Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

an allen unsern Freuden, Beschäftigungen und
Streifereien Theil. Auch ist er zum Mitglied
unserer Zeichenakademie aufgenommen worden.
Hertha hat keine Geduld zum Zeichnen. Auch zur
Musik ist es zu spät für sie. Sie ist einmal über
die Jahre hinaus, wo man die bloß mechanischen
Übungen, die zur Sache unerläßlich gehören, noch
von sich erlangen kann; dazu kommt nun noch ihre
grenzenlose Beweglichkeit.

Es werden ihr also beide Künste erlassen. Übri-
gens wird sie mit jedem Tage interessanter, Sie
unterscheidet sich von der ganzen übrigen Kolonie
durch einen schnellen treffenden originellen Witz,
verbindet ihn jetzt aber mit einer Gutmüthigkeit,
wodurch sie uns allen sehr lieb wird. Unaufhör-
lich neckt sie die ganze Gesellschaft, den Bruder
nicht ausgenommen, und doch kann ihr niemand
zürnen, selbst Mathilde nicht, die ihr am öftersten
zum Ziele dient, und die doch noch vor ein Paar
Jahren den kleinsten Spott gleich tragisch nahm.
An mir allein will ihr Witz sich noch immer nicht
wagen, und als ich sie neulich einmal fragte: aber

an allen unſern Freuden, Beſchäftigungen und
Streifereien Theil. Auch iſt er zum Mitglied
unſerer Zeichenakademie aufgenommen worden.
Hertha hat keine Geduld zum Zeichnen. Auch zur
Muſik iſt es zu ſpät für ſie. Sie iſt einmal über
die Jahre hinaus, wo man die bloß mechaniſchen
Übungen, die zur Sache unerläßlich gehören, noch
von ſich erlangen kann; dazu kommt nun noch ihre
grenzenloſe Beweglichkeit.

Es werden ihr alſo beide Künſte erlaſſen. Übri-
gens wird ſie mit jedem Tage intereſſanter, Sie
unterſcheidet ſich von der ganzen übrigen Kolonie
durch einen ſchnellen treffenden originellen Witz,
verbindet ihn jetzt aber mit einer Gutmüthigkeit,
wodurch ſie uns allen ſehr lieb wird. Unaufhör-
lich neckt ſie die ganze Geſellſchaft, den Bruder
nicht ausgenommen, und doch kann ihr niemand
zürnen, ſelbſt Mathilde nicht, die ihr am öfterſten
zum Ziele dient, und die doch noch vor ein Paar
Jahren den kleinſten Spott gleich tragiſch nahm.
An mir allein will ihr Witz ſich noch immer nicht
wagen, und als ich ſie neulich einmal fragte: aber

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0162" n="154"/>
an allen un&#x017F;ern Freuden, Be&#x017F;chäftigungen und<lb/>
Streifereien Theil. Auch i&#x017F;t er zum Mitglied<lb/>
un&#x017F;erer Zeichenakademie aufgenommen worden.<lb/>
Hertha hat keine Geduld zum Zeichnen. Auch zur<lb/>
Mu&#x017F;ik i&#x017F;t es zu &#x017F;pät für &#x017F;ie. Sie i&#x017F;t einmal über<lb/>
die Jahre hinaus, wo man die bloß mechani&#x017F;chen<lb/>
Übungen, die zur Sache unerläßlich gehören, noch<lb/>
von &#x017F;ich erlangen kann; dazu kommt nun noch ihre<lb/>
grenzenlo&#x017F;e Beweglichkeit.</p><lb/>
          <p>Es werden ihr al&#x017F;o beide Kün&#x017F;te erla&#x017F;&#x017F;en. Übri-<lb/>
gens wird &#x017F;ie mit jedem Tage intere&#x017F;&#x017F;anter, Sie<lb/>
unter&#x017F;cheidet &#x017F;ich von der ganzen übrigen Kolonie<lb/>
durch einen &#x017F;chnellen treffenden originellen Witz,<lb/>
verbindet ihn jetzt aber mit einer Gutmüthigkeit,<lb/>
wodurch &#x017F;ie uns allen &#x017F;ehr lieb wird. Unaufhör-<lb/>
lich neckt &#x017F;ie die ganze Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft, den Bruder<lb/>
nicht ausgenommen, und doch kann ihr niemand<lb/>
zürnen, &#x017F;elb&#x017F;t Mathilde nicht, die ihr am öfter&#x017F;ten<lb/>
zum Ziele dient, und die doch noch vor ein Paar<lb/>
Jahren den klein&#x017F;ten Spott gleich tragi&#x017F;ch nahm.<lb/>
An mir allein will ihr Witz &#x017F;ich noch immer nicht<lb/>
wagen, und als ich &#x017F;ie neulich einmal fragte: aber<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[154/0162] an allen unſern Freuden, Beſchäftigungen und Streifereien Theil. Auch iſt er zum Mitglied unſerer Zeichenakademie aufgenommen worden. Hertha hat keine Geduld zum Zeichnen. Auch zur Muſik iſt es zu ſpät für ſie. Sie iſt einmal über die Jahre hinaus, wo man die bloß mechaniſchen Übungen, die zur Sache unerläßlich gehören, noch von ſich erlangen kann; dazu kommt nun noch ihre grenzenloſe Beweglichkeit. Es werden ihr alſo beide Künſte erlaſſen. Übri- gens wird ſie mit jedem Tage intereſſanter, Sie unterſcheidet ſich von der ganzen übrigen Kolonie durch einen ſchnellen treffenden originellen Witz, verbindet ihn jetzt aber mit einer Gutmüthigkeit, wodurch ſie uns allen ſehr lieb wird. Unaufhör- lich neckt ſie die ganze Geſellſchaft, den Bruder nicht ausgenommen, und doch kann ihr niemand zürnen, ſelbſt Mathilde nicht, die ihr am öfterſten zum Ziele dient, und die doch noch vor ein Paar Jahren den kleinſten Spott gleich tragiſch nahm. An mir allein will ihr Witz ſich noch immer nicht wagen, und als ich ſie neulich einmal fragte: aber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/162
Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/162>, abgerufen am 07.05.2024.