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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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der Beichte der Katholiken sagtest -- und wie sie
auch andern Herzen, die nicht dieser Kirche angehö-
ren, zum Bedürfniß werden könnte. -- Nun ich dir
meine Unruhe gebeichtet habe, bin ich so leicht. --
Und wenn mir nun wieder beklommen ist, komme
ich zu Dir. -- Das thue Du liebes Herz, ich bitte
Dich. -- Wie weit wir noch gekommen wären weiß
ich nicht. -- Aber Mathilde kam herein gestürmt
und fiel mir heftig um den Hals, dann umklamerte sie
Jda wie außer sich, Jdchen! Jdchen! wie soll ich
die Freude aushalten? der Bruder hat Urlaub und
kommt hier zu uns. Sieh nur Tante, da steht es;
es steht ganz gewiß in dem Briefe, lies' nur! Sie
reichte mir den Brief zitternd und krampfhaft zuk-
kend. Jda umarmte sie mit schönen Schwesterthrä-
nen. Da kamen auch die Andern herbei, die Ma-
thilde mit dem Briefe so gewaltig hatten laufen
sehen. Was kleidet ein weibliches Gesicht schöner
als Mitfreude -- oder mitempfundner Schmerz? die
eignen gewiß nicht. -- Wie schön Jda ist, hatte
ich noch nie so gesehen als heute, da sie neben Ma-
thilde stand und den Brief des Fähnrichs mit ihr
las. -- O wie schön hing die große Thräne an der

der Beichte der Katholiken ſagteſt — und wie ſie
auch andern Herzen, die nicht dieſer Kirche angehö-
ren, zum Bedürfniß werden könnte. — Nun ich dir
meine Unruhe gebeichtet habe, bin ich ſo leicht. —
Und wenn mir nun wieder beklommen iſt, komme
ich zu Dir. — Das thue Du liebes Herz, ich bitte
Dich. — Wie weit wir noch gekommen wären weiß
ich nicht. — Aber Mathilde kam herein geſtürmt
und fiel mir heftig um den Hals, dann umklamerte ſie
Jda wie außer ſich, Jdchen! Jdchen! wie ſoll ich
die Freude aushalten? der Bruder hat Urlaub und
kommt hier zu uns. Sieh nur Tante, da ſteht es;
es ſteht ganz gewiß in dem Briefe, lieſ’ nur! Sie
reichte mir den Brief zitternd und krampfhaft zuk-
kend. Jda umarmte ſie mit ſchönen Schweſterthrä-
nen. Da kamen auch die Andern herbei, die Ma-
thilde mit dem Briefe ſo gewaltig hatten laufen
ſehen. Was kleidet ein weibliches Geſicht ſchöner
als Mitfreude — oder mitempfundner Schmerz? die
eignen gewiß nicht. — Wie ſchön Jda iſt, hatte
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thilde ſtand und den Brief des Fähnrichs mit ihr
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[149/0157] der Beichte der Katholiken ſagteſt — und wie ſie auch andern Herzen, die nicht dieſer Kirche angehö- ren, zum Bedürfniß werden könnte. — Nun ich dir meine Unruhe gebeichtet habe, bin ich ſo leicht. — Und wenn mir nun wieder beklommen iſt, komme ich zu Dir. — Das thue Du liebes Herz, ich bitte Dich. — Wie weit wir noch gekommen wären weiß ich nicht. — Aber Mathilde kam herein geſtürmt und fiel mir heftig um den Hals, dann umklamerte ſie Jda wie außer ſich, Jdchen! Jdchen! wie ſoll ich die Freude aushalten? der Bruder hat Urlaub und kommt hier zu uns. Sieh nur Tante, da ſteht es; es ſteht ganz gewiß in dem Briefe, lieſ’ nur! Sie reichte mir den Brief zitternd und krampfhaft zuk- kend. Jda umarmte ſie mit ſchönen Schweſterthrä- nen. Da kamen auch die Andern herbei, die Ma- thilde mit dem Briefe ſo gewaltig hatten laufen ſehen. Was kleidet ein weibliches Geſicht ſchöner als Mitfreude — oder mitempfundner Schmerz? die eignen gewiß nicht. — Wie ſchön Jda iſt, hatte ich noch nie ſo geſehen als heute, da ſie neben Ma- thilde ſtand und den Brief des Fähnrichs mit ihr las. — O wie ſchön hing die große Thräne an der

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/157>, abgerufen am 21.11.2024.