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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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Mathildens unkindliche Natur zu erforschen, ist
allerdings das nächste, und doch kann das lange
dauern, ehe ich bis auf den Grund gekommen bin.
Dies arme Kind ist äußerst verschlossen. Noch
kann ich es z. B. nicht errathen, was sie mit dem
Gelde machen will, welches sie von einer Woche zur
andern bei Seite legt, ohne irgend einen Gebrauch
davon zu machen. Noch immer liefern beide Kin-
der jeden Samstag richtig ihr Strümpfchen, und
bekommen dadurch eine große Fertigkeit im Strik-
ken, so wie ich einen reichen Vorrath an kleinen
Strümpfen, den wir nächstens einmal dem Pfar-
rer in N ... zum Vertheilen unter die Armen sei-
ner Gemeinde bringen wollen. Paul kommt rich-
tig alle Woche und holt seine Gabe ab. Seit er
Jda's Blumenliebhaberei kennt, hat er Blumen
in Töpfen gepflanzt, und bringt ihr jeden Sam-
stag seinen Tribut davon.

Die ersten Male holte Jda immer Brot für
das Geld, und ich ließ sie, damit sie ihrer Wohl-
that froher werden sollte, wenn sie die Menge
Brot sähe, die er bekommt; seitdem habe ich ihr

Mathildens unkindliche Natur zu erforſchen, iſt
allerdings das nächſte, und doch kann das lange
dauern, ehe ich bis auf den Grund gekommen bin.
Dies arme Kind iſt äußerſt verſchloſſen. Noch
kann ich es z. B. nicht errathen, was ſie mit dem
Gelde machen will, welches ſie von einer Woche zur
andern bei Seite legt, ohne irgend einen Gebrauch
davon zu machen. Noch immer liefern beide Kin-
der jeden Samſtag richtig ihr Strümpfchen, und
bekommen dadurch eine große Fertigkeit im Strik-
ken, ſo wie ich einen reichen Vorrath an kleinen
Strümpfen, den wir nächſtens einmal dem Pfar-
rer in N … zum Vertheilen unter die Armen ſei-
ner Gemeinde bringen wollen. Paul kommt rich-
tig alle Woche und holt ſeine Gabe ab. Seit er
Jda’s Blumenliebhaberei kennt, hat er Blumen
in Töpfen gepflanzt, und bringt ihr jeden Sam-
ſtag ſeinen Tribut davon.

Die erſten Male holte Jda immer Brot für
das Geld, und ich ließ ſie, damit ſie ihrer Wohl-
that froher werden ſollte, wenn ſie die Menge
Brot ſähe, die er bekommt; ſeitdem habe ich ihr

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[160/0174] Mathildens unkindliche Natur zu erforſchen, iſt allerdings das nächſte, und doch kann das lange dauern, ehe ich bis auf den Grund gekommen bin. Dies arme Kind iſt äußerſt verſchloſſen. Noch kann ich es z. B. nicht errathen, was ſie mit dem Gelde machen will, welches ſie von einer Woche zur andern bei Seite legt, ohne irgend einen Gebrauch davon zu machen. Noch immer liefern beide Kin- der jeden Samſtag richtig ihr Strümpfchen, und bekommen dadurch eine große Fertigkeit im Strik- ken, ſo wie ich einen reichen Vorrath an kleinen Strümpfen, den wir nächſtens einmal dem Pfar- rer in N … zum Vertheilen unter die Armen ſei- ner Gemeinde bringen wollen. Paul kommt rich- tig alle Woche und holt ſeine Gabe ab. Seit er Jda’s Blumenliebhaberei kennt, hat er Blumen in Töpfen gepflanzt, und bringt ihr jeden Sam- ſtag ſeinen Tribut davon. Die erſten Male holte Jda immer Brot für das Geld, und ich ließ ſie, damit ſie ihrer Wohl- that froher werden ſollte, wenn ſie die Menge Brot ſähe, die er bekommt; ſeitdem habe ich ihr

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/174>, abgerufen am 09.10.2024.