te gern mit Dir allein seyn. Aber das war ja sonst nicht so, Du hattest es fast immer gern, so oft er mit uns seyn konnte -- da war er der alte liebe Platov, der ältere Woldemar; -- und nun freust Du dich, da er weg geht. -- Hast Du mir denn so gar etwas besonderes zu sagen? Nein, Tante, laß mich nur still bei Dir seyn, ich bin dann vergnügter. Gut, lieber Engel, sey Du bei mir, so oft es Dir so ums Herz ist, wie jetzt. -- Jch weiß es noch sehr gut, wie es mir war, als ich vierzehn bis fünfzehn Jahre alt war; wie es mir da oft so beklommen war, und ich mich nach einer Freundin sehnte, die mir tief ins Herz schauete, und alles darin läse, was ich nicht sagen konnte, und mir das verworrene Jnwendige ruhig und klar machte. -- Ach, Tante, wie sprichst Du so gar innig, recht aus der Tiefe meiner Seele. Wie kannst Du es denn so ganz wissen, wie mir ist? -- Jch bin ja doch so glücklich, wie ein Kind es nur seyn kann, und doch muß ich oft hinaus und mich ausweinen, wenn ich Luft haben will. -- Da denke ich dann, ich habe vor Freude geweint, daß ich so glücklich bin, und das ist es auch wohl,
te gern mit Dir allein ſeyn. Aber das war ja ſonſt nicht ſo, Du hatteſt es faſt immer gern, ſo oft er mit uns ſeyn konnte — da war er der alte liebe Platov, der ältere Woldemar; — und nun freuſt Du dich, da er weg geht. — Haſt Du mir denn ſo gar etwas beſonderes zu ſagen? Nein, Tante, laß mich nur ſtill bei Dir ſeyn, ich bin dann vergnügter. Gut, lieber Engel, ſey Du bei mir, ſo oft es Dir ſo ums Herz iſt, wie jetzt. — Jch weiß es noch ſehr gut, wie es mir war, als ich vierzehn bis fünfzehn Jahre alt war; wie es mir da oft ſo beklommen war, und ich mich nach einer Freundin ſehnte, die mir tief ins Herz ſchauete, und alles darin läſe, was ich nicht ſagen konnte, und mir das verworrene Jnwendige ruhig und klar machte. — Ach, Tante, wie ſprichſt Du ſo gar innig, recht aus der Tiefe meiner Seele. Wie kannſt Du es denn ſo ganz wiſſen, wie mir iſt? — Jch bin ja doch ſo glücklich, wie ein Kind es nur ſeyn kann, und doch muß ich oft hinaus und mich ausweinen, wenn ich Luft haben will. — Da denke ich dann, ich habe vor Freude geweint, daß ich ſo glücklich bin, und das iſt es auch wohl,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0155"n="147"/>
te gern mit Dir allein ſeyn. Aber das war ja<lb/>ſonſt nicht ſo, Du hatteſt es faſt immer gern, ſo<lb/>
oft er mit uns ſeyn konnte — da war er der alte<lb/>
liebe Platov, der ältere Woldemar; — und nun<lb/>
freuſt Du dich, da er weg geht. — Haſt Du mir<lb/>
denn ſo gar etwas beſonderes zu ſagen? Nein,<lb/>
Tante, laß mich nur ſtill bei Dir ſeyn, ich bin<lb/>
dann vergnügter. Gut, lieber Engel, ſey Du bei<lb/>
mir, ſo oft es Dir ſo ums Herz iſt, wie jetzt. —<lb/>
Jch weiß es noch ſehr gut, wie es mir war, als<lb/>
ich vierzehn bis fünfzehn Jahre alt war; wie es<lb/>
mir da oft ſo beklommen war, und ich mich nach<lb/>
einer Freundin ſehnte, die mir tief ins Herz<lb/>ſchauete, und alles darin läſe, was ich nicht ſagen<lb/>
konnte, und mir das verworrene Jnwendige ruhig<lb/>
und klar machte. — Ach, Tante, wie ſprichſt Du ſo<lb/>
gar innig, recht aus der Tiefe meiner Seele. Wie<lb/>
kannſt Du es denn ſo ganz wiſſen, wie mir iſt? —<lb/>
Jch bin ja doch ſo glücklich, wie ein Kind es nur<lb/>ſeyn kann, und doch muß ich oft hinaus und mich<lb/>
ausweinen, wenn ich Luft haben will. — Da<lb/>
denke ich dann, ich habe vor Freude geweint, daß<lb/>
ich ſo glücklich bin, und das iſt es auch wohl,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[147/0155]
te gern mit Dir allein ſeyn. Aber das war ja
ſonſt nicht ſo, Du hatteſt es faſt immer gern, ſo
oft er mit uns ſeyn konnte — da war er der alte
liebe Platov, der ältere Woldemar; — und nun
freuſt Du dich, da er weg geht. — Haſt Du mir
denn ſo gar etwas beſonderes zu ſagen? Nein,
Tante, laß mich nur ſtill bei Dir ſeyn, ich bin
dann vergnügter. Gut, lieber Engel, ſey Du bei
mir, ſo oft es Dir ſo ums Herz iſt, wie jetzt. —
Jch weiß es noch ſehr gut, wie es mir war, als
ich vierzehn bis fünfzehn Jahre alt war; wie es
mir da oft ſo beklommen war, und ich mich nach
einer Freundin ſehnte, die mir tief ins Herz
ſchauete, und alles darin läſe, was ich nicht ſagen
konnte, und mir das verworrene Jnwendige ruhig
und klar machte. — Ach, Tante, wie ſprichſt Du ſo
gar innig, recht aus der Tiefe meiner Seele. Wie
kannſt Du es denn ſo ganz wiſſen, wie mir iſt? —
Jch bin ja doch ſo glücklich, wie ein Kind es nur
ſeyn kann, und doch muß ich oft hinaus und mich
ausweinen, wenn ich Luft haben will. — Da
denke ich dann, ich habe vor Freude geweint, daß
ich ſo glücklich bin, und das iſt es auch wohl,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/155>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.