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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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gefähr darin blätterte, eine Art von Brief, den
sie unvermerkt zusammenbuchstabiert hat, er ist
an ihren Bruder, den jungen Kornet, gerichtet,
von dem Dein vorletzter Brief mir sagte, daß
er ein ausgearteter verlorner Mensch sey, nnd
viele Schulden gemacht habe. Er muß sonst noch
Schlimmeres begangen haben, weil man ihn fest-
gesetzt, wie ich bei weiterm Nachforschen er-
fahren.

Der Brief ist, wie Du denken kannst, noch
sehr unordentlich geschrieben, enthält aber ohn-
gefähr dies: daß sie sich viel um den Bruder grä-
me, und es doch keinem Menschen sagen möchte,
auch mir nicht, weil sie sich schon ohnedies ge-
nug schäme; daß sie ihn gern befreien möchte,
aber gar noch nicht wüßte, wie das zu machen
sey? Außerdem sagte sie, daß sie bei Tische,
wenn gar kein Backwerk und kein süßer Wein
für sie käme, oft an die seligen Eltern dächte,
und wie sie da alles vollauf gehabt hätten, was
man nur wünschen mochte, und wie sie da alles
hätten thun können, sie und er, als die Aeltesten,

gefähr darin blätterte, eine Art von Brief, den
ſie unvermerkt zuſammenbuchſtabiert hat, er iſt
an ihren Bruder, den jungen Kornet, gerichtet,
von dem Dein vorletzter Brief mir ſagte, daß
er ein ausgearteter verlorner Menſch ſey, nnd
viele Schulden gemacht habe. Er muß ſonſt noch
Schlimmeres begangen haben, weil man ihn feſt-
geſetzt, wie ich bei weiterm Nachforſchen er-
fahren.

Der Brief iſt, wie Du denken kannſt, noch
ſehr unordentlich geſchrieben, enthält aber ohn-
gefähr dies: daß ſie ſich viel um den Bruder grä-
me, und es doch keinem Menſchen ſagen möchte,
auch mir nicht, weil ſie ſich ſchon ohnedies ge-
nug ſchäme; daß ſie ihn gern befreien möchte,
aber gar noch nicht wüßte, wie das zu machen
ſey? Außerdem ſagte ſie, daß ſie bei Tiſche,
wenn gar kein Backwerk und kein ſüßer Wein
für ſie käme, oft an die ſeligen Eltern dächte,
und wie ſie da alles vollauf gehabt hätten, was
man nur wünſchen mochte, und wie ſie da alles
hätten thun können, ſie und er, als die Aelteſten,

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[197/0211] gefähr darin blätterte, eine Art von Brief, den ſie unvermerkt zuſammenbuchſtabiert hat, er iſt an ihren Bruder, den jungen Kornet, gerichtet, von dem Dein vorletzter Brief mir ſagte, daß er ein ausgearteter verlorner Menſch ſey, nnd viele Schulden gemacht habe. Er muß ſonſt noch Schlimmeres begangen haben, weil man ihn feſt- geſetzt, wie ich bei weiterm Nachforſchen er- fahren. Der Brief iſt, wie Du denken kannſt, noch ſehr unordentlich geſchrieben, enthält aber ohn- gefähr dies: daß ſie ſich viel um den Bruder grä- me, und es doch keinem Menſchen ſagen möchte, auch mir nicht, weil ſie ſich ſchon ohnedies ge- nug ſchäme; daß ſie ihn gern befreien möchte, aber gar noch nicht wüßte, wie das zu machen ſey? Außerdem ſagte ſie, daß ſie bei Tiſche, wenn gar kein Backwerk und kein ſüßer Wein für ſie käme, oft an die ſeligen Eltern dächte, und wie ſie da alles vollauf gehabt hätten, was man nur wünſchen mochte, und wie ſie da alles hätten thun können, ſie und er, als die Aelteſten,

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/211>, abgerufen am 22.11.2024.