Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

thilde drückt auch im Gange ihren eigenen Charak-
ter aus. Und ob daran der Tanzmeister viel än-
dern würde, wäre die Frage. Stolz, wie ihr gan-
zes Wesen, ist auch ihr Gang.

Vor einigen Tagen kam unsere Köchin vom
Markte zu Hause, und sagte mir leise, sie habe
den alten lahmen Paul betrunken auf der Straße
liegen sehen. Das habe ich lange gefürchtet.

Jch verbot ihr, es Jda zu sagen. Am Sam-
stage, als die Stunde kam, wo er sein Wochen-
geld abzuholen pflegt, blieb er aus. Jda war be-
troffen darüber, und meynte, er müsse durchaus
krank seyn. Jch tröstete sie damit, das könne
nicht seyn, weil ich seinen Hausleuten bedeutet,
daß sie uns Nachricht geben sollten, wenn er ein-
mal krank wäre und sich nicht helfen könnte. Jda
wollte sich damit nicht zufrieden geben, und bestand
mit einer Heftigkeit, die ich sonst an ihr nicht
kenne, auf der Bitte, daß ich die Magd hinsen-
den möchte, um zu hören, warum er nicht gekom-
men, und ihm das Geld zu bringen, im Fall er
krank sey.

thilde drückt auch im Gange ihren eigenen Charak-
ter aus. Und ob daran der Tanzmeiſter viel än-
dern würde, wäre die Frage. Stolz, wie ihr gan-
zes Weſen, iſt auch ihr Gang.

Vor einigen Tagen kam unſere Köchin vom
Markte zu Hauſe, und ſagte mir leiſe, ſie habe
den alten lahmen Paul betrunken auf der Straße
liegen ſehen. Das habe ich lange gefürchtet.

Jch verbot ihr, es Jda zu ſagen. Am Sam-
ſtage, als die Stunde kam, wo er ſein Wochen-
geld abzuholen pflegt, blieb er aus. Jda war be-
troffen darüber, und meynte, er müſſe durchaus
krank ſeyn. Jch tröſtete ſie damit, das könne
nicht ſeyn, weil ich ſeinen Hausleuten bedeutet,
daß ſie uns Nachricht geben ſollten, wenn er ein-
mal krank wäre und ſich nicht helfen könnte. Jda
wollte ſich damit nicht zufrieden geben, und beſtand
mit einer Heftigkeit, die ich ſonſt an ihr nicht
kenne, auf der Bitte, daß ich die Magd hinſen-
den möchte, um zu hören, warum er nicht gekom-
men, und ihm das Geld zu bringen, im Fall er
krank ſey.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0232" n="218"/>
thilde drückt auch im Gange ihren eigenen Charak-<lb/>
ter aus. Und ob daran der Tanzmei&#x017F;ter viel än-<lb/>
dern würde, wäre die Frage. Stolz, wie ihr gan-<lb/>
zes We&#x017F;en, i&#x017F;t auch ihr Gang.</p><lb/>
          <p>Vor einigen Tagen kam un&#x017F;ere Köchin vom<lb/>
Markte zu Hau&#x017F;e, und &#x017F;agte mir lei&#x017F;e, &#x017F;ie habe<lb/>
den alten lahmen Paul betrunken auf der Straße<lb/>
liegen &#x017F;ehen. Das habe ich lange gefürchtet.</p><lb/>
          <p>Jch verbot ihr, es Jda zu &#x017F;agen. Am Sam-<lb/>
&#x017F;tage, als die Stunde kam, wo er &#x017F;ein Wochen-<lb/>
geld abzuholen pflegt, blieb er aus. Jda war be-<lb/>
troffen darüber, und meynte, er mü&#x017F;&#x017F;e durchaus<lb/>
krank &#x017F;eyn. Jch trö&#x017F;tete &#x017F;ie damit, das könne<lb/>
nicht &#x017F;eyn, weil ich &#x017F;einen Hausleuten bedeutet,<lb/>
daß &#x017F;ie uns Nachricht geben &#x017F;ollten, wenn er ein-<lb/>
mal krank wäre und &#x017F;ich nicht helfen könnte. Jda<lb/>
wollte &#x017F;ich damit nicht zufrieden geben, und be&#x017F;tand<lb/>
mit einer Heftigkeit, die ich &#x017F;on&#x017F;t an ihr nicht<lb/>
kenne, auf der Bitte, daß ich die Magd hin&#x017F;en-<lb/>
den möchte, um zu hören, warum er nicht gekom-<lb/>
men, und ihm das Geld zu bringen, im Fall er<lb/>
krank &#x017F;ey.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[218/0232] thilde drückt auch im Gange ihren eigenen Charak- ter aus. Und ob daran der Tanzmeiſter viel än- dern würde, wäre die Frage. Stolz, wie ihr gan- zes Weſen, iſt auch ihr Gang. Vor einigen Tagen kam unſere Köchin vom Markte zu Hauſe, und ſagte mir leiſe, ſie habe den alten lahmen Paul betrunken auf der Straße liegen ſehen. Das habe ich lange gefürchtet. Jch verbot ihr, es Jda zu ſagen. Am Sam- ſtage, als die Stunde kam, wo er ſein Wochen- geld abzuholen pflegt, blieb er aus. Jda war be- troffen darüber, und meynte, er müſſe durchaus krank ſeyn. Jch tröſtete ſie damit, das könne nicht ſeyn, weil ich ſeinen Hausleuten bedeutet, daß ſie uns Nachricht geben ſollten, wenn er ein- mal krank wäre und ſich nicht helfen könnte. Jda wollte ſich damit nicht zufrieden geben, und beſtand mit einer Heftigkeit, die ich ſonſt an ihr nicht kenne, auf der Bitte, daß ich die Magd hinſen- den möchte, um zu hören, warum er nicht gekom- men, und ihm das Geld zu bringen, im Fall er krank ſey.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/232
Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/232>, abgerufen am 19.05.2024.