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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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sich schon in so vollendeter Form zeigt. Jhr ganzes
Wesen und all ihre Bewegungen sind durchaus
grazienhaft. Seit sie aus der lustigen Kindheit ins
jungfräuliche Leben hinüber gleitet, hat ihr Blick
etwas tief sinnendes, das ihr einen zauberischen
Reiz gibt. -- Jhr lichtbraunes Haar lockt sich
immer schöner, und das stille seelenvolle Auge
schaut einen mit heller Zurersicht an. Nur wenn
Platov sie anblickt, senkt sich das Augenlied und
die schönen langen seidenen Wimper decken sanft
die stille Glut der Augen. Was dies verschämte
Niederschlagen wohl will? Platov äußerte neulich,
noch nie habe der Anblick eines menschlichen Wesens
wohlthätiger auf ihn gewirkt, als dieses Kindes,
und indem das Wort Kind über seine Lippen gieng,
erröthete er, wie vor einer Unwahrheit. -- Es
war sein Herz das dieses unwahre Wort strafte. --
Zu meiner Freude trat Jda herein, und er machte
sich still hinaus. Jda's Gesicht überflog eine feine
Röthe. Was ist Dir, mein gutes Kind? fragt' ich
sie. O ich freue mich, daß Herr von Platov hin-
aus geht. Wie so, Jda? hast Du ihn nicht mehr
lieb? O ja, Tante, recht sehr lieb; aber ich woll-

ſich ſchon in ſo vollendeter Form zeigt. Jhr ganzes
Weſen und all ihre Bewegungen ſind durchaus
grazienhaft. Seit ſie aus der luſtigen Kindheit ins
jungfräuliche Leben hinüber gleitet, hat ihr Blick
etwas tief ſinnendes, das ihr einen zauberiſchen
Reiz gibt. — Jhr lichtbraunes Haar lockt ſich
immer ſchöner, und das ſtille ſeelenvolle Auge
ſchaut einen mit heller Zurerſicht an. Nur wenn
Platov ſie anblickt, ſenkt ſich das Augenlied und
die ſchönen langen ſeidenen Wimper decken ſanft
die ſtille Glut der Augen. Was dies verſchämte
Niederſchlagen wohl will? Platov äußerte neulich,
noch nie habe der Anblick eines menſchlichen Weſens
wohlthätiger auf ihn gewirkt, als dieſes Kindes,
und indem das Wort Kind über ſeine Lippen gieng,
erröthete er, wie vor einer Unwahrheit. — Es
war ſein Herz das dieſes unwahre Wort ſtrafte. —
Zu meiner Freude trat Jda herein, und er machte
ſich ſtill hinaus. Jda’s Geſicht überflog eine feine
Röthe. Was iſt Dir, mein gutes Kind? fragt’ ich
ſie. O ich freue mich, daß Herr von Platov hin-
aus geht. Wie ſo, Jda? haſt Du ihn nicht mehr
lieb? O ja, Tante, recht ſehr lieb; aber ich woll-

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[146/0154] ſich ſchon in ſo vollendeter Form zeigt. Jhr ganzes Weſen und all ihre Bewegungen ſind durchaus grazienhaft. Seit ſie aus der luſtigen Kindheit ins jungfräuliche Leben hinüber gleitet, hat ihr Blick etwas tief ſinnendes, das ihr einen zauberiſchen Reiz gibt. — Jhr lichtbraunes Haar lockt ſich immer ſchöner, und das ſtille ſeelenvolle Auge ſchaut einen mit heller Zurerſicht an. Nur wenn Platov ſie anblickt, ſenkt ſich das Augenlied und die ſchönen langen ſeidenen Wimper decken ſanft die ſtille Glut der Augen. Was dies verſchämte Niederſchlagen wohl will? Platov äußerte neulich, noch nie habe der Anblick eines menſchlichen Weſens wohlthätiger auf ihn gewirkt, als dieſes Kindes, und indem das Wort Kind über ſeine Lippen gieng, erröthete er, wie vor einer Unwahrheit. — Es war ſein Herz das dieſes unwahre Wort ſtrafte. — Zu meiner Freude trat Jda herein, und er machte ſich ſtill hinaus. Jda’s Geſicht überflog eine feine Röthe. Was iſt Dir, mein gutes Kind? fragt’ ich ſie. O ich freue mich, daß Herr von Platov hin- aus geht. Wie ſo, Jda? haſt Du ihn nicht mehr lieb? O ja, Tante, recht ſehr lieb; aber ich woll-

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/154>, abgerufen am 21.11.2024.