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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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es verstanden, und Freude daran gefunden, so
wird sie es gewiß nicht unrichtig deklamiren, wenn
sie auch nicht den ganzen Ausdruck hineinlegen
kann. Daß sie es vor Wenigen ausser Dir
hersagt, versteht sich; es soll ja keine theatrali-
sche, sondern bloß eine Verstandes- und Gedächt-
nißübung werden! es soll zur Entwickelung ihrer
Gemüthskräfte dienen! Die Wahl kann Dir
nicht ganz schwer werden, da Du nur unter dem
engern Ausschuß Deiner Lieblingsdichter wählest,
mit deren Geist Du am vertrautesten bist, und
aus den wenigen guten Kinderbüchern. O wie
viele Stunden meines Lebens haben mich die
erbärmlichen Kinderbücher gekostet, wenn ich diese
leere Spreu durchsuchte, um Körner heraus zu
finden.

Lebe wohl, liebste Emma. Auf dies Kapitel
werde ich künftig noch oft zurückkommen, um
Dich vor der erbärmlichen Seichtigkeit dieser Bü-
cher zu warnen. Es schadet der Tiefe des Gemüths
und der stillen Sinnigkeit nichts so sehr, als das
stete Moralisiren mit Kindern, und das Popula-



es verſtanden, und Freude daran gefunden, ſo
wird ſie es gewiß nicht unrichtig deklamiren, wenn
ſie auch nicht den ganzen Ausdruck hineinlegen
kann. Daß ſie es vor Wenigen auſſer Dir
herſagt, verſteht ſich; es ſoll ja keine theatrali-
ſche, ſondern bloß eine Verſtandes- und Gedächt-
nißübung werden! es ſoll zur Entwickelung ihrer
Gemüthskräfte dienen! Die Wahl kann Dir
nicht ganz ſchwer werden, da Du nur unter dem
engern Ausſchuß Deiner Lieblingsdichter wähleſt,
mit deren Geiſt Du am vertrauteſten biſt, und
aus den wenigen guten Kinderbüchern. O wie
viele Stunden meines Lebens haben mich die
erbärmlichen Kinderbücher gekoſtet, wenn ich dieſe
leere Spreu durchſuchte, um Körner heraus zu
finden.

Lebe wohl, liebſte Emma. Auf dies Kapitel
werde ich künftig noch oft zurückkommen, um
Dich vor der erbärmlichen Seichtigkeit dieſer Bü-
cher zu warnen. Es ſchadet der Tiefe des Gemüths
und der ſtillen Sinnigkeit nichts ſo ſehr, als das
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[84/0098] es verſtanden, und Freude daran gefunden, ſo wird ſie es gewiß nicht unrichtig deklamiren, wenn ſie auch nicht den ganzen Ausdruck hineinlegen kann. Daß ſie es vor Wenigen auſſer Dir herſagt, verſteht ſich; es ſoll ja keine theatrali- ſche, ſondern bloß eine Verſtandes- und Gedächt- nißübung werden! es ſoll zur Entwickelung ihrer Gemüthskräfte dienen! Die Wahl kann Dir nicht ganz ſchwer werden, da Du nur unter dem engern Ausſchuß Deiner Lieblingsdichter wähleſt, mit deren Geiſt Du am vertrauteſten biſt, und aus den wenigen guten Kinderbüchern. O wie viele Stunden meines Lebens haben mich die erbärmlichen Kinderbücher gekoſtet, wenn ich dieſe leere Spreu durchſuchte, um Körner heraus zu finden. Lebe wohl, liebſte Emma. Auf dies Kapitel werde ich künftig noch oft zurückkommen, um Dich vor der erbärmlichen Seichtigkeit dieſer Bü- cher zu warnen. Es ſchadet der Tiefe des Gemüths und der ſtillen Sinnigkeit nichts ſo ſehr, als das ſtete Moraliſiren mit Kindern, und das Popula-

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/98>, abgerufen am 12.10.2024.