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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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sie selbst ein Brot für Paul aussuchte. Sie hat-
te, wie ich vermuthet, daß größte gefaßt, und
brachte es mit Mühe geschleppt. Unterdessen hat-
te ich Paul bestätigt, was das Kind versprochen,
und ihm scharf eingeprägt, daß er zwar danken,
aber der Kleinen nichts Schönes sagen dürfe.
Das würd' ihm schwer werden, meynt' er: ihm
standen die Augen voll Wasser, als die Kleine
mit einer wahren Engelsmiene ihm das Brot
reichte. Gott vergelt es, gutes Fräulein! und
dabei schickt' er einen Blick zum Himmel, der
des Kindes Herz traf. Jda sah dem Alten sin-
nend nach. Dann hüpfte sie mit mir hinauf.
Nun, liebe Tante, geschwind, gib mir Baumwolle
zum Stricken. Sie erhielt und theilte mit Ma-
thilde; Beide fingen zugleich an. Sie stricken
ganz kleine Strümpfchen, damit sie ihre Aufgabe
auch ohne zu große Anstrengung vollenden mögen.
Etwas bedauerte Jda dabei, daß sie nun ihren
alten Paul nicht alle Tage sähe. Mir ist es sehr
recht, daß er nur einmal in der Woche kommt,
damit die Freude an der Sache ihr neu bleibe.

Von diesem Wochengelde müssen sie Strafgeld



ſie ſelbſt ein Brot für Paul ausſuchte. Sie hat-
te, wie ich vermuthet, daß größte gefaßt, und
brachte es mit Mühe geſchleppt. Unterdeſſen hat-
te ich Paul beſtätigt, was das Kind verſprochen,
und ihm ſcharf eingeprägt, daß er zwar danken,
aber der Kleinen nichts Schönes ſagen dürfe.
Das würd’ ihm ſchwer werden, meynt’ er: ihm
ſtanden die Augen voll Waſſer, als die Kleine
mit einer wahren Engelsmiene ihm das Brot
reichte. Gott vergelt es, gutes Fräulein! und
dabei ſchickt’ er einen Blick zum Himmel, der
des Kindes Herz traf. Jda ſah dem Alten ſin-
nend nach. Dann hüpfte ſie mit mir hinauf.
Nun, liebe Tante, geſchwind, gib mir Baumwolle
zum Stricken. Sie erhielt und theilte mit Ma-
thilde; Beide fingen zugleich an. Sie ſtricken
ganz kleine Strümpfchen, damit ſie ihre Aufgabe
auch ohne zu große Anſtrengung vollenden mögen.
Etwas bedauerte Jda dabei, daß ſie nun ihren
alten Paul nicht alle Tage ſähe. Mir iſt es ſehr
recht, daß er nur einmal in der Woche kommt,
damit die Freude an der Sache ihr neu bleibe.

Von dieſem Wochengelde müſſen ſie Strafgeld

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[146/0160] ſie ſelbſt ein Brot für Paul ausſuchte. Sie hat- te, wie ich vermuthet, daß größte gefaßt, und brachte es mit Mühe geſchleppt. Unterdeſſen hat- te ich Paul beſtätigt, was das Kind verſprochen, und ihm ſcharf eingeprägt, daß er zwar danken, aber der Kleinen nichts Schönes ſagen dürfe. Das würd’ ihm ſchwer werden, meynt’ er: ihm ſtanden die Augen voll Waſſer, als die Kleine mit einer wahren Engelsmiene ihm das Brot reichte. Gott vergelt es, gutes Fräulein! und dabei ſchickt’ er einen Blick zum Himmel, der des Kindes Herz traf. Jda ſah dem Alten ſin- nend nach. Dann hüpfte ſie mit mir hinauf. Nun, liebe Tante, geſchwind, gib mir Baumwolle zum Stricken. Sie erhielt und theilte mit Ma- thilde; Beide fingen zugleich an. Sie ſtricken ganz kleine Strümpfchen, damit ſie ihre Aufgabe auch ohne zu große Anſtrengung vollenden mögen. Etwas bedauerte Jda dabei, daß ſie nun ihren alten Paul nicht alle Tage ſähe. Mir iſt es ſehr recht, daß er nur einmal in der Woche kommt, damit die Freude an der Sache ihr neu bleibe. Von dieſem Wochengelde müſſen ſie Strafgeld

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/160>, abgerufen am 09.10.2024.