet, wohl ſo zumuthe
geweſen ſeyn, und da hätten ſie ſich vielleicht da-
mit geholfen, daß ſie zum Papier gegriffen. Und
ſo habe ich es verſucht, und wenn ich geſchrieben,
dann war ich wieder ganz ruhig. Es gibt Stun-
den, wo ich immerfort ſchreiben möchte, und dann
wieder andere, wo ich immer ſinnen muß; Aber
ſey nicht bange, liebſte Tante; Jda wird darum

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="3">
              <pb facs="#f0183" n="175"/>
              <l>Liebend ans klopfende Herz euch zu drücken!</l><lb/>
              <l>Soll ich euch &#x017F;chonen, &#x017F;oll ich euch pflücken?</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Blühet, ihr Blümchen der goldenen Aue,</l><lb/>
              <l>Blühet und glänzet im himmli&#x017F;chen Thaue,</l><lb/>
              <l>Wollet ihr freundlich mit Düften erquicken,</l><lb/>
              <l>Jda will liebend herunter &#x017F;ich bücken,</l><lb/>
              <l>Liebend ans klopfende Herz euch zu drücken.</l>
            </lg>
          </lg><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Und wie bi&#x017F;t Du denn darauf gekommen, Jda,<lb/>
&#x017F;o etwas zu machen? &#x2014; O ich war oft &#x017F;o vergnügt,<lb/>
und ein andermal wieder &#x017F;o wehmüthig, daß ich<lb/>
mich nicht zu la&#x017F;&#x017F;en wußte, und doch konnte ich&#x2019;s<lb/>
niemanden &#x017F;agen, wie mirs &#x017F;o &#x017F;elt&#x017F;am war, &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
Dir nicht, meine allerbe&#x017F;te Tante. Da dacht ich,<lb/>
es mü&#x017F;&#x017F;e den Leuten die gedichtet, wohl &#x017F;o zumuthe<lb/>
gewe&#x017F;en &#x017F;eyn, und da hätten &#x017F;ie &#x017F;ich vielleicht da-<lb/>
mit geholfen, daß &#x017F;ie zum Papier gegriffen. Und<lb/>
&#x017F;o habe ich es ver&#x017F;ucht, und wenn ich ge&#x017F;chrieben,<lb/>
dann war ich wieder ganz ruhig. Es gibt Stun-<lb/>
den, wo ich immerfort &#x017F;chreiben möchte, und dann<lb/>
wieder andere, wo ich immer &#x017F;innen muß; Aber<lb/>
&#x017F;ey nicht bange, lieb&#x017F;te Tante; Jda wird darum<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[175/0183] Liebend ans klopfende Herz euch zu drücken! Soll ich euch ſchonen, ſoll ich euch pflücken? Blühet, ihr Blümchen der goldenen Aue, Blühet und glänzet im himmliſchen Thaue, Wollet ihr freundlich mit Düften erquicken, Jda will liebend herunter ſich bücken, Liebend ans klopfende Herz euch zu drücken. Und wie biſt Du denn darauf gekommen, Jda, ſo etwas zu machen? — O ich war oft ſo vergnügt, und ein andermal wieder ſo wehmüthig, daß ich mich nicht zu laſſen wußte, und doch konnte ich’s niemanden ſagen, wie mirs ſo ſeltſam war, ſelbſt Dir nicht, meine allerbeſte Tante. Da dacht ich, es müſſe den Leuten die gedichtet, wohl ſo zumuthe geweſen ſeyn, und da hätten ſie ſich vielleicht da- mit geholfen, daß ſie zum Papier gegriffen. Und ſo habe ich es verſucht, und wenn ich geſchrieben, dann war ich wieder ganz ruhig. Es gibt Stun- den, wo ich immerfort ſchreiben möchte, und dann wieder andere, wo ich immer ſinnen muß; Aber ſey nicht bange, liebſte Tante; Jda wird darum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/183
Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/183>, abgerufen am 07.05.2024.