zuwider ist. Wenn ich mich nicht so vor dir fürch- tete, so würde ich vielleicht auch gar Böses thun.
Jch. Daß du diese Neigung in dir fühlst, ist nicht deine Schuld; es ist ein Versehen derer, die dich in deiner frühern Kindheit so gewöhnten, oder vielmehr verwöhnten.
Mathilde. Aber war denn das nicht schlimm von ihnen, mich so zu gewöhnen, wie man nicht seyn darf?
Jch. Es war Jrrthum. Sie meynten es gut mit dir, als sie dir alle deinen Willen thaten, und alle deine nicht schönen Triebe so wild aufschießen ließen: sie dachten, du würdest dann immer zufrie- den und vergnügt seyn. Aber bist du denn das immer gewesen, als alles geschah, was du woll- test, und alle deine Triebe wild ausbrechen durften?
Mathilde. Nein, Tante Selma! Jch war noch viel öfter mißvergnügt, als bei dir; denn ich wollte oft etwas, das sie gar nicht thun konnten: und es trieb mich zu Dingen, die sie unmöglich leiden konnten. Dann ward mir gewehrt, das begriff ich dann nicht, und tobte und ward böse,
zuwider iſt. Wenn ich mich nicht ſo vor dir fürch- tete, ſo würde ich vielleicht auch gar Böſes thun.
Jch. Daß du dieſe Neigung in dir fühlſt, iſt nicht deine Schuld; es iſt ein Verſehen derer, die dich in deiner frühern Kindheit ſo gewöhnten, oder vielmehr verwöhnten.
Mathilde. Aber war denn das nicht ſchlimm von ihnen, mich ſo zu gewöhnen, wie man nicht ſeyn darf?
Jch. Es war Jrrthum. Sie meynten es gut mit dir, als ſie dir alle deinen Willen thaten, und alle deine nicht ſchönen Triebe ſo wild aufſchießen ließen: ſie dachten, du würdeſt dann immer zufrie- den und vergnügt ſeyn. Aber biſt du denn das immer geweſen, als alles geſchah, was du woll- teſt, und alle deine Triebe wild ausbrechen durften?
Mathilde. Nein, Tante Selma! Jch war noch viel öfter mißvergnügt, als bei dir; denn ich wollte oft etwas, das ſie gar nicht thun konnten: und es trieb mich zu Dingen, die ſie unmöglich leiden konnten. Dann ward mir gewehrt, das begriff ich dann nicht, und tobte und ward böſe,
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zuwider iſt. Wenn ich mich nicht ſo vor dir fürch-
tete, ſo würde ich vielleicht auch gar Böſes thun.
Jch. Daß du dieſe Neigung in dir fühlſt, iſt
nicht deine Schuld; es iſt ein Verſehen derer, die
dich in deiner frühern Kindheit ſo gewöhnten, oder
vielmehr verwöhnten.
Mathilde. Aber war denn das nicht ſchlimm
von ihnen, mich ſo zu gewöhnen, wie man nicht
ſeyn darf?
Jch. Es war Jrrthum. Sie meynten es gut
mit dir, als ſie dir alle deinen Willen thaten, und
alle deine nicht ſchönen Triebe ſo wild aufſchießen
ließen: ſie dachten, du würdeſt dann immer zufrie-
den und vergnügt ſeyn. Aber biſt du denn das
immer geweſen, als alles geſchah, was du woll-
teſt, und alle deine Triebe wild ausbrechen durften?
Mathilde. Nein, Tante Selma! Jch war
noch viel öfter mißvergnügt, als bei dir; denn ich
wollte oft etwas, das ſie gar nicht thun konnten:
und es trieb mich zu Dingen, die ſie unmöglich
leiden konnten. Dann ward mir gewehrt, das
begriff ich dann nicht, und tobte und ward böſe,
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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/240>, abgerufen am 25.11.2024.
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